Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 73 von 121
und das hole ich hiermit ein Stück weit herein, wo es europaweit wirklich zunehmend zu Unruhen kommt, in Frankreich, in Spanien, in Griechenland, wo Menschen aufstehen, weil es so gravierende, soziale Einschnitte gibt. Und natürlich, weil das heute schon Vormittag in Frage gestellt worden ist, leben wir hier auch noch mit den Auswirkungen der Krise auf steigendende Armut und Arbeitslosigkeit, und niemand von Rot-Grün, zumindest habe ich dazu keinen Redner und keine Rednerinnen gehört, delegiert die Verantwortung nach Europa oder an die Bundesregierung. Wir haben einen gewissen Spielraum hier in Wien und den nützen wir. Wir haben letztes Jahr bei der Rechnungsabschlusswoche klar und deutlich gesagt, als rot-grüne Regierung werden wir nie und nimmer eine Politik auf Kosten der Schwächsten in der Stadt machen.
Hinter diesen 1.658 Millionen stecken einige Details, die ich hier zumindest beispielhaft nennen möchte. Das eine ist schon genannt worden, das ist der Obdachlosenbereich mit 60 Millionen EUR, und ich sage es ihnen noch einmal, so, wie ich es jedes Jahr sage: Die Stadt Wien es hat gemeinsam mit NGOs, gemeinsam mit Streetworkern und Streetworkerinnen geschafft, dass 3.000 obdachlose Menschen im Winter untergebracht worden sind. Das ist ein gutes Zeichen, wenn man sozial verantwortlich handeln möchte und es auch tut. Wir haben eine begleitende Evaluierung gemacht. Wir haben immer wieder hier herinnen darüber gesprochen, dass wir ein neues Konzept verfolgen in Wien, nämlich das Housing First. Auch dazu gab es viele Unkenrufe, dass das nicht schaffbar ist. 98 Prozent der obdachlosen Menschen, die jetzt eine eigene Wohnung haben, eine eigene Lebensqualität, haben es geschafft. Das ist ein weiteres gutes Beispiel, wo man soziale Verantwortung sieht.
Das Nächste ist die Sucht- und Drogenpolitik. Einige von ihnen waren ja auch im letzten Ausschuss - fast möchte ich sagen, Feuer und Flamme -, wo da das Alkoholkonzept präsentiert wurde, was hier an präventiven und konkreten Maßnahmen jetzt stattfindet.
Wir haben 80.000 Kinder in Wien, die wöchentlich eine gesunde Jause erhalten. Wir haben hier herinnen Debatten geführt, was es heißt, einerseits die Auswirkungen von Armut ernst zu nehmen, andererseits nicht Menschen herablassend oder großzügig zu behandeln, sondern ein Projekt zu schaffen, wo es um eine gesunde Ernährung an Schulen geht, wo es auch ein pädagogisches Begleitprogramm dazu gibt. Und jetzt sagen die Kinder, sie hätten gerne noch ein größeres Angebot an Obst und Gemüse. Weil es so angenommen wird, investiert hier die Stadt.
Wir haben immer wieder in den letzten Jahren Diskussionen über die Wiener Energieunterstützung, und es ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass inzwischen 16.000 Haushalte mit Wiener Energieunterstützung erreicht worden sind, das heißt, nachhaltig und das heißt, konkrete Unterstützung, wenn Gas- und Stromrechnungen offen sind.
Und natürlich komme ich jetzt zur Mindestsicherung, eine Diskussion, die seitens der Oppositionsparteien seit Monaten mit einer Menschenverachtung geführt wird, wo man diesen Menschen, die auf das Nötigste angewiesen sind, das Nötigste zu erhalten … Diese Kampagne - muss ich Ihnen ehrlich sagen, und es ist gut so, dass man auch nach Jahren nicht abstumpft, wenn man hier heroben steht - ist wirklich widerwärtig und strengstens abzulehnen. Herr Juraczka (Die Rednerin spricht den Namen „Juratschka“ aus.), bei allem nötigen Respekt. (GR MMag. Dr. Gudrun Kugler, den Namen phonetisch buchstabierend: Juraczka!) Juraczka, wie auch immer, bei allem nötigen Respekt: Wenn Sie heute hier am Vormittag hergehen und sagen, Milch und Honig fließen in der Mindestsicherung in Wien, dann ist mir als Erstes ein Gespräch mit einer Alleinerzieherin mit einem Kind eingefallen. Die kriegt konkret 1.063,96 EUR, davon lebt sie, nämlich einer Aufzahlung von 500 EUR, weil sie zu wenig verdient. Dieser Frau sagen Sie einmal unter vier Augen, wo sie in Milch und Honig schwimmt, bei 1.000 EUR zum Leben im Monat! Das ist einer Art der Politik, wo man Neid schürt, Hass schürt und wirklich Menschen, die versuchen, noch Respekt und Würde aufrechtzuerhalten, noch zusätzlich demütigt. Diese Art der Politik lehnen wir von Rot-Grün ab! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Noch einmal, es wäre das Einfachste, wenn es eine Verbundlichung gibt, wenn es einheitliche Mindeststandards in der Mindestsicherung gibt, dann könnten wir uns vieles ersparen, konkret den Menschen, die auf die Mindestsicherung angewiesen sind. Wir könnten ihnen ersparen, von den Bundesländern hin- und hergereicht zu werden. Wir könnten den Menschen ersparen, dass sie versuchen, ihr Leben, ihre Perspektive zu erhalten und immer wieder schauen müssen, welches Bundesland unterbietet die notwendigen Investitionen, damit Menschen Perspektive erhalten.
Was macht denn Oberösterreich? Es geht nicht her und kürzt auf 500 EUR, sondern macht im Grunde eines, es entzieht sich völlig unsolidarisch der sozialen Verantwortung. Investiert nicht in Wohnung und Arbeit, damit die Menschen auch bleiben, sondern betreibt genau das, was jetzt zunehmend seitens ÖVP und FPÖ passieren soll, eine Unruhe in unserer Gesellschaft, die den sozialen Frieden gefährdet.
Es wäre so einfach, bundeseinheitliche Mindeststandards zu machen. Seit Monaten gibt es Verhandlungen - und hier auch meinen Respekt an die Frau Stadträtin -, wo man Kompromisse erzielen möchte, wo man sagt, was vertretbar, leistbar und menschenwürdig ist. Sieben Bundesländer haben sich geeinigt, und ich weiß nicht, wer sich innerhalb der ÖVP wann auf welche Kosten durchsetzt, aber ich hoffe sehr, dass die vernunftbegabten Menschen innerhalb der ÖVP zur Besinnung kommen und sagen, dass es doch vernünftig wäre, wenn wir eine gemeinsame Lösung hätten.
Was wäre denn die Alternative? In zehn Jahren hier zu stehen und zu sagen: Furchtbar, also die Armut ist gestiegen und Arbeitslosigkeit ist gestiegen, und es gibt mehr Obdachlose, wie furchtbar, wie furchtbar. Ich reiche wirklich, und das meine ich so, Ihnen jetzt auch die
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