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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 53 von 121

 

gewählte Redezeit 5 Minuten. Fraktionelle Restredezeit 9 Minuten. - Bitte.

 

14.30.47

GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin!

 

Sie haben es vielleicht überhört, aber ich muss eine - meines Erachtens - ziemliche Frechheit des GR Jung kurz aufgreifen. (GR Mag. Wolfgang Jung: Da redet der Richtige!)

 

Er hat gesprochen von den „abgehalfterten Funktionären, die nicht wissen, was sie in der Pension tun sollen“. Jetzt weiß ich nicht: Haben Sie sich selbst gemeint oder Kollegin Stenzel? Oder haben Sie bewusst den zukünftigen Herrn Bundespräsidenten gemeint, der in Wien mit großer Mehrheit, de facto mit Zweidrittelmehrheit, gewählt wurde? Und ich denke, dieses Ergebnis ist tatsächlich einen Applaus wert. Ich bin stolz auf Wien für dieses Wahlergebnis! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. - GR Mag. Wolfgang Jung: Ich hab gesagt: Der Van der Bellen hat gesagt, Lügen ist ein Mittel der Politik! - GR Mag. Dr. Alfred Wansch: … der Universitätsbeauftragte!)

 

Aber ich komme jetzt zurück zur europäischen Ebene, denn es ist ja nicht nur der Brexit tragisch, es spielt sich ja momentan in Europa vieles ab. Fast könnte man sagen, unter dem absurden Motto „Nationalisten aller Länder, vereinigt euch!“ treffen sich Rechtsextreme aus ganz Europa und einigen sich darauf: Wir sind immer dort, wo wir sind, gerade gegen alle anderen! - Das ist die Politik der Rechtsextremen Europas. Das ist ähnlich der Politik von Nigel Farage, und das ist auch ähnlich der Politik, von der sich jetzt Cameron wieder absentieren möchte, beziehungsweise er hat es schon vor ein paar Wochen gemacht. Das ist die Problematik dahinter: Dass diese rechtsextreme Politik, diese unsolidarische Politik in den letzten Wochen, in den letzten Monaten, in den letzten Jahren leider immer mehr Zulauf erhalten hat.

 

Und das kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern das hängt schon auch mit der Politik der europäischen Ebene zusammen. Und da muss ich Frau Kugler ganz vehement widersprechen, obwohl ich ansonsten ihre Rede wirklich für ganz okay gehalten habe, aber: Nein, ich will nicht ein Zurück zur Wirtschaftsunion, denn diese Reduzierung auf eine Wirtschaftsunion ist es, was die Rechtsextremen in Europa so stark macht. Ohne Sozialunion, ohne Menschenrechtsunion, ohne Friedensunion kann eine Wirtschaftsunion alleine heute nicht mehr existieren und wird vor allem von den Menschen nicht mehr akzeptiert. Deshalb ist es so wichtig, dass wir wirklich gemeinsam an einer Sozialunion weiterarbeiten.

 

Denn - und jetzt komme ich zum Wiener Part dieser Geschichte, wie das zusammenhängt -: Die Menschen - und das darf man von ihnen auch nicht verlangen - unterscheiden nicht, welche Ebene politisch wofür zuständig ist. (GR Mag. Wolfgang Jung: Die Wähler sind zu dumm, aber Sie wissen es, oder wie?) - Nein, sie wollen doch gar nicht unterscheiden: Ist der jetzt für den Bezirk zuständig? Ist er für Wien zuständig? Ist er für den Bund zuständig? Ist er für Europa zuständig? - Die erwarten sich vielmehr, und auch da gibt es unterschiedliche Vorstellungen, die jeder von uns hat, aber die erwarten sich, dass in ihrem Sinne Politik gemacht wird, ohne ebenenmäßige Unterscheidung. Und - und da mache ich jetzt überhaupt nicht Ihnen den Vorwurf, denn das haben Sie gar nicht gemacht - genau daran erkennt man dann auch lautere Politik.

 

Wie gesagt, die Menschen wollen diese Unterscheidung nicht, aber wir wissen, auf welcher Ebene wir zuständig sind. Und wenn wir ihnen gegenüber ständig die Ebenen vermischen, wie zum Beispiel der Herr Baron, der herauskommt und von der Bettel-Alm spricht, wo Wien eine Genehmigung erteilt hat - und das war eigentlich ganz okay -, basierend auf der Gewerbeordnung des Bundes, aufgehoben durch den Verfassungsgerichtshof des Bundes, wo er dann aber sagt, Wien sei schuld, dann ist das unlautere Politik! Und das ist in vielen, vielen anderen Bereichen auch zu beobachten.

 

Wirtschaftspolitik ernst zu nehmen, heißt natürlich, vorwiegend einmal auf der Bundesebene zu agieren und natürlich in Wien zu schauen, was man unterstützend machen kann. Arbeitsmarktpolitik heißt, auf Bundesebene, auf europäischer Ebene ganz massiv Entwicklungen einzuleiten, die wirklich eine Arbeitsmarktpolitik forcieren, von der die Menschen auch wieder etwas haben. Jetzt kann man darüber streiten, ob das die Arbeitszeitverkürzung ist oder ob es andere Wege sind, aber wir wissen alle, Wien alleine wird doch nicht die Arbeitsmarktpolitik Österreichs oder Europas lösen können. Ich glaube, das muss man den Menschen klarmachen, welche Ebenen zuständig sind, und dann kann man auch tatsächlich die inhaltliche Auseinandersetzung auf diesen Ebenen suchen.

 

Ein letzter Punkt, auch im Hinblick auf die Vergleichbarkeit, weil immer wieder München und Stockholm erwähnt wurden: Ich meine, in Stockholm gibt es nicht umsonst jetzt auch eine rot-grüne Regierung, und da merkt man, der Rahmen, in dem eine Stadt agiert, spielt eine wesentliche Rolle. Ich glaube auch tatsächlich, dass die Situation in Wien anders ausschauen würde, gäbe es auf Bundesebene eine rot-grüne Regierung, gäbe es einen anderen Finanzausgleich. Ja, und dann würden wir darüber streiten, ob es besser oder schlechter ist, aber es wäre anders. Ich glaube, man darf diesen Rahmen nicht vergessen.

 

Und was München betrifft - weil München fast als heilige Kuh der Städte genannt wurde und immer darauf hingewiesen wurde, wie super München ist -: München hat eine Steuer, die es in Wien gar nicht gibt, nämlich die Gewerbesteuer. München hat Einnahmen aus der Gewerbesteuer - nur um einmal zu wissen, wovon wir reden - in der Größenordnung von 2,2 Milliarden EUR! In dieser Höhe hat München Einnahmen aus der Gewerbesteuer - neben dem innerdeutschen Finanzausgleich, den es auch gibt, et cetera. München als Gemeinde, obwohl um ein Viertel kleiner als Wien, hat deutlich mehr Ertragsanteile plus Kommunalsteuer - wenn man das jetzt vergleichend rechnen würde - als Wien.

 

Also bitte: Na, selbstverständlich sind ausgeglichene Budgets immer machbar, wenn die Einnahmen diesbezüglich stimmen! Und das ist halt in Deutschland der Fall. Das wissen Sie, das weiß ich, und wir kennen andere Kommunen, wo das eben nicht so ist.

 

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