Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 121
Türl mit Seitenteilen, weil er das Wort Zaun umschiffen wollte. In dieser Tradition steht auch der aktuelle Bundeskanzler: Einmal sagt er Maschinensteuer, dann mutiert diese auf einmal zur Wertschöpfungsabgabe, und schließlich wird sie irgendwie als Beschäftigungsbonus verkauft.
Da sieht man: Wenn es ums Verschleiern von Tatsachen geht, wenn es darum geht, den Menschen Sand in die Augen zu streuen und sie in Sicherheit zu wiegen, dann entwickeln die Genossen eine unheimliche Kreativität! Wobei die GRÜNEN bereitwillig assistieren. (Beifall bei der ÖVP.)
Mein absoluter Favorit an solchen Sagern stammt aber von Ihnen, Frau Stadträtin! Und zwar ist der aus dem „Ö1 Journal“ vom 22. Jänner letzten Jahres, wo Sie sagen: „Wir spekulieren nicht, wir warten auf bessere Zeiten.“ Das ist ein genial einfacher Satz! Genial deswegen, weil er in nicht einmal zehn Wörtern alles sagt, was über rot-grüne Finanz- und Budgetpolitik zu wissen ist: „Wir warten auf bessere Zeiten.“
Es wäre ja eigentlich traurig, aber es stecken zwei Körnchen Wahrheit drin. Nämlich einerseits: Es bleibt uns ja nichts anderes übrig, als auf bessere Zeiten zu warten - wenn nämlich diese rot-grüne Stadtregierung nicht mehr am Ruder sein wird. Und zweitens ist das tatsächlich das, was Sie unter Budgetpolitik verstehen, nämlich: Warten auf bessere Zeiten!
Am deutlichsten sieht man das, wenn man den Voranschlag mit dem Rechnungsabschluss vergleicht. Denn im Voranschlag weisen Sie 221 Millionen Neuverschuldung aus. Im Rechnungsabschluss, also tatsächlich, sind es nicht 221 Millionen, sondern über 500 Millionen Neuverschuldung im Jahr 2015, also doppelt so viel!
Als der Präsident der Wiener Wirtschaftskammer noch im Februar dieses Jahres gemeint hat, nein, diese 221 Millionen glaubt er nicht ganz, es werden wohl über 500 Millionen werden, da haben Sie noch gesagt, Frau Stadträtin - in der „Kronen Zeitung“ vom 14. Februar dieses Jahres -: „Das sind doch Phantasiezahlen! Es bringt nichts, alle panisch zu machen.“ Eben getreu nach dem Motto: Tarnen, täuschen und auf bessere Zeiten hoffen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Überhaupt lohnt es sich bei dieser Debatte zum Rechnungsabschluss, noch ein bisschen in die Zitate von Ihnen von der Budgetdebatte zu schauen. Da haben Sie nämlich gemeint, das wird alles recht gut werden. Ein paar Zitate: „Der Wiener Budgetvoranschlag ist die in Zahlen gegossene Politik. Hinter dem Zahlenwerk verbirgt sich die Zukunft Wiens.“ Na, gratuliere!
„Die Eckdaten zum Budget 2015 unterstreichen: Wiens Finanzen sind gesund.“ Und weiter heißt es in dieser Presseaussendung: „Die Neuverschuldung ist konsequent rückläufig und im Vergleich zur Wirtschaftsleistung verkraftbar.“ Na ja, Sie sind offenbar nicht immer so streng, wie Sie manchmal wirken, Frau Stadträtin. Denn eine Verdoppelung der Neuverschuldung ist aus meiner Sicht eben nicht verkraftbar!
Da bringt es auch nichts, wenn Sie anführen, dass Sie eine besondere Strenge im Budgetvollzug haben. Weiteres Zitat aus der Presseaussendung dazu: „Wien zeichnet sich unter anderem durch einen sehr strengen Budgetvollzug aus und unterschreitet dabei in der Regel die budgetierten Gesamtausgaben.“ Da war wohl anscheinend das Budget 2015 die Ausnahme von dieser Regel.
Weiter im Zitat aus Ihrer Rede: „Und ich möchte gleich an dieser Stelle mit einem Mythos aufräumen: Wien habe angeblich seine Budgetplanung nicht im Griff, und die Ausgaben würden rascher steigen als die Einnahmen. Das ist komplett unwahr. Wer rechnen kann, ist im Vorteil.“ Stimmt, wer rechnen kann, ist im Vorteil. Wir haben das getan, und deswegen weisen wir schon länger darauf hin, dass die Neuverschuldung überschießend ist! Sie aber bleiben Ihrem Motto treu und warten auf bessere Zeiten. (Beifall bei der ÖVP.)
Ihre Beteuerungen in der Rede, dass immer die anderen schuld sind an dem Schuldenstand, egal, ob das der Bund ist, die Migrationswelle, die Arbeitslosigkeit oder die Krise - jetzt reden Sie mittlerweile schon seit fast zehn Jahren von dieser Krise! Krise ist laut Definition ein begrenzter Zeitraum, wenn nicht nur ein Moment. Aber jetzt fast zehn Jahre von der Krise zu reden - ich meine, irgendwann einmal ist das auch am Ende.
Dabei funktioniert es auch anders. Es ist nicht so, dass alle Städte, alle Großstädte in Europa ständig eine Neuverschuldung wie Wien machen. Da braucht man nur ein bisschen über den Tellerrand zu schauen und sich etwa München als Beispiel herzunehmen. Denn während in Wien die Gesamtschulden explodieren, ist der Höchstschuldenstand in München von 2005 - damals waren es 3,4 Milliarden - mittlerweile gesunken auf 815 Millionen im Jahr 2015, also deutlichst!
Kein Einzelfall, wenn man nach Berlin schaut: In Berlin ist 2012 die CDU in die Landesregierung gekommen, und seither ist der Gesamtschuldenstand der Stadt um 3 Milliarden EUR gesunken. (Zwischenrufe bei den GRÜNEN.) Und nicht nur der, sondern auch die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen: um 34.000 Personen. In Wien ist die Arbeitslosigkeit um 45.000 Personen gestiegen - und Wien schaut weiter weg und wartet auf bessere Zeiten! (Beifall bei der ÖVP.)
Wo sind die Reformen, die es so notwendig braucht, um diesen Weg einzuschlagen, den auch München oder Berlin geht? Dass es notwendig wäre, Maßnahmen zu treffen, das haben Sie ja, so zwischen den Zeilen, auch in Ihrer Rede zum Budgetvoranschlag eingestanden. Sie haben da nämlich gesagt, es braucht „mutige Reorganisationsschritte“, und angekündigt, dass die frei werdenden Ressourcen dort eingesetzt werden, wo man sie auch braucht.
Was Sie unter diesen mutigen Organisationsschritten verstehen, das haben wir letzte Woche gesehen: 800 Frühpensionierungen aus organisatorischen Gründen. Für die Damen und Herren auf der Galerie: Organisatorische Frühpensionierungen heißt, man schickt Leute in Frühpension, weil es für sie nichts mehr zu tun gibt - angeblich. Das ist ein wahrhaft mutiger Reorganisationsschritt! Was Sie verschweigen, ist, dass Sie damit über 200 Millionen EUR an Arbeitsleistung einfach herschen
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