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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 77 von 107

 

scheinlich technisch noch am schwierigsten auf postfossil umzustellen, wird man auf der ganzen Welt brauchen. Da werden irgendwann jene Länder, die viel später die Industrialisierung begonnen haben, fragen, ob sie jetzt zurückstecken sollen oder nicht die, die beim Doppelten, Dreifachen dessen sind, was dann zugesprochen wird, stark reduzieren sollen.

 

Das heißt, wir werden unglaublich viel in unglaublich kurzer Zeit machen. Das geht so weit, dass ich es mir heute nicht vorstellen kann, ich sage das jetzt ganz offen, mit den Maßnahmen und den Prioritäten, die die Politik in ganz Europa setzt. Von den USA und deren Politsystem rede ich in diesem Zusammenhang nicht, wo eine gesamte Partei sagt, es gibt den Klimawandel nicht, das ist alles irgendwie ein Hirngespinst. Das macht mich fassungslos als jemand, der die Vereinigten Staaten und deren auch kulturelle Kraft schätzt. Das macht einen ratlos. Ich will nur sagen, das muss unglaublich weit gehen, und es wird in Bälde ein weiteres Klimaschutzprogramm begonnen werden, das dieser Radikalität Rechnung trägt. Dass das irgendwie „smooth“ abgeht, glaube ich nicht.

 

Wir können davon profitieren. Jetzt sage ich eine große Verbeugung vor den Deutschen, die sozusagen eine weltweite Bürde auf sich genommen haben, indem sie mit dem Stromeinspeisegesetz, das moderat, meine ich, aber doch mit zig Milliardenbeträgen die deutschen Stromkonsumenten bezahlt haben, einen Weltmarkt geschaffen haben, sodass die Zuwächse in Indien, in China gewaltig sind. Diese Technologie, kann man sagen, ist durch, weil es einfach preislich sehr hinuntergegangen ist. Ich denke mir, dass wir in Europa oder sehr konkret in Wien ähnliche Schritte setzen müssen. Jetzt rede ich nicht darüber, weil das wird organisatorisch und regulativ in Wien entschieden, aber die Marktfrage wird schneller gehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in den nächsten fünf Jahren einen Beschluss in sehr vielen Städten fassen. Die Norweger haben das jetzt angedeutet, dass wir wirklich zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dieser Klarheit sagen, es gibt keine Verbrennungsmotoren, es werden keine Autos mehr mit Verbrennungsmotoren verkauft. Es dauert, glaube ich, nur wenige Jahre, bis die Elektromobilität, was die Autos betrifft, die es auch in 20 oder 30 Jahren in der Form noch geben wird, umgesetzt ist. Wir haben ja Elektromobilität beim stärksten Verkehrsträger Wiens, nämlich den öffentlichen Verkehrsmitteln. Da, glaube ich, tun jetzt einige sehr viel. Ich schaue mir an, wie die Preisreduktion bei den Batterien stattfindet. Ich schaue mir die Ladekapazität der Batterien an. Da wird sich sehr viel tun.

 

Ich möchte auch auf einen zweiten Punkt eingehen, den der Kollege Gara richtigerweise gesagt hat. Der zweite Bereich neben dem großen Bereich Verkehr ist der große Bereich der Wärme- und Kälteversorgung. Da müssen wir auch ganz klar mit der Wien Energie reden, die durchaus in schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen steckt, die auch damit zu tun haben, dass die europäischen Preissignale einfach falsch sind. Ein Strompreis von 2 Cent, 2,5 Cent ist so niedrig, dass nicht einmal ein abgeschriebenes Windkraftwerk das erwirtschaften kann. Das muss man sich einmal vorstellen. Also, da haben wir völlige Verzerrungen. Darunter leiden alle Stadtwerke. Aber wir werden nicht nur darüber nachdenken, sondern wir werden Wege gehen müssen, diese riesigen neuen Stadtteile, die wir erschließen, völlig kohlenstofffrei im Sommer kühl und im Winter warm zu kriegen. Das ist auch keine technische Frage. Da gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die schon erprobt werden, von der Wärme, die aus der Tiefe kommt - da muss man gar nicht tausende Meter hinuntergehen, da reichen schon wenige, um mit den Differenzen etwas zu machen -, in Verbindung mit den Windkraftkapazitäten rund um Wien. Da ist sehr viel möglich.

 

Ich erwähne es noch einmal, weil es wirklich eine riesige Quelle ist, die wir hier in Wien verstärkt im Auge haben, jedes Jahr werden in Wien, wie in anderen Städten, etliche Datencenter angesiedelt, die sozusagen 100 Prozent des Stroms zur Rechnerleistung zwischennutzen und dann 100 Prozent des Stroms als Abwärme ausscheiden. Das kann man nutzen. Was uns hier noch fehlt, sind intelligente Formen der langfristigen Finanzierung. Darüber müssen wir nachdenken und auch die Stadtwerke dort hinbringen.

 

Einen letzten Punkt will ich einfach sagen, weil er mir wesentlich ist und er auch die Komplexität zeigt. Das ist die ewige Diskussion, die auch der Kollege Irschik zuerst angesprochen hat, die Wohnbaudiskussion. Aus Klimaschutzgründen sage ich Ihnen, es ist viel besser, Menschen, die in Wien leben wollen, kompakt und verdichtet im städtischen Raum anzusiedeln (GR Wolfgang Irschik: Aber alle wollen wir nicht!), statt die Alternative zu haben, die neben Frust auch klimaschutzmäßig katastrophal ist. Wenn jemand in Wien leben und arbeiten will, er oder sie in Wien keine Wohnung findet und sich dann im Umland ansiedeln muss, habe ich schon von der Klimabilanz her - wie viel Kanal muss ich unter die Erde legen, wie viel Straße muss ich betonieren - einen vielfachen ökologischen Fußabdruck, ein Vielfaches an CO2-Emissionen, dass es von dem her dringend gefordert ist, auch wenn es von mir aus intuitiv nicht einleuchtet, kompakt und dicht in der Stadt zu bauen.

 

Weil ich ungern Taferln hochhalte, halte ich das fiktive Taferl hoch. Wenn Sie sich alle neun Bundesländer anschauen und sich fragen: Wo haben wir den geringsten Stromverbrauch pro Kopf von allen neun Bundesländern? Antwort: Wien. Wo haben wir den geringsten Heizwärmeverbrauch aller neun Bundesländer? Dann ist das Wien. Wo haben wir die geringsten gefahrenen Autokilometer von allen neun Bundesländern? Das ist Wien. (GR Wolfgang Irschik: Das ist das kleinste Bundesland, Herr Kollege!) Wenn jemand sagt, eh klar, wir sind in der Stadt, eben darum ist die städtische Lebensform auch vom Klimaschutz her die ökologischste.

 

Darum sind wir gut beraten, Ihren Forderungen, Herr Kollege Irschik, nicht zu folgen, sondern im Zweifelsfall immer das Gegenteil zu tun! - Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. - GR Wolfgang Irschik: Das macht schon der Wähler! Er folgt uns!)

 

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