Gemeinderat, 7. Sitzung vom 27.04.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 18
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Die nächsten Redner haben nunmehr 15 Minuten Redezeit. Zu Wort gelangt Herr GR Dr. Gara. - Bitte.
GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe Ihnen etwas (ein Schriftstück in die Höhe haltend) mitgebracht. Das hier ist ein Antrag aus dem Jahre 2002. Ein Antrag aus dem Jahre 2002 von der SPÖ, mitgetragen von ÖVP und FPÖ, zu Cross-Border-Leasing-Transaktionen. Meine Damen und Herren, das waren Hochrisikospekulationen, und Wien ist damit haarscharf - und das wissen Sie - an einem Finanzdebakel vorbeigeschrammt. Es ist noch einmal gut ausgegangen.
Aber, meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, ich muss schon ganz ehrlich sagen, auch Sie waren Teil dieser hochriskanten Finanzspekulationen. Vor diesem Hintergrund muss ich daher diese Sondersitzung zu den Frankenkrediten als Chuzpe bezeichnen, denn wo immer FPÖ und auch ÖVP an der Macht sind oder waren, wird natürlich gezockt. Und ich erwähne nicht die Hypo in Kärnten, ich erwähne auch nicht die Wohnbaudarlehen der ÖVP in Niederösterreich. Das heißt, das zieht sich ja durch. Sich also hier herzustellen (Beifall bei den NEOS.) und einseitig Spekulationen zu kritisieren, wenn man das selber tut, ist tatsächlich Chuzpe.
Aber auch die SPÖ predigt gerne Wasser und trinkt Wein. Das wissen wir, das geht ja von den Cross-Border-Leasinggeschäften über die Frankenkredite zu den - was ich bisher auch immer wieder in diesem Hause kritisiert habe - teilweise sehr diffusen Public Private Partnerships, die rein als Finanzierungskonstruktion gedacht und eigentlich relativ teuer sind. Und, meine Damen und Herren, mit Steuergeldern spekuliert man nicht. Und zwar gar nicht. Nie! (Beifall bei den NEOS.)
Ich bin froh, dass es diesen Ausstiegspfad aus den Frankenkrediten jetzt gibt. Kollege Margulies hat ja auch gesagt, das ist ein Weg und wir wissen es de facto nicht, wie sich die Kurse entwickeln, es wird wahrscheinlich über einen langen Zeitraum eine ziemliche Seitwärtsbewegung sein, es weiß eigentlich niemand. Wie auch immer. Ich bin auch froh, dass hier im Landtag eine risikoaverse Finanzgebarung beschlossen wurde. Letztendlich ist das hier in Wien schon anders als in anderen Bundesländern, auch das finde ich einen guten Punkt.
Ich denke, bei all der Kritik müssen wir - und das ist einfach unser NEOS-Zugang - auch den Blick nach vorne richten. Nämlich dahin gehend, wie wir die Zukunft Wiens finanzieren, und zwar auch auf eine nachhaltige und transparente Art und Weise. Das ist uns wichtig. Wir müssen auch diese langfristigen Ziele verfolgen. Wir haben große Herausforderungen bei den Infrastrukturinvestitionen - im Wohnbereich, im Energiebereich, in der Mobilität, im Bildungsbereich, auch in der Gesundheit, und nicht zuletzt bei Investitionen in allen Bereichen der Integration. Auch das ist für uns ein sehr wichtiger Punkt. Wir können da nicht einfach wegschauen und sagen, das betrifft uns nicht. Es ist ein wichtiger Aspekt, und wir müssen uns damit auch auseinandersetzen.
Und letztendlich müssen wir uns ja viel radikaler die Frage stellen, wie wir das, was wir politisch wollen, wirtschaftlich in einer Form umsetzen können, ohne die SteuerzahlerInnen übergebührend zu belasten, in einer vernünftigen und langfristigen Form. Das ist eine wichtige politische Aufgabe.
Was müsste ein solches Finanzierungsinstrument bieten? - Ich sage wie zuvor: Es muss transparent sein. Es muss auch zweckgebunden sein. Ich möchte ganz genau wissen, was mit diesem Geld passiert und was die Wirkung dieser Investition ist. Es muss auch von gesellschaftlichem Nutzen sein, und es muss letztendlich auch die Wirtschaftsleistung am Standort Wien entsprechend erhöhen. Das heißt, Wien braucht eine nachhaltige Finanzierungsstrategie mit geringem Risiko. Wir brauchen Finanzierungsinstrumente, die nicht nur sehr viele positive Effekte bewirken, sondern auch eine messbare Wirkung ermöglichen und letztendlich - und ich halte das auch für wichtig - soziale und ökologische Ziele verfolgen.
Da gibt es internationale Instrumente, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, und das sind die Social Impact Bonds. Wir werden dazu auch einen Antrag einbringen, denn ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt. Gerade heutzutage, wo wir wissen, dass der Kapitalmarkt quasi zinsenlos ist, dass Investoren letztendlich Anlageprodukte suchen - denn es gibt nicht zu wenig Geld am Markt, es sind nur die Renditen extrem niedrig -, ist genau der richtige Zeitpunkt, an dem sich auch Wien damit auseinandersetzen sollte, in einem Markt mit extrem niedrigen Renditen, aber mit hoher Liquidität institutionelle und auch private Investoren anzureizen und zu sagen, investiert in unsere Projekte, denn diese Projekte sind sehr risikoarm, aber sie haben auch einen entsprechenden sozialen und ökologischen Mehrwert. Ich halte das für wichtig. Das ist ein Trend, der sich auch entsprechend abzeichnet. Stockholm hat eine solche Anleihe begeben, New York hat heuer eine solche Anleihe begeben, um öffentliche Infrastruktur im Bereich der Mobilität zu finanzieren. Auch österreichische Unternehmen haben solche Anleihen begeben, wie etwa die Verbundgesellschaft, die 2014 mit 500 Millionen EUR eine Anleihe mit 1,5 Prozent platzierte, die 4-fach überzeichnet war.
Das heißt, wir haben heute die Möglichkeit, auf diesem Kapitalmarkt auch die Chance mit den niedrigen Zinsen zu nutzen. Und das ist eine langfristig sehr viel sinnvollere Strategie, damit in dieser Niedrigzinslandschaft am Kapitalmarkt tatsächlich auch - und das erachten wir immer für wichtig - private und institutionelle Investoren beim Aufbau der Infrastruktur, an der Modernisierung auch entsprechend teilnehmen können.
Vielleicht noch ein Blick zurück in die Geschichte. Es gab auch in der Vergangenheit politische Entscheidungen, die nicht so falsch waren. Denn das, was die heute als Social Impact Bonds bezeichnen, hatten wir quasi auch schon in den 50er Jahren. Damit haben wir unsere vielgerühmten Wasserkraftwerke finanziert. Das waren Energieanleihen in den 50er Jahren, also letztendlich auch ein Produkt, von dem wir heute noch produktiv, aktiv in unserer Wirtschaft einen positiven Effekt erzielen.
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