Gemeinderat, 7. Sitzung vom 27.04.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 18
erfahren, als am 22. August 2011 nach einem Kurs von gerade noch einmal 1,12 Franken für den Euro der Finanzdirektor Neidinger meinte: Vorerst wird es keine Neuverschuldung in Schweizer Franken mehr geben. Beeindruckend. 2008 keine Reaktion, 2009 keine Reaktion, 2010 keine Reaktion, ganz im Gegenteil, Neuaufnahme. Erst Mitte 2011 kam man auf die Idee, dass hier etwas schieflaufen könnte. Und das von einer Finanzstadträtin, das von einem ganzen Apparat von Beratern hier im Haus, denen sehr, sehr viel Geld, Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, anvertraut ist, meine Damen und Herren!
Schauen wir uns das weiter an. Am 6. September, kurz nach diesem Statement vom Finanzdirektor Neidinger, koppelte die Schweizer Nationalbank den Kurs des Euro an den Schweizer Franken mit einer Untergrenze von 1,2 Franken. Auch da wäre noch eine Möglichkeit gewesen, jetzt aus dem Schlamassel auszusteigen. Nein, wir haben auf den berühmten ganz schwarzen Tag für den Wiener Steuerzahler und die Wiener Steuerzahlerin im Jänner 2015 gewartet! Wir wissen, nachdem an diesem Tag die Schweizer Nationalbank diese Stützung aufgegeben hat, ist der Kurs in den Keller gerasselt. Der Buchverlust an einem Tag ist uns allen bekannt und tut uns allen weh. Und auch dann hatten wir die Diskussion: Bitte beginnen wir mit einem Ausstiegsszenario. Auch dann nur desinteressiertes Schweigen seitens der Sozialdemokratie, so wie jetzt in der Diskussion. Meine Damen und Herren! Jetzt beginnt man mit einem Ausstiegsszenario. Aber wie viel an Steuergelder, wie viel an Finanzmittel, die wir so dringend in schwierigen Zeiten für andere Bereiche benötigen würden, hat uns das gekostet! Nicht handeln, wegschieben, oder wie es in einem Highlight, einem skurrilen Highlight der Frau StRin Brauner in dieser Diskussion im „Mittagsjournal“ einmal gelautet hat: „Wir spekulieren nicht. Wir warten nur auf eine positive Kursentwicklung.“ Meine Damen und Herren, so darf man mit Steuergeldern in dieser Stadt nicht umgehen! (Beifall bei der ÖVP.)
Aber es muss uns klar sein: Fremdwährungskredite haben immer mit Spekulation zu tun! Die Aufnahme ist spekulativ. Es ist auch das Abschmelzen dieser Fremdwährungskredite natürlich spekulativ. Und wir haben immer davon gesprochen, weil auch wir uns mit Fachleuten, mit Finanzdienstleistern zusammengesprochen haben, dass wir innerhalb einer Funktionsperiode abschmelzen sollten. So wie das jetzt, Gott sei Dank, nach vielen, vielen Jahren Zögern von der Stadtregierung zumindest auch einmal angedacht ist. Und weil ich jetzt von vielen anderen Parteien auch Vorschläge dazu vernehme: Es ist und bleibt, egal, wie wir es machen, spekulativ. Bei den Freiheitlichen, die jetzt sagen, sofort aussteigen, wundert es mich ein bisschen, weil ich da noch einen Zeitungsausschnitt vom November des Vorjahres, November 2015, habe, wo Sie, Herr Klubobmann, davon sprechen, dass in spätestens vier Jahren die Umschichtung dann vollständig abgeschlossen sein könnte. Sie sprechen davon, dass Sie Finanzinstitute in London konsultiert hätten. Jetzt ist es Goldman Sachs in New York. (Zwischenruf von GR Dominik Nepp.) Das ist für mich besonders bemerkenswert. Ich lasse es einmal sickern. Kollege Nepp, Goldman Sachs in New York finde ich gut, ist sicher ein Institut mit Expertise. Aber ich glaube, wenn man in Tranchen abschmilzt, ist das durchaus eine vernünftige Idee.
Und zum Kollegen Ornig, der jetzt leider - o ja, er ist im Saal -, der jetzt einen Antrag auf monatliches Abschmelzen einbringt: Meine Damen und Herren, monatlich, quartalsweise, halbjährlich - wir alle müssen seriöserweise sagen, wir wissen nicht sicher, was der beste Weg ist. Nur, auf Grund der Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler ist es jedenfalls einmal notwendig, damit zu beginnen, und wir unterstützen den Ausstieg. Ich sage aber noch einmal: Gerade der Sozialdemokratie, die sich ja immer wieder als antikapitalistischer Kämpfer darstellt, kann ich nur ein Zitat von Hans Rauscher im „Standard“ des 24. Juli 2013 ins Stammbuch schreiben. Hans Rauscher ist durchaus nicht dafür bekannt, Haus- und Hofberichterstatter der Wiener ÖVP zu sein. Dieser Hans Rauscher sagt, und das, meine Damen und Herren, diesen Vorwurf, den wird Ihnen niemand abnehmen: „Die Wiener Sozialdemokratie ist genauso gut im Produzieren von spekulationsgetriebenen Finanzkatastrophen wie die neoliberalen Zocker, vor denen sie immer warnt.“ Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als nächster Redner hat sich Herr GR Dipl.-Ing. Margulies zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Vorweg eine Bemerkung, die ich nicht ganz so erwartet hätte, wo ich aber nicht anstehe, es dennoch zu tun. Ich bedanke mich für die vorerst sehr sachlich, im Großen und Ganzen sehr sachlich, geführte Diskussion, denn es ist gerade bei dem Thema der Fremdwährungskredite tatsächlich so, wie es mein Vorredner Kollege Juraczka auch gesagt hat: Es gibt in der gegenwärtigen Situation nicht die eine oder andere absolut richtige Entscheidung. Jede Entscheidung, die man fällt, fällt man auf Grund von Überlegungen, und es kann sich genau in diese Richtung weiterentwickeln oder eben nicht. Ich bedanke mich auch dafür, dass Sie klargestellt haben, dass es seitens der GRÜNEN immer vollkommen klar war, dass wir gegen Fremdwährungskredite sind. Das war bei anderen Fraktionen wie bei den Freiheitlichen nicht so, insbesondere wenn ich mir zum Beispiel auch den Rechnungshofpräsidenten Moser anschaue, der in früheren Berichten Fremdwährungskredite gelobt, in späteren verteufelt hat, so wie es halt immer genau passt. Es war bei den Cross-Border-Leasing-Transaktionen und bei vielen anderen Finanztransaktionen mit spekulativem oder hochspekulativem Charakter so, wo es am leichtesten ist, man nimmt alle Positionen einmal ein, weil dann kann man sicher sein, irgendwann einmal zumindest auch das Richtige gesagt zu haben. Nichtsdestoweniger, wir stehen jetzt tatsächlich … (GR Mag. Manfred Juraczka: Aber ihr habt fünf Jahre nichts gemacht! Das muss man schon sagen!) Wir stehen jetzt
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