Gemeinderat, 4. Sitzung vom 28.01.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 76 von 108
eingehalten werden. Nur, um das tun zu können, müsste er überall einen Polizisten hinstellen, müsste er alles regeln, alles einhalten und damit würde er zu einer Diktatur werden, zu einem Überwachungsstaat, der die Freiheit selbst reduzieren würde. Das heißt, damit die Gesetze ihrem Sinn nach gelebt werden, ist der Staat auf eine gewisse homogene Wertehaltung in der Gesellschaft angewiesen.
Und jetzt kommen wir zum eigentlichen Punkt: Wenn ganz, ganz viele Menschen zu uns kommen, die eine gänzlich andere Wertehaltung teilen, dann wird das auch eine Herausforderung für die Grundlagen des liberalen Rechtsstaates. Das klingt ein bisschen sperrig, aber ein einfaches Beispiel dazu: Ich habe mit einer Volksschullehrerin geplaudert, die gesagt hat, sie hat in der 1. Klasse Volksschule einige Flüchtlingskinder, die ihr über Dolmetscher ausrichten haben lassen, sie brauchen sich von ihr gar nichts sagen zu lassen, denn sie ist eine Frau. Ich habe dieselbe Geschichte von einigen AMS-Betreuerinnen gehört, die gemeint haben, wenn Männer mit islamischem Hintergrund kommen, die wollen oft nicht von ihnen betreut werden, weil sie Frauen sind. Und Ähnliches von der Pensionsversicherung, wo es diese Vorfälle auch gegeben hat.
Das ist ein veritables Problem für unsere gesamte Gesellschaft und deswegen ist jetzt der Zeitpunkt, darüber zu diskutieren, inwieweit wir die Wertehaltung, die wir als richtig empfinden, auch aktiv von Menschen, die zu uns kommen, einfordern dürfen. Da kann man lange diskutieren, welche Maßnahmen da notwendig sind. Ich weiß jedenfalls, welche Maßnahmen nicht die richtigen sind. Es ist nicht richtig, getrennte Schwimmkurse für Burschen und Mädchen anzubieten! Es ist nicht richtig, getrennte AMS-Kurse für Männer und Frauen anzubieten! Das ist falsch verstandene Toleranz! Der große Vorteil des liberalen Rechtsstaates ist es, eine tolerante und freie und selbstbestimmte Lebensführung möglich zu machen. Da brauche ich jetzt kein großer Katholik sein oder nicht religiös genug sein, et cetera, sondern es geht einfach um eine Grundwertehaltung. Wenn jetzt jemand zu uns kommt, besteht das Problem, dass er sich zwar gesetzeskonform verhalten kann, indem er diese Toleranz konsumiert, sie aber anderen nicht gesetzlich verordnet zugestehen muss. Und das ist das große Problem. Selbst Widersprüchlichkeit im Verhalten darf in unserer Gesellschaft auch nicht akzeptiert werden. Das kann ich nicht gesetzlich regeln, das muss aus einer intrinsischen Wertehaltung heraus kommen und die müssen wir einfordern. Deswegen bin ich für diese Debatte dankbar. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Huemer. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Mag. Barbara Huemer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich habe mir schon gedacht, dass diese Debatte, die wir heute unter dem Titel dieses Dringlichen Antrages führen werden, keine Debatte sein wird, die sich um das Thema „Gewalt an Frauen“ zumindest ausschließlich kümmern wird. Da kann ich gleich vorweg sagen, diesen Schulterschluss wird es zu diesem Thema mit all den angeführten Begründungen auch nicht geben, der hier vom Herrn Nepp eingefordert wurde, man möge hier doch gemeinsam zusammenstehen. Wir sind hier in diesem Gemeinderatssitzungssaal, in diesem Haus sehr wohl schon zum Thema „Gewalt an Frauen“ zusammengestanden. Es gab schon Anträge zum Thema „Sexualisierte Gewalt“ und den notwendigen Handlungen und Verbesserungen im Gewaltschutz. Und wenn die Anträge nicht Vier-Parteien-Anträge waren, so waren sie doch zumindest von allen getragen und beschlossen. Also es ist nicht so, dass das Thema „Sexualisierte Gewalt“ hier neu diskutiert wird. Umso mehr wundert es mich, dass plötzlich die FPÖ das Thema aufgreift, als wäre es ein neues Thema. Eine von fünf Frauen, das ist ja schon eine oft genannte Zahl, ist von Gewalt betroffen. 90 Prozent der Gewalttäter sind männlich und kommen aus dem sozialen Nahraum. Auch das ist nicht neu. Was aber hier neu ist, oder vielleicht auch nicht neu, wenn ich an die AntragsbringerInnen denke, ist die Form, wie hier mit einem Thema umgegangen wird. Es wird hier von Werten gesprochen, von Integrationsmaßnahmen. Aber im Grunde geht es um Abschiebung und Kontrolle, um Ausgrenzung, um die Konstruktion eines bestimmten Täters und auch um die Konstruktion eines bestimmten Frauenbildes als Opfer. Da gebe ich der Kollegin Meinl-Reisinger sehr recht. Sie betreiben hier mit dieser Diskussion sehr wohl eine Form von Viktimisierung von Frauen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Was mich an dieser Diskussion, die Sie hier führen, insbesondere auch sehr stört, ist diese Aussage „unsere Frauen, unsere Werte“. Also ich sehe mich hier in Ihren Vorstellungen überhaupt nicht inkludiert, was diese Werte betrifft, und meine, dass wir Frauen sehr differenziert, sehr unterschiedlich sind und sehr selbstbestimmt leben sollen können. Dass es da große Mängel gibt, ich glaube, das ist wirklich ein vehementer Punkt. Dass Gewalt an Frauen diese Freiheiten, die Würde von Frauen einschränkt, ist unbestritten. Das ist aus meiner Sicht eine patriarchal geschuldete Situation, an der wir arbeiten. Aber sie ist keine eingewanderte Gefahr, so wie Sie sie permanent darstellen. Ich finde es daher sehr symptomatisch, dass Sie dieses Thema jetzt nach der Silvesternacht in Köln aufgreifen. (GR Wolfgang Irschik: Aus aktuellem Anlass!) Der aktuelle Anlass ist, tagtäglich (GR Wolfgang Irschik: Genau das ist das Problem!) werden Frauen mit sexistischen Witzen belästigt. (Aufregung bei der FPÖ.) Ja, keine Frage. Aber es ist nicht so, dass wir hier noch nie dazu diskutiert hätten. Ihr Beitrag hat doch eindeutig gezeigt, dass Sie nicht primär über die Folgen von Gewalt diskutieren wollen, dass Sie nicht primär darüber diskutieren wollen, wie Gewaltschutz ausgebaut werden kann, sondern Sie wollen darüber diskutieren (GR Dominik Nepp: Ständig lest man es in den Printmedien!), dass es Abschiebekontrollen, Null-Zuzug, Videoüberwachung, Kontrolle, und so weiter braucht. (Beifall bei den GRÜNEN.) Das ist die Gesellschaft, die Sie sich vorstellen, und keine offene Gesellschaft, in der Frauen ihre Rechte haben!
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