Gemeinderat, 69. Sitzung vom 01.07.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 83 von 94
Ich denke, wenn wir ihnen nicht helfen, werden wir nicht imstande sein, hier mehr zu helfen. Natürlich müssen wir Armut bekämpfen, natürlich müssen wir den Menschen in Österreich auch die Möglichkeit geben, weiterhin menschenwürdig zu leben. Aber hier verhält sich die Diskussion anders.
Da müssen wir uns über die Möglichkeiten und vor allem über Einnahmequellen unterhalten, wenn es darum geht, wie wir diesen Menschen helfen können. Ich glaube, in diesem Punkt ist die Freiheitliche Partei dagegen, dass man von den Reichen mehr Steuern einhebt; sonst könnten wir auch die Armutsbekämpfung in Wien viel mehr forcieren.
Im Großen und Ganzen denke ich, dass es sehr unterstützungswürdige Projekte sind. Wir machen es gut. Wir machen es nicht nur mit diesen Projekten, wir haben bis jetzt auch den Überflutungs- und Erdbebenopfern geholfen; das heißt, die Wiener Hilfestellung ist nicht nur beschränkt auf diese Entwicklungszusammenarbeit. Aber ich glaube, wir sollten uns dennoch überlegen – wir haben ja einen Resolutionsantrag im Gemeinderat beschlossen –, dass der Bund die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit erhöht. Wir sollten uns auch überlegen, ob wir nicht im nächsten Budget die Wiener Mittel erhöhen können. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Zu Wort gemeldet ist nunmehr GRin Mag Ramskogler. – Bitte.
GRin Mag Sonja Ramskogler (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren!
Entwicklungshilfe kann auch darin bestehen – das liegt mir sehr nahe –, dass man jemandem sagt, wie man mit etwas umgeht. Kinder entwickeln sich, und man würde oft meinen, dass sich dadurch Meinungen oder Haltungen entwickeln können. Nur, was mir immer wieder auffällt: Es gibt eine Partei in unserem Haus, nämlich die FPÖ, bei der ich nicht weiß, ob da eine Entwicklungshilfe helfen würde, nämlich in dem Sinn, dass man einfach einmal eine Meinung oder eine Wertehaltung an den Tag legt, die etwas mit Menschlichkeit zu tun hat.
Ich habe gestern und heute mitgeschrieben. Da gibt es einen Kollegen, einen Gemeinderat, und zwar den Herrn GR Jung, der jetzt abschließend in seiner Rede gesagt hat: „Unser Geld für unsere Leut’.“ (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Gut, das ist die Meinung eines FPÖ-Abgeordneten in diesem Haus. Ein anderer, Herr Dr Frigo, hat heute schon bei der Debatte der Gesundheitsziele gesagt, unser Gesundheitssystem für unsere Leute; da könnten ja alle kommen, wenn es so gut wäre. Er will also auch nicht alle haben; es gibt nämlich unsere Leute und es gibt, ich weiß nicht, irgendwelche anderen Leute.
Dann gibt es auch noch den Herrn Kollegen GR Haslinger, der sich auch gestern oder vorgestern in seiner Rede so geäußert hat: Ein Menschenrechtsbeauftragter in Wien? Wozu brauchen wir einen Menschenrechtsbeauftragten? Was sind Menschenrechte? – Und ich sage Ihnen, sehr verehrte Kollegen: Es ist wirklich abscheulich, darüber so diskutieren zu müssen, erklären zu müssen, warum man Menschenrechte verteidigen sollte, warum man Entwicklungshilfegelder verteidigen sollte. Es ist eine Wertehaltung. Und so ist es nun mal: Bei Ihnen hilft keine Entwicklung mehr. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir sprechen hier über einen Akt von 200 000 EUR. Die Stadt Wien leistet solidarisch – und das hat etwas mit Menschenwürde zu tun – in anderen Ländern Entwicklungshilfe. Und was ist denn das? Wir schauen, dass es dort zu einer Ernährungssouveränität kommt. Die Leute sollen etwas zum Essen haben, die Leute sollen etwas zum Anziehen haben, die Leute sollen nicht nur unter Blechdächern wohnen, in Unterkünften, die man sich nicht vorstellen kann, wenn man sie nicht gesehen hat.
Sie haben schon recht, es gibt auch Armut in Österreich, aber nicht in diesem Ausmaß wie in Entwicklungsländern! (GR Mag Wolfgang Jung: Stimmt!) Nehmen Sie das zur Kenntnis oder lesen Sie was darüber! Heute hat schon jemand mal gesagt, vielleicht sollte man einmal lesen. Aber ich glaube, auch das hilft bei Ihnen nicht mehr, weil entwicklungspsychologisch ist es oft vorbei. Das ist bei Kindern in den ersten drei Jahren erledigt, das sieht man an diversen Ergebnissen. (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.)
Lassen Sie mich noch eines sagen: Zum Beispiel, Herr Jung, das haben Sie auch gesagt, Sie sehen bei den anderen Projekten, die sind nicht subventionswürdig. (GR Mag Wolfgang Jung: Nein, in Relation, habe ich gesagt, weil wir größere Probleme haben!) Darauf bin ich ja schon eingegangen. Da haben wir ganz große Werteunterschiede, weil es auch darum geht, dass man zum Beispiel Projekte unterstützt, und ich will sie nicht alle noch einmal wiederholen, nur mal grundsätzlich: Wir unterstützen Projekte, wo es um Wasserreinigung geht, um Brunnenbau geht. Wir unterstützen Projekte, wo es darum geht, dass hundert Frauen als Schneiderin ausgebildet werden, damit sie in Bangladesch, in Indien, et cetera, ihren Lebensunterhalt verdienen können. Es ist ja für mich eigentlich unfassbar, das hier jedes Mal zu verteidigen, dass wir dort Projekte fördern, die Menschen zu Gute kommen, denn auch eine Wertehaltung ist, und das unterscheidet uns auch und ich glaube, da sind Sie auch nicht mehr lern- und entwicklungsfähig, wenn es um Solidarität geht. Wir sind in einem europäischen Land, in Österreich, in einem der reichsten Länder auf dieser Welt, und müssen mit Kollegen der FPÖ darüber diskutieren, die tatsächlich der Meinung sind: Nein, wir brauchen das nur für unsere Leute, unsere Leute und sonst niemand. Wissen Sie, wie wir das nennen? Einen gewissen Egoismus und ein gewisser Egoismus, der da lautet: Nur ich, ich, ich und nochmal ich und sonst niemand (GR Mag Wolfgang Jung: Nein, wir! Wir Österreicher!), das sind die Ichlinge! Ich nenne Sie ab heute nicht mehr „die FPÖ“, sondern „die Ichlinge“. Ich, ich und wieder ich und keine Solidarität! Mit uns nicht! Die Sozialdemokratie ist solidarisch und darauf bin ich stolz! (Beifall bei der SPÖ und von GRin Dr Jennifer Kickert.)
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr GR Haslinger gemeldet. Bitte schön.
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