Gemeinderat, 68. Sitzung vom 29.06.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 140
das heute deshalb in Erinnerung rufen, dass das erst ein Teilschritt auf dem Weg in Richtung zu einer endgültigen EU-Verfassung war, die die EU-Verträge später ersetzen sollte. Ich möchte auch in Erinnerung rufen, dass der Vertrag über eine Verfassung über Europa ein 2004 unterzeichneter, aber niemals in Kraft getretener völkerrechtlicher Vertrag war, durch den das politische System der Europäischen Union reformiert hätte werden sollen, und zwar hätten insbesondere einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit gegeben werden sollen und die bis dahin gültigen Grundlagenverträge, vor allem EU, EG, Euratom-Vetrag, abgelöst werden sollen. Das heißt, die bisherige formale Unterteilung von Europäischer Union und Europäischer Gemeinschaft sollte entfallen und gegenüber dem bisher gültigen Vertrag von Nizza sollte die EU zusätzliche Kompetenzen erhalten. Das institutionelle Gefüge hätte geändert werden sollen, um sie demokratischer und handlungsfähiger zu machen.
Ich rufe auch in Erinnerung, dass der Entwurf eines EU-Verfassungsvertrages 2003 erarbeitet, 2004 feierlich unterzeichnet wurde, 2006 hätte in Kraft treten sollen, aber nach den gescheiterten Referenden von Frankreich und den Niederlanden keine Rechtskraft erlangt hat und wir deswegen stattdessen den Vertrag von Lissabon abgeschlossen haben, der jetzt seit 2009 in Kraft ist. Was heißt das? Das heißt, dass im Grunde die EU noch immer mit alten Strukturen arbeitet, die zwar immer wieder angepasst wurden, aber es dringend, und das zeigt sich heutzutage für mich umso deutlicher, eine Strukturierung braucht, um auf die heutigen Herausforderungen reagieren zu können. Das sind große Herausforderungen im Bereich Sicherheitspolitik, Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik oder auch bei den Freiheits- und Grundrechten, wo wir ein einheitliches Vorgehen der EU und Mitgliedsstaaten brauchen. Das ist für mich nur möglich, wenn Europa die gemeinsame Identität stärkt, sich der eigenen Stärken bewusst wird, die für mich Kreativität, Flexibilität, Vielfalt und Tradition sind. Das heißt aber auch, dass wir nicht allen amerikanischen Wünschen und Modellen entsprechen können und ihnen auch nicht zustimmen müssen. Wir müssen auch nicht unwidersprochen Telefon- und Datenspionage über uns ergehen lassen und uns nicht überbürokratisieren lassen.
Es ist auch so, dass ich mir wünsche, dass wir in Europa keine amerikanische Paranoidität weiter hereinlassen. Ich glaube, das Verhalten anderer Wirtschaftsräume auf Unternehmen und Bürger ist mehr als abschreckend, für mich zumindest.
Und jetzt kommt mein Punkt, der am heutigen Tag wahrscheinlich am dramatischsten ist: Wir sollten innerhalb der EU die Staaten nicht gegeneinander ausspielen, sondern wir sollten zusammenarbeiten und uns nicht gegenseitig mobben oder einzelne Länder innerhalb der Gemeinschaft. Das würde nämlich die USA nie machen. Die USA macht was anderes, und das ist allerdings speziell für uns erschreckend: Sie führen Kriege im Außen und zwar ziemlich viele. Ein Drittel ihrer Wirtschaftskraft ist aus der Rüstungsindustrie. Sie haben sehr viele Völker- und Wanderbewegungen verursacht, aber sie würden nie ein Mitglied intern mobben. Und ich sage, was wir derzeit mit Griechenland machen, ist fern von Solidarität. Es geht hier nämlich nicht nur um Schulden, weil was die meisten hier vergessen, ist, warum das so ausgegangen ist: Weil es um die Würde eines Volkes geht. Und wenn wir nicht aufhören, die Würde von einzelnen Ländern herabzusetzen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten, dann ist diese Union eher ein Schrecken als eine Gemeinschaft. (Beifall bei ÖVP und GRÜNEN.)
Ich kann den Satz jetzt nicht Griechisch und die Maria ist leider nicht da. Aber was die Griechen uns sagen, das sollte für uns alle gelten. Wir dürfen es nie vergessen, vielleicht kommen wir ja auch einmal in so eine Situation. Und wenn heute das griechische Volk sagt „Lieber stehend sterben, als kniend überleben.“, dann muss ich sagen, ja, wir müssen nachdenken. Und um hier nachzudenken, erfordert es für mich eine Neukonstruktion in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik, wo man erkennt, dass Einstimmigkeit nicht mehr haltbar ist, dass man neu konstruieren muss und auf eine Zweidrittelmehrheit gehen wird müssen. Das heißt aber eigentlich, die Menschen müssen sich zusammensetzen, die zuständigen, und eine Verbesserung der derzeitigen Konstruktion anstreben.
Die Konstruktion der EU als Friedens- und Wirtschaftsunion muss auch im Fiskal- und Sozialbereich einer Union zeitadäquat werden mit Zweidrittelmehrheit. Ich habe schon gesagt: Außenpolitik, Sicherheitspolitik und beim Euro. Wir brauchen aber auch eine EU, die erkennt, dass wir in unterschiedlichen Lebensräumen leben und unterschiedliche Lebenshaltungskosten und unterschiedliche Warenkörbe haben, also Schätzungen der Warenkörbe oder Kosten der Warenkörbe. Und wir brauchen auch Lösungen, um dementsprechend eine Süd-Nord- beziehungsweise Ost-West-Wanderung abzumildern, weil es nicht in Ordnung ist, dass nur auf Grund von wirtschaftlicher Besserstellung oder sozial besseren Gefügen Völkerbewegungen ausgelöst werden. Da muss man sich was einfallen lassen, weil ich doch glaube, dass die meisten Menschen am allerliebsten mit ihren Familien in ihrem gewohnten Kulturkreis bleiben, Einzelländer ausgenommen. Es ist wirklich sicher schön, wenn man ein paar Jahre woanders arbeitet oder auch woanders hinziehen kann. Aber wenn man es nur macht, um Vorteile zu bekommen, dann ist das sicher nicht der Sinn eines großen Wirtschaftsraumes. Das heißt, die EU muss zusätzlich auch ihr Asylwesen ändern. Wir brauchen ein EU-Asyl. Es muss den Asylanten erklärt werden, dass jedes Land in der EU als sicher gilt. Und wir brauchen auch hier eine Zweidrittelmehrheit, um für eine gerechte Quotenverteilung entscheiden zu können.
Für die Stadt Wien heißt das, wir haben sehr viele Vorteile aus der Europäischen Union bekommen, sehr viele wirtschaftliche Vorteile, sehr viele Vorteile auch im Förderbereich oder bei gemeinsamer Zusammenarbeit. Und ich bringe einen Beschlussantrag ein, weil ich doch glaube, dass wir nach einer relativ langen Zeit jetzt endlich den Namen „Europa“ in die Geschäftsgruppe aufnehmen sollten. Das ist mir relativ wichtig, weil ich glaube, dass eine Sichtbarmachung notwendig ist, daher für
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