Gemeinderat, 67. Sitzung vom 29.05.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 63
darüber, wie man damit umgeht und ob es berechtigt ist, dass der Konsument, der Bürger und die Bürgerin sagen, dass sie eine Regelung haben wollen, dass genießbare Lebensmittel nicht verschwendet und nicht weggeworfen werden.
Das Gegenargument ist nämlich ein sehr logisches: Wir alle als Konsumenten wünschen uns ein volles Regal, auch wenn die Ladenschlusszeit schon kurz bevorsteht, und wir bezahlen in Wirklichkeit diese Annehmlichkeit beziehungsweise diesen Luxus, dass sozusagen bis zur letzten Stunde das Sortiment für uns bereitgehalten wird, auch mit dem Preis der Waren. – Das heißt, das, was weggeworfen wird, hat der Konsument schon längst bezahlt. Dass etwas weggeworfen wird, ist in Wirklichkeit ein Teil der Kalkulation, der bereits mit einbezogen wurde.
Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Fraktion wird deshalb heute gemeinsam mit den GRÜNEN einen Antrag einbringen, der die hervorragende Initiative der Bundesregierung unterstützten möchte. Wir wollen als Stadt Wien aktiv am angekündigten Gipfel gegen Lebensmittelverschwendung teilnehmen und dort alle weiteren Maßnahmen bis hin zur gesetzlichen Bestimmung – wie es heißt – unterstützen. Ziel soll es sein – und das wollen wir heute auch mittels dieses Antrags formuliert wissen –, dass in Österreich eine Halbierung der weggeworfenen Lebensmittel bis 2025 zu verzeichnen ist.
Meine Damen und Herren! Ich höre dann immer die Frage: Genügt nicht auch ein gewisser appellativer Charakter? – Darauf sage ich: Dieser appellative Charakter ist zu wenig! Vielmehr muss es – wie auch im Antrag der Österreichischen Volkspartei gefordert – gerade in der sensiblen Frage von Lebensmitteln, Lebensmittelgerechtigkeit und Verschwendung möglich sein, durch Gesetze entsprechende Rahmenbedingungen zu definieren. Das wollen wir einfordern. Diesbezüglich wollen wir als Land Wien der Bunderegierung den Rücken stärken, weil das eine gute Sache ist, weil das auch die Menschen wollen und weil das einen Teil der sozialen Gerechtigkeit ausmacht.
In diesem Sinne bringe ich den Antrag ein und ersuche Sie um Unterstützung. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Dipl-Ing Martin Margulies: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau GRin Mag Holdhaus.
GRin Mag Karin Holdhaus (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren!
Kollege Valentin hat es schon erwähnt: Es geht um die Lebensmittelverschwendung. – Ich glaube, wir alle sind uns darüber einig, dass Lebensmittelverschwendung reduziert werden kann, und wenn es ein gemeinsames Ziel ist, bis 2025 die Menge zu halbieren, dann sollten wir alle an einem Strang ziehen.
Das Ziel und die Ausrichtung sind gleich, nur die Wege, die wir begehen möchten, sind ein bisschen unterschiedlich. Herr Valentin hat es schon vorweggenommen. Wir glauben, dass wir in diesem Bereich nicht mit Bestrafungen und neuen Gesetzen weiterkommen, sondern dass wir gerade betreffend den sensiblen Umgang mit Lebensmitteln sehr stark auf Selbstverantwortung, Bewusstseinsbildung und Anreize setzen sollten und weniger auf weitere Gesetze, denn wir haben ohnehin immer wieder die Diskussion, dass wir zu viele Gesetze haben und dass Gesetze manchmal ganz einfache Wege verkomplizieren.
Deshalb bin ich auch ein bisschen verwundert, denn gerade bei uns in Wien setzt Frau StRin Sima sehr stark auf Bewusstseinskampagnen vor allem auch in Bezug auf Abfallwirtschaft und auf Sauberhalten. All die aufwändigen Kampagnen, die sie jedes Jahr durchführt, gehen ja gerade in Richtung Bewusstseinsbildung. Und daher hatte ich den Eindruck, dass sie eher mehr in diese Richtung geht, anstatt immer neue Gesetze zu machen. Ich erinnere auch an die Taubendiskussion, und so weiter. Diesfalls wird dieser Weg aber anscheinend konterkariert. Auf jeden Fall sehe ich das eher als ein bisschen einen Widerspruch.
Ganz kurz zu Frankreich: Worum geht es? – Ein wesentlicher Teil dieses Gesetzes in Frankreich zielt auf die biologische Verwertung. Dort geht es also um Kompostierung und Biogaserzeugung. Wie sie allerdings sicherlich wissen, ist Österreich im Gegensatz zu Frankreich diesbezüglich Vorreiter. Bei uns gibt es bereits seit 2004 ein Deponierungsverbot für organische Abfälle. Insofern sind wir hier in Österreich schon wesentlich weiter als Frankreich. Daher sollten wir uns jetzt eher in Richtung Weitergabe von Lebensmitteln konzentrieren, die noch genusstauglich sind.
Es geht also um die Genusstauglichkeit und um das Haltbarkeitsdatum, und da sind wir schon wieder bei dieser Regulierungswut. Das geht eher in Richtung der Gesundheitsministerin, die da sicherlich auch sehr engagiert ist: Ich meine, es wäre sicherlich ein Anreiz, sowohl einerseits den Konsumentenschutz aufrechtzuerhalten oder zu wahren, aber andererseits auch gewisse Restriktionen eher zu reduzieren.
Ich bringe ein Beispiel, damit man versteht, was ich meine: Im Zusammenhang mit der Weitergabe von Nahrungsmitteln, die noch genussfähig sind, durch den Handel besteht beispielsweise die Regelung, dass Fleisch und Wurst vom Gesetz her nicht weitergegeben werden dürfen. Das ist in Österreich zum Beispiel gesetzlich geregelt. Daher frage ich mich, ob wir also auf diesem Gebiet mit weiteren Gesetzen weiterkommen!
Ein anderes Beispiel: Mindesthaltbarkeitsdatum bei Eiern. – Ich weiß nicht, ob Sie das kennen, aber ich kann mich noch gut an den Test, den wir zu Hause durchgeführt haben, erinnern, wenn wir uns nicht mehr sicher waren, ob die Eier noch gut waren oder nicht: Man legt ein rohes Ei in ein Glas Wasser. Wenn es unten bleibt, ist es noch gut, wenn es hinaufschwimmt, dann ist es nicht mehr gut. – Dieser Hausverstand geht aber total verloren! Vielmehr halten wir uns an Ablaufdaten. So halten zum Beispiel Eier einen Monat oder länger, das Ablaufdatum verwirrt jedoch die Konsumenten, und zwar in Richtung Lebensmittelverschwendung, anstatt ins Gegenteil.
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular