Gemeinderat, 65. Sitzung vom 25.03.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 96
GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrte Damen und Herren!
Einer der Vorteile nicht schriftlich vorbereiteter Reden ist, dass man auf die Diskussionsbeiträge entsprechend eingehen kann, und selbstverständlich hat mich der Kollege Nevrivy mit seiner Grundsatzrede herausgefordert, auch eine Grundsitzrede zu halten. Wir sind uns beide einig, dass wir noch nicht im Wahlkampf sind. Trotzdem hört man schon Grundsatzpositionierungen heraus. Gerne möchte ich, sozusagen in koalitionärer Eintracht, die auch die Unterschiede hervorhebt, ein paar Gedanken dazu äußern. Ich möchte wirklich jene zum Nachdenken bringen, die in räumlich peripheren, also nicht zentral so großen Gebieten, vor allem Stadtentwicklungsgebieten wie der Donaustadt, aber auch in anderen Gebieten deswegen, weil unter anderem das öffentliche Verkehrsnetz dort signifikant weniger dicht ist als in innerstädtischen Gebieten und vor allem deswegen noch einen höheren Autoverkehrsanteil hat, warnen zu glauben, dass man das Verkehrsproblem und das Problem, die Chance der Lebensqualität damit lösen zu können, dass man einseitig auf den Autoverkehr setzt.
Wir haben in der ganzen Welt eine Tendenz, und das beginnt beim Klimaschutz, wo wir gemeinsam stolz darauf sind, dass in Wien im Unterschied zu anderen Bundesländern die CO2-Emissionen zurückgehen. Ob in Paris, ob in Südamerika oder in sehr vielen anderen Städten heißt eine eindeutige Präferenz der Qualität des Lebens in Städten, dem Lebensraum, der Straße, den Kindern, aber auch der Wirtschaft entsprechenden Raum zu geben und eine Verkehrspolitik zu gewährleisten, die mit Augenmaß ist. Darum stimmen wir ja heute der Flächenwidmung der Stadtstraße zu, aber mit jenem Unterton – und ich habe, Herr Bezirksvorsteher, deine Blicke verfolgt, in welche Richtung die gegangen sind – möchte ich eines hier wirklich nachdrücklich zurückweisen: Dass die grüne Verkehrspolitik eine Klientelpolitik ist. (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.) Nein, aber dafür einzutreten, dass öffentliche Räume für Menschen da sind, dass öffentliche Räume dafür da sind, Qualitäten zu haben, Sicherheiten zu haben und nicht primär als Straßenraum degeneriert zu sein, das ist eine Tendenz, die auf der ganzen Welt fortschrittliche konservative, da nenne ich jetzt den Londoner Bürgermeister, und ganz viele sozialdemokratische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister diese Politik verfolgen. Und zu sagen, wir treten für Lebensraum, für Sicherheit, für Lebensqualität ein und zu sagen, alle, die zu Fuß gehen und mit dem Radl fahren sind quasi Grüne, das würde mich ja absurderweise fast freuen, dass man taxfrei alle Fußgängerinnen und Fußgänger sozusagen der grünen Klientel zuordnet. Nein, wir nehmen für uns in Anspruch, und eigentlich in allem, in tiefem Ernst auch dir gegenüber, Herr Bezirksvorsteher: Das ist ein Interesse der gesamten Allgemeinheit in Wien, diese Verkehrspolitik, die wir gemeinsam beschlossen haben, die wir mit Nuancen gemeinsam tragen, und die lautet: Wir wollen den Modal-Split so verändern, dass der öffentliche Verkehr, in erster Linie der Fußgängerverkehr und der Radverkehr, deutlich zunimmt und da möchte ich ein nachdrückliches Lob dem 22. Bezirk, den Bewohnerinnen und Bewohnern des 22. Bezirks aussprechen, dort ist nämlich der Radverkehrsanteil signifikant höher als im Wien-Schnitt, das … (GR Mag Josef Taucher: Rote Politik! Rote Politik!) Gut, schenke ich, er lacht, der Kollege Taucher, rote Politik. Ja, da ist ja auch Wesentliches, Gutes in der roten Politik passiert, keine Frage. Es mag aber auch damit zu tun haben, Herr Kollege Taucher, und du kannst ja dann nachher darauf antworten, dass der Radverkehrsanteil unter anderem deswegen hoch ist, weil der Ausbau des öffentlichen Verkehrs nicht die Dichte hat, die notwendig wäre, und da reicht nicht eine U2.
Da möchte ich auf ein hoffentlich gemeinsames interessantes, wichtiges Thema verweisen, und das ist die Schnellbahn, die nicht annähernd jenen Takt hat, den sie haben könnte. Da bitte ich aber, mit der Finanzstadträtin die entsprechenden Gespräche zu führen, da mit viel, viel weniger Geld als es für den U-Bahn-Ausbau möglich wäre, in Liesing, in der Donaustadt, in Floridsdorf, in vielen Bezirken einen 10-Minuten-Takt oder Ähnliches zu finanzieren. Das wäre weitaus billiger, auch wenn ich sage, die U5 ist beschlossen und wir stehen dazu. Aber mit jenem Geld, mit einem Bruchteil des Geldes, das in eine U-Bahn kommt, die vor allem kurzfristig die inneren Bezirke begünstigt - und ich freue mich als Gumpendorfer Straße Bewohner, ich habe die U4 vor der Haustüre, ich habe die U3 vor der Haustüre, und dank U2 und U5 werde ich jetzt eine dritte U-Bahn vor die Haustür bekommen, während Liesing, Donaustadt und Floridsdorf mit öffentlichen Verkehrsmitteln ja eindeutig unterausgestattet sind. Das unter anderem ist ein Grund, warum der Radverkehrsanteil dort hoch ist, weil man dort eben nicht umsteigen kann. Das hieße, ich hoffe, wir können uns mittel- bis langfristig darauf verständigen, dass es dort einen Schwerpunkt auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs gibt.
Wir werden heute selbstverständlich zustimmen. Im Ressort der Frau Vizebürgermeisterin ist das ja in enger Kooperation mit der Bezirksvorstehung ausgearbeitet worden. Wir stehen insofern zu der Stadtstraße, als diese großen Siedlungsgebiete natürlich auch aus wirtschaftlichen Gründen einen Straßenanschluss haben. Ja, wir stehen zu der Stadtstraße. In der Dimensionierung werden noch Gespräche zu führen sein, und wir werden schauen, wie das zu passieren hat. Aber ja, wir werden das heute beschließen. Politik ist wie immer ein Kompromiss.
Was ich jetzt nur eindeutig als große Vision sagen muss: Ich halte es für falsch, im Tenor zu sagen: „Hauptsache, wir bauen den Autoverkehr aus.“ Keine Stadt im 21. Jahrhundert hat das gelöst, indem sie sagt, wir haben Verkehrsprobleme, wir lösen sie mit hochrangigem Autobahnausbau. Fahren Sie nicht nur nach Los Angeles, fahren Sie sonst irgendwohin. Das ist ein falscher Weg und das haben ganz, ganz viele erkannt. Verständigen wir uns darauf, dass wir die knappen öffentlichen Mittel auf das konzentrieren sollen, was notwendig ist, und das ist der öffentliche Verkehr. Vielleicht schaffen wir es gemeinsam, und ich wiederhole es noch einmal, die wirksamste Investition in der Donaustadt umzusetzen,
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