Gemeinderat, 62. Sitzung vom 29.01.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 73 von 103
Kommunen als auch Firmen als auch private Hausbauer im Schweizer Franken oder sogar im japanischen Yen finanziert haben, nicht zuletzt deshalb, weil vielen das echte Risiko, das hinter einer solchen Fremdwährungsfinanzierung steht, gar nicht bewusst war. Aber nach 2008, meine Damen und Herren, nach Lehman, war wirklich alles anders. Die Weltwirtschaftskrise hat deutlich gemacht, was finanzspekulative Instrumente anrichten können. Dennoch hat die Stadt Wien auch nach 2008 noch Fremdwährungskredite aufgenommen, selbst 2010 noch in der Höhe von hunderten Millionen Euro. Warnungen von Experten und von der Opposition wurden damals wie heute in den Wind geschlagen.
Ich möchte daher an dieser Stelle, Frau Stadträtin, wie schon so oft zuvor, in der vergangenen Zeit, mit Ihrem Märchen, dass Sie und die Stadt Wien nicht spekulieren, endgültig aufräumen. Das ist auch von anderen heute schon gekommen. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)
Nicht nur das Zitat vom Anfang meiner Rede aus der „Wiener Zeitung“, dass sie hofft, mit einem blauen Auge davonzukommen, sondern es war sogar von vermeintlichen möglichen späteren Gewinnen die Rede. - Eine klassischere Fehlspekulation und Fehleinschätzung gibt es gar nicht, meine Damen und Herren! Trotzdem versuchen Sie immer wieder, wie heute auch in der Anfragebeantwortung am Vormittag, vom Versagen abzulenken und den Wienerinnen und Wienern Sand in die Augen zu streuen. Ich zitiere noch einmal aus der „Wiener Zeitung“ vom Dezember 2013: „,Tatsache ist, dass die Stadt Wien nicht spekuliert hat, nicht spekuliert und auch keine Verluste geschrieben hat, im Gegenteil‘, betont Finanzstadträtin Brauner.“
Ich meine, dass sich schon verschiedenste Journalisten mit Ihrer Sichtweise der Dinge auseinandersetzen, wie eben der bereits erwähnte Armin Wolf. Das haben wir heute schon gehört. Er sagte auf einen angeblich Ihnen zuzuschreibenden Satz - heute hat er das relativiert, ich weiß es nicht, das müssen Sie sich mit dem Armin Wolf austwittern -, Sie hätten gemeint, Sie spekulieren nicht, Sie warten auf bessere Zeiten. Armin Wolf dazu - das Zitat des Tages: „Eine knappere Definition von Spekulation, als wir hoffen auf bessere Kurse, habe ich eigentlich noch nie gehört.“
Zur Abwechslung darf ich mich jetzt auch einmal selbst zitieren, Rede im Landtag zum Thema Spekulationsverbot vom 27. Juni 2013 - Neuhuber, O-Ton: „Derzeit wird der Schweizer Franken rolliert, also vor sich hingewälzt. Zinsen zahlen, aber wir wechseln nicht zurück. Das ist wieder eine Spekulation. Ich möchte mit dem Mythos aufräumen, dass die Stadt Wien nicht spekuliert. Finanzieren in einer Fremdwährung ist Spekulation, Spekulation über Markt, Spekulation über das Verhalten der Bank, Spekulation über das Verhalten der Schweizer Regierung, der Schweizer Bundesbank, der Europäischen Zentralbank und Spekulation darüber, dass kein österreichisches oder europaweites Gesetz kommt.“ - Nicht ganz unprophetisch damals, als ich gesagt habe: „Spekulation über das Verhalten der Schweizer Bundesbank.“ Ganz unrecht habe ich da wohl nicht gehabt, Frau Finanzstadträtin. Mit der Schweizer Bundesbank sollte man sich nicht verspekulieren.
Oder eine andere, relativ unverdächtige Quelle, ein fachlich sehr versierter Kommentar über das Rollieren von Krediten und die Neuaufnahme von Schweizer Franken aus einem Blog von Martin Margulies, der Blogger sagt dort: „Ich betrachte diesen Text als Lobbying für die Vernunft. Bitte, liebe Leser, verabschieden Sie sich an dieser Stelle von der Vorstellung, dass der neue Kredit irgendetwas mit dem alten zu tun hätte. Technisch gesehen hat die Stadt Wien am Tag X 2012 Geld gebraucht und entschieden, einen Frankenkredit aufzunehmen, weil man meinte, der Kurs würde sich aus Sicht der Stadt positiv entwickeln und der Franken würde billiger werden. Das ist Spekulation und nichts anderes. Hätte man sich am Tag X gegen diese Spekulation entschieden - es war ja versprochen, dass die Frankenkredite abgebaut werden -, wäre der Verlust am 15.1.2015 nicht eingetreten. Diejenigen, die die Entscheidung getroffen haben, haben hunderte Millionen Euro verspekuliert und tragen dafür die Verantwortung.“ - Das ist nicht mein Zitat, das ist, wie gesagt, aus dem Blog von Martin Margulies. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Nicht von mir!) - Nicht von dir, aber aus deinem Blog. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Von Alexander Wacker, glaube ich, ist das!) - Das ist die öffentliche Meinung und trotzdem sagen Sie noch immer, Sie spekulieren nicht. Dem Blogger kann ich nur zustimmen. Warum rolliert man denn? Warum schiebt man denn vor sich her? Doch nicht deshalb, weil es so schön und lustig ist, einen Haufen Schulden vor sich herzuschieben! Man hofft auf bessere Kurse in der Zukunft. Das ist das Wesen der Spekulation! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)
Ich bin auch, weil wir das heute in der Anfragebeantwortung gehabt haben, Zweitbuchbesitzer, aber ich zitiere jetzt nicht aus meiner Bibliothek, sondern ich zitiere aus Wikipedia, Begriffsdefinition Spekulation: „Jemand kauft/verkauft eine Sache oder ein Wertpapier, weil er annimmt, dass dieses in absehbarer Zeit im Wert steigt/sinkt, mit dem Ziel, es nach der Wertsteigerung gewinnbringend zu verkaufen.“ - Was ist dann das Rollieren anderes als Spekulation? Spekulation ist nur ein Begriff, meine Damen und Herren! Ich verstehe nicht, Frau Brauner, warum Sie sich so dagegen wehren! In der Realwirtschaft könnte man auch sagen, Spekulation ist die Hoffnung auf Gewinn. Mit Verlaub, das ist für mich gar nichts Schlechtes. In der Marktwirtschaft ist die Aussicht auf Gewinn ein ganz wichtiges Antriebselement.
Der Grund, warum ich mich diesem Begriff so widme, ist nur, weil ich endlich mit diesem Märchen, dass Sie nicht spekulieren, Schluss machen will, meine Damen und Herren. Es ist ein ganzes Märchenbuch, was Sie uns da auftischen! Das ist das Märchen von der Stadt Wien, die nicht spekuliert. Es ist das Märchen vom ewigen Rollieren, wie schon gesagt. Irgendwann wird es so weit sein und wir werden zurückwechseln müssen, siehe das Gesetz über die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung. Demzufolge sollten wir bis Ende März 2016 die Positionen in Schweizer Franken glattstellen. Ich weiß schon, darin steht wenn und aber, und man
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