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Gemeinderat, 61. Sitzung vom 19.12.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 147

 

um Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto in die Schule führen. Darüber gibt es viele Diskussionen in Schulen und in den Elternvereinen. Oft fragen Kinder: Darf ich mit dem Roller oder mit dem Rad in die Schule fahren? Und wie lautet die Antwort vieler Eltern? – Nein! Das ist zu gefährlich! Mit „gefährlich“ meinen sie aber nicht einen Raubüberfall oder einen Blitzschlag, sondern sie meinen damit den Autoverkehr!

 

Ich meine: Es wäre doch ein Leitprojekt der Sonderklasse, wobei ich gleich eingrenzend sage, mit jenen Schulen, die das wollen, Angebote und Rahmenbedingungen für jene Kinder und Jugendlichen zu schaffen, die gerne zu Fuß in die Schule gehen oder mit dem Roller oder Rad fahren wollen, ohne dass die Eltern sagen müssen, ich bringe dich mit dem Auto in die Schule, weil es wegen der Autos zu gefährlich ist, mit dem Rad zu fahren.

 

Ich bringe das deswegen als Beispiel, weil es zeigt, dass es nicht nur um einen politischen Rahmen geht, sondern darum, einen gewissen Widerspruch, der in sehr vielen Menschen steckt, aufzulösen. Und das gelingt nur, indem wir hervorragende Beispiele setzen.

 

Das Englische kennt eine sehr schöne Differenzierung, die das Deutsche in diesem Sinn nicht kennt, nämlich den Unterschied zwischen „street“ und „road“. Bei uns gibt es nur die Straße. – Ich glaube, wir brauchen im städtischen Raum „more streets“, nämlich Straßen im Sinn des englischen Begriffs, wo Leute zu Fuß gehen und sozusagen flanieren. Dort kann auch Autoverkehr stattfinden, aber im Vordergrund steht der öffentliche Raum, die Begegnungszone. „Road“ hingegen bedeutet, wie auch die Roadmovies zeigen, dass es sich um den Ort handelt, wo Autos fahren. Es wird die eine oder andere „road“ geben, aber die Zukunft des rot-grünen Wien ist: „More streets, less roads.“ Es geht nämlich darum, umzuverteilen und Lebensraum in der Stadt zu schaffen.

 

Zu zwei aktuellen Entwicklungen: Im „Kurier“ wurde gestern oder vorgestern festgestellt, dass der Anteil jener jungen Leute, die den Führerschein machen, deutlich zurückgeht. (GR Wolfgang Irschik: Weil sie dafür kein Geld mehr haben!)

 

Ich habe dann noch eine andere Zahl gegoogelt: Das Durchschnittsalter der Neuwagenkäufer beträgt 54 Jahre, und das finde ich deswegen interessant, weil es genau meinem Alter entspricht. Das zeigt einen Trend, der nicht nur in Wien, sondern auf der ganzen Welt zunimmt, dass nämlich andere Dinge wesentlicher sind als das Auto und wichtiger genommen werden. Das Statussymbol Auto weicht einer nutzungsorientierten Umorientierung.

 

Das findet auch im Verkehrskonzept „Nutzen statt Besitzen“ seinen Niederschlag. Carsharing-Unternehmen boomen. Zuerst gab es „car2go“, jetzt ist „DriveNow“ hinzugekommen. Außerdem gibt es Plattformen wie „Carsharing24/7“, in deren Rahmen Leute ihre Autos anbieten und andere diese nutzen. Viele sind der Auffassung – und dazu gehöre auch ich –, dass gelegentliche Autonutzung praktisch ist. Wenn ich zum Beispiel auf die Rax klettern fahre, dann werde ich – zumindest im Regelfall – nicht mit dem Rad dorthin fahren. In einem solchen Fall ist ein Auto praktisch, ebenso für größere Transporte. Aber muss man deswegen ein eigenes Auto permanent vorhalten und den öffentlichen Raum damit verstellen? – Nein! Das muss man nicht! Dafür können Alternativen angeboten werden.

 

Diesbezüglich ist Wien im österreichischen Raum führend. In keiner Stadt ist der Autobestand so gering wie in Wien, er beträgt 390 Autos pro 1 000 Einwohner. In Städten wie Linz, Salzburg oder Graz ist diese Quote deutlich höher. Aber man soll sich nicht nur an jenen orientieren, die man übertrifft, sondern auch an denen, die diesbezüglich besser sind. So haben etwa London, Paris oder Hamburg – ich nenne jetzt ganz bewusst Städte, die auch einkommensmäßig fast sogar über Wien liegen – eine deutlich geringere Motorisierung; von New York rede ich gar nicht. Dort sieht man auch in Filmen ganz selten Leute ins Auto einsteigen, sondern diejenigen, die fahren wollen, stellen sich an den Fahrbahnrand und winken ein Taxi heran. – Das ist auch eine Form der intelligenten Bewerbung, da können wir einiges lernen, und dieses Verkehrskonzept wird diesen Trend vorantreiben.

 

Das Jahresticket für 365 EUR ist dafür ein Symbol. Dieses ist für alle da. Diesbezüglich brauchen wir uns etwa vor London überhaupt nicht zu verstecken! Ich glaube, der Preis für das Jahresticket in London liegt irgendwo bei 1 500 EUR oder darüber. Die Zunahme des öffentlichen Verkehrs in Wien durch das vergünstigte Jahresticket ist ein internationales Gesprächsthema. Man fragt sich: Wie ist es möglich, dass man in relativ kurzer Zeit die Fahrgastzahl von 340 000 auf 640 000 erhöht? – Das ist ein rot-grünes Erfolgsmodell der Sonderklasse!

 

Das vorliegende Konzept zeigt, dass es auf diesem Weg weitergeht, nämlich auf einem Weg, den alle intelligenten Städte beschreiten. Wir wissen, dass das kein konfliktfreier Diskurs ist und dass das da und dort auch kurzfristig zu Einschränkungen führen kann.

 

Wie aber sagt Jan Gehl letztendlich richtig? Er nennt das „88“: Wenn für 8-Jährige und 88-Jährige, also für diese beiden Altersgruppen, die Stadt lebenswert ist, dann ist es eine gute Stadt. Und die Stadt für die 8-Jährigen und die 88-Jährigen ist sicherlich keine „Road-Stadt“, sondern eine „Street-Stadt“, und dafür wollen wir die Voraussetzungen schaffen. Darum freue ich mich über dieses Verkehrskonzept. – Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Dadak. Ich erteile es ihm.

 

12.30.17

GR Michael Dadak (Klub der Wiener Freiheitlichen)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Mich hat es sehr gefreut, dass Kollege Maresch die Straßenbahn Wienerberg erwähnt hat. Das ist nämlich eine langjährige Forderung der Freiheitlichen Partei. Wir haben ja schon, bevor das Euro Plaza in Meidling geplant und gebaut wurde, vorgeschlagen, dort eine Straßenbahn zu bauen, und wir haben diesbezügliche Anträge gestellt. Damals wäre es noch möglich gewesen, auf der Wienerbergstraße nicht eine Fahrspur wegzunehmen, sondern die Straßenbahn irgendwo hinter dem Euro Plaza zu führen. Damals haben – das muss ich sagen – die GRÜNEN als einzige Partei mit uns gestimmt, was ja sehr

 

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