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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 23.06.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 105

 

Weg. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wenn ich davon gesprochen habe, dass Wien kein Einnahmenproblem hat, dann zeigt sich das auch daran, dass kein anderes Bundesland in dieser Republik den Bürgern so tief in die Taschen greift wie Wien. Jeder Wiener zahlte 2012 im Schnitt 730,60 EUR an Landes- und Gemeindeabgaben. Die Bevölkerung in den anderen acht Bundesländern zahlte an die jeweiligen Gemeinden und das jeweilige Bundesland – damit hier kein Missverständnis entsteht; ich weiß schon, dass wir Land und Gemeinde sind – im Schnitt 502,80 EUR. Anders gesagt: Wiener zahlen um rund 45 Prozent höhere Landes- und Gemeindeabgaben als alle anderen Österreicher.

 

Ist das sozial? Ist das schlau? Wohl nur dann, wenn man dieses Wort schlau mutwillig mit raffiniert, gerissen oder, wie das Wörterbuch sagt, mit listig übersetzen möchte, was wir natürlich nicht tun.

 

Kommen wir noch zu einem Thema, das mir ganz besonders wichtig ist, das ist der Arbeitsmarkt. Die Sozialdemokratie, aber auch die grünen Koalitionspartner argumentieren, wenn wir die Arbeitsmarktdaten diskutieren, sehr gerne damit, dass Wien – was auch unbestritten ist – ja sehr gerne auch Menschen aus dem benachbarten Umland Arbeit gibt. Aber ist das wirklich der einzige Grund für diese hohen Arbeitslosenzahlen? Schauen wir uns doch einfach die nackten Zahlen an.

 

Wiens Anteil an der österreichischen Gesamtbevölkerung beträgt 20,7 Prozent. Wiens Anteil an den Erwerbstätigen beträgt interessanterweise allerdings nur 19,7 Prozent, und Wiens Anteil an den Arbeitslosen beträgt mittlerweile 31,4 Prozent, meine Damen und Herren. Fast jeder dritte österreichische Arbeitslose ist leider Gottes in Wien zu Hause. (Beifall bei der ÖVP.) Und ich sage Ihnen, das ist weder sozial und das ist schon gar nicht schlau.

 

Lassen Sie mich mit einem Zitat enden, das manchen, wahrscheinlich gerade von der Sozialdemokratie, vielleicht noch bekannt vorkommen mag, das Zitat lautet: „Sie werden verstehen, dass es auch für mich als Sozialdemokrat in allererster Linie in der wirtschaftlichen Entwicklung darum geht, die Vollbeschäftigung auch in unserer Stadt zu sichern.“ – Bgm Dr Michael Häupl bei seiner Antrittsrede im Gemeinderat im November 1994. Was ist 20 Jahre später Realität? 140 000 Arbeitslose in Wien.

 

Ich kann daher nur appellieren, meine Damen und Herren, begreifen auch Sie, bevor es zu spät ist: Das beste Sozialprogramm ist eben nicht die Mindestsicherung, sondern das beste Sozialprogramm für diese Stadt ist nach wie vor ein Arbeitsplatz. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich kann Bert Brecht wirklich nur recht geben: Kein Vormarsch ist offensichtlich so schwer, gerade in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten der Stadt Wien, wie der zurück zur Vernunft.

 

Wir werden aus eben diesen Gründen und aus der Verantwortung um die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt diesen Rechnungsabschluss jedenfalls ablehnen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Ellensohn. Ich erteile es ihm. Seine Redezeit ist auf 15 Minuten gestellt.

 

10.07.32

GR David Ellensohn (Grüner Klub im Rathaus)|: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

 

Das Lieblingstier der Rechnungsabschlussdebatte ist das Murmeltier aus einem anderen Film, den alle hier kennen, den alle schon bemüht haben, wenn sie sich erinnert fühlen an vorhergegangene Diskussionen. Der Truman Juraczka scheint in dem Fall, auf den Film umgelegt, der Einzige zu sein, der nicht merkt, dass er in einer Scheinwelt ist, weil er die Welt draußen nicht akzeptiert. Also ich würde fast sagen, Sie haben jetzt ein wunderbares Beispiel gebracht, Herr Stadtrat, wie dieser Film auch gemeint sein kann, denn Sie haben jetzt einfach all die Rahmenbedingungen negiert, die in der Welt draußen sind. Finanzkrise gilt nicht, alles, was rundherum passiert, gilt nicht.

 

Ich kenne ein Buch – ich weiß nicht, wer aller hier im Haus das gelesen hat, es wird immer wieder einmal Politikern und Politikerinnen empfohlen –, „Lügen mit Zahlen“. Das besagt – zwar nicht auf hohem Niveau, aber doch –, es gibt keine Welt da draußen, es ist alles wurscht. Wir vergleichen einfach München mit Wien, wir sagen nicht, dass es kein Bundesland ist, wir vergleichen Schuldenstände, sagen aber nicht die Gesamtbudgets dazu. Hat München ein gleich hohes Budget wie Wien? Na, nicht ganz, es hat schon eher ungefähr die Hälfte. Also alle Zahlen werden miteinander verglichen, einmal die Einwohner, einmal das Budget, einmal etwas anderes. Man müsste schon, damit wir überhaupt alle vom Gleichen reden, immer wieder die Zahlen und Fakten auf den Tisch legen.

 

Wenn man da zwischendurch sagt, es wird nicht gespart – das habe ich ohnehin schon einmal hier gesagt, das brauche ich nicht einmal für Rot-Grün zu reklamieren –: Die SPÖ hat in der Alleinregierung, als noch Hochkonjunktur war und es besser gelaufen ist, tatsächlich Jahr für Jahr die Schulden abgebaut in dem Haus und heruntergeführt. Und jetzt ist die Frage: Ist es intelligent, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, wenn sich die Einnahmensituation ändert, einfach so weiterzumachen und alles kaputt zu sparen? Da braucht man jetzt nicht seitenweise „Financial Times“ zu lesen. Alle amerikanischen Experten und Expertinnen erklären uns, dass wir in Europa insgesamt eher zu wenig investieren und nicht zu viel und dass es eben nicht clever ist, das, was man vorher gemacht hat, fortzusetzen. Man sollte schon zwischendurch, wenn man sich vornimmt, was man in Zukunft machen will, sich die Rahmenbedingungen anschauen.

 

Vielen Dank an die Finanzstadträtin Renate Brauner, der man immer wieder anmerkt, dass ihr Wien am Herzen liegt. Heute, behaupte ich, habe ich auch gehört, dass sie der Meinung ist, dass Rot-Grün das Beste ist. Ich bin nicht sicher, ob sie glaubt, dass es das Beste ist, denn sie glaubt vermutlich, alleine wäre es noch schöner, aber es hat sich eindeutig so angehört, als ob es unter den jetzigen Rahmenbedingungen das Beste wäre. Sie hat oft genug darauf hingewiesen, worauf es ankommt, nämlich darauf, dass wir die öffentlichen Dienstleistungen nicht privatisieren, nicht verkaufen, nichts

 

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