Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.05.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 75
Rechnungshof nicht nur Projekte prüfen möge, an denen der Bund mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist, sondern auch jene mit geringerer Beteiligung. Nur so war eine Prüfung des Skylink oder Check-in 3, wie es jetzt heißt, möglich, was hier zu sehr viel Gesprächs- und Diskussionsstoff geführt hat. Diese Diskussion und dieses Gespräch waren notwendig, weil wir mehr Transparenz brauchen. Wir brauchen mehr Transparenz hier in diesem Gemeinderat und wir brauchen generell in Österreich auf Bundesebene mehr Transparenz bei allen Vergabeverfahren und bei allen Bieterverfahren, wenn es sich dabei um öffentliche Projekte handelt. (Beifall bei der FPÖ.)
Was die leidige Erfahrung betrifft, die heute angekündigt wurde, mit den zwei Anfragen an Frau StRin Brauner, die du, Kollege Ulm, gemacht hast, nämlich zu TownTown und zu Media Quarter kann ich nur beipflichten. Auch ich habe schon Anfragen gemacht – da ging es insbesondere um die Wiener Stadtwerke Holding und um die AVZ –, und auch ich habe dieselbe lapidare Antwort bekommen, die natürlich in keiner Weise zufriedenstellend war, nämlich, dass es sich hierbei um ausgegliederte Rechtsträger handelt und dass die Frau Stadträtin in keiner Weise genötigt beziehungsweise gezwungen ist und es auch nicht ihre Pflicht ist, eine Antwort auf diese Fragen zu geben.
Ich halte das für falsch. Ich bin überzeugt davon und verfechte es, dass der Gemeinderat auf Ebene der Gemeinde das wichtigste Organ ist und dass Gemeinderäte dieses Fragerecht haben sollen. Sie sollen auch Antworten auf diese Fragen bekommen und nicht einfach im Dunklen gelassen werden.
Heute wurden ja die Kleingärten angesprochen, die auch wichtig sind, aber für die Gebarung der Stadt eben nur in einem geringeren Ausmaß. Es ist wichtig, dass die Gemeinderäte da herangezogen werden und das volle Auskunftsrecht haben. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich würde diese Debatte aber gerne nützen, um auf ein allgemeines Wirtschaftsthema einzugehen, das mich persönlich sehr beschäftigt. Ich habe auch im Europawahlkampf oft etwas dazu gesagt. Es ist ein Thema, das auch zum großen Bereich der Projekte der Gemeinde Wien oder der Unternehmen der Gemeinde Wien gehört, nämlich die Abwanderung von Unternehmen aus Wien.
Hier ist im letzten Jahr eine Umfrage der Wirtschaftskammer Wien bei Wiener Industrieunternehmen sehr emotional diskutiert worden. Das Ergebnis dieser Umfrage war, dass 66 Prozent der befragten Unternehmen gesagt haben, sie sind mit der Gebühren- und Abgabensituation in Wien nicht einverstanden, was bedeutet, die Gebühren und Abgaben sind einfach zu hoch. 66 Prozent haben gesagt, dass die Lohnkosten und die Lohnnebenkosten zu hoch sind, und 55 Prozent der befragten Unternehmen haben ebenso gesagt, dass die Bürokratie eine ausufernde ist, sodass Arbeitsplätze verloren gehen und der Standort wenig attraktiv ist.
Wir haben jetzt feststellen müssen, dass innerhalb eines Jahres über 12 000 Arbeitsplätze verloren gingen, weil eben solche Unternehmen – nämlich genau die, die sich mit diesen Kritikpunkten geäußert haben – gesagt haben, wir lagern aus oder wir sperren zu in Wien. Wir sprechen von 12 684 Jobs! Da sind die 70 Jobs noch nicht dazugerechnet, die im nächsten Jahr verloren gehen werden, wenn die Firma Niemetz aus Wien Landstraße ins Umland von Wien abwandert, weil Wien für sie kein attraktiver Standort mehr ist. Eines dieser Unternehmen, die Jobs aus Wien hinausverlagert haben, war Siemens mit 100 Jobs im IT-Bereich. Das war der Anfang. Panzerbauer Steyr in Simmering zog nach: 210 Jobs. Niedermeyer mit 200 Jobs; DiTech: 255 Jobs; und selbst „Der Standard“ hat 25 Jobs abgebaut.
Das bedeutet, die Rahmenbedingungen passen nicht mehr. Das ist unser Kritikpunkt, den wir schon sehr häufig angeführt haben: Es muss sich lohnen, in Wien zu wirtschaften; denn nur, wenn es sich lohnt, zu wirtschaften, werden Arbeitsplätze geschaffen, kann es Beschäftigung geben. Und, wenn es keine Beschäftigung gibt, dann steigt auch die Armut. Die 150 000 Mindestsicherungsempfänger vom letzten Jahr wurden hier ja schon zahlreich diskutiert.
Dass Wien eine Armutsquote von ungefähr 25 Prozent der Beschäftigung hat, wenn man vom Armutsmarker von 1 090 EUR für 2014 ausgeht, und dass das mit Abstand die größte Armutsquote unter allen österreichischen Bundesländern ist, wird geflissentlich verschwiegen. Darüber redet man natürlich nicht so gern. Was ist der Treiber für Armut? Beschäftigungslosigkeit. Und was macht Beschäftigung? Wirtschaftswachstum. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die Wirtschaftswachstum ermöglichen. Wenn wir kein Wirtschaftswachstum haben, werden wir in Wien keine Arbeitsplätze schaffen können und dann wird es auch keine Beschäftigung geben.
In drei Bundesländern war das Wirtschaftswachstum beziehungsweise die Wirtschaftsleistung im letzten Jahr in Österreich am niedrigsten. Sie werden wissen, dass Wien eines dieser Bundesländer, neben Niederösterreich und Kärnten, ist. Das ist ein Indikator, der vieles mit sich bringt, nämlich, dass die Kaufkraft nachlässt und die Arbeitslosigkeit steigt. Wien hatte im April wieder die höchste Arbeitslosigkeit aller österreichischen Bundesländer, und hohe Arbeitslosigkeit bringt Kaufkraftnachteile! Wien ist im österreichischen Bundesländervergleich hinsichtlich der Kaufkraft im letzten Jahr erstmals hinter Niederösterreich und Salzburg auf die dritte Stelle zurückgefallen. (GR Mag Wolfgang Jung: Ja, in der Mercer-Studie!) Die sagt vielleicht etwas anderes, aber hinsichtlich der Kaufkraft ist Wien zurückgefallen, und auch bei den Lehrstellen hinkt Wien hinten nach.
Das bedeutet, die Standortindikatoren könnten gut sein, sind aber schlecht, und deshalb haben wir gesagt, wir fordern einen Beschäftigungs- und Wachstumspakt für Wien, damit sich dieses Umfeld wieder in eine Richtung bewegt, dass es sich für Unternehmen lohnt, zu wirtschaften, Beschäftigung und Arbeitsplätze zu schaffen und somit die Arbeitslosigkeit und auch den Grad der Armut zu senken. (Beifall bei der FPÖ.)
Welches könnten die ersten Schritte für einen solchen Pakt für Wachstum und Beschäftigung in Wien sein? Wir haben gesagt, da, wo Unternehmen und Bürger Kritik anbringen, müsste etwas geschehen, nämlich
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