Gemeinderat, 38. Sitzung vom 22.05.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 94
Wiener zu Fuß hinaus – im Auto ist man noch einigermaßen sicherer als mit dem Rad –, es fährt logischerweise kein Mensch, ja vielleicht bei dieser Witterungslage 1 Prozent, mit dem Rad, aber Sie wollen prioritär die Radwege räumen. Das ist doch völlig absurd und eine einzige Provokation aller Wiener. (Beifall bei der ÖVP.) Es haben ja auch die 99 Prozent Radfahrer überhaupt nichts davon, weil die natürlich auch zu Fuß unterwegs sein müssen und ganz gern einen freigeschaufelten Gehweg hätten.
Eine Provokation, auch wenn Sie das heute etwas abgemildert haben in Ihrer Darstellung, Frau Vizebürgermeisterin, ist natürlich auch, dass Sie alle Radwege flächendeckend in Wien grün streichen wollen, und das um 10 Millionen EUR. Noch dazu in einer Situation, wo die Straßenbeläge derartig sind, dass wir in Wien nur noch mit Rumpelpisten konfrontiert sind, weil das Geld für die Instandhaltung der Straßen ganz offensichtlich nicht mehr da ist. Und da sage ich Ihnen, also zuerst muss man schon einmal dafür sorgen, dass die Fahrbahn intakt ist, und dann kann man sich überlegen, wie man diesen Weg bemalen möchte. (Beifall bei der ÖVP.)
Es ist natürlich auch eine Provokation, ohne Notwendigkeit, ohne dass es den Radfahrern irgendetwas bringen würde, eine Nordbrücke sperren zu lassen, einen Ring sperren zu lassen, Autofahrer zu schikanieren, ohne dass die Radfahrer was davon haben, mutwillig Fahrstreifen wegzunehmen. Bei der Spittelauer Lände im 9. Bezirk hat man sich das noch überlegt, da wollte man auch einen Fahrstreifen streichen, stadteinwärts war die Situation noch ein bisschen besser, das war eine rote Alleinregierung, da ist man noch zurückgerudert. Jetzt haben wir eine rot-grüne Regierung, da rudert man leider nicht mehr zurück, und es ist Ihnen tatsächlich gelungen, einen Flaschenhals zu installieren, nämlich in der Westeinfahrt, und zwar bei der Ramperstorffergasse, beim Amtshaus Margareten. Das ist dort, wo die U-Bahn-Station Pilgramgasse ist, da haben Sie tatsächlich in der Westeinfahrt von zwei Fahrstreifen einen Fahrstreifen gestrichen. Die Folge sind natürlich Stau, vermehrte Abgasemissionen, Ärger bei der Bevölkerung und so weiter.
Wo wirklich etwas gemacht werden müsste, das ist in der Fahrradausbildung, das ist bei der Fahrradsicherheit. Da würde ich mir auch von der Radfahragentur mehr erwarten, als das in der Vergangenheit der Fall war. Es werden wahnsinnig viele Millionen in PR-Aktivitäten gesteckt, wahnsinnig viel Geld in die Werbung für die eigene Stadträtin, aber wenig in den sicheren Ausbau der Radwege.
Es bringt auch relativ wenig, wenn Sie eine Jahreskarte um 365 EUR für die Öffis anbieten, ohne diese Ankündigung in eine breite, konzeptive Verkehrspolitik einzubetten. Denn das Ergebnis war, dass Transportkapazitäten gefehlt haben und Sitzbänke bei den Zügen der Wiener Linien herausgerissen werden mussten. Alles andere als eine ökonomische Vorgangsweise. Und jetzt erfahren wir aber, dass diese Verkehrspolitik mit der Senkung der Ticketpreise sowieso nicht gehalten werden kann, weil es bereits mit Juni wieder zu Preiserhöhungen bei den Öffis kommen soll. Und damit stellt sich natürlich heraus, dass diese Jahreskarte um 365 EUR nur ein Schmäh war, wenn letztendlich Fahrpreiserhöhungen im Juni das Fahren mit den Öffis wieder teurer und unattraktiver machen. Attraktiv wäre es, Geld für Intervallverdichtungen aufzuwenden, für den Ausbau der U-Bahn an die Stadtgrenzen und darüber hinaus.
Zu guter Letzt darf ich noch ein Wort zum Auto sagen: Verdammen Sie bitte nicht das Auto und schon gar nicht die Menschen, die damit fahren. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es einen Wirtschaftsverkehr gibt, einen Einkaufsverkehr, dass es Mütter gibt, die Kinder transportieren müssen, dass es Witterungsverhältnisse gibt wie Kälte, Regen oder Hitze, dass viele ältere Menschen auf ein Auto angewiesen sind. Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass es manche Personen gibt, die gerne elegant gekleidet, nicht völlig abgeschwitzt am Zielort ankommen wollen. Ich glaube, es ist das gute Recht der Wienerinnen und Wiener, selber zu entscheiden, welches Verkehrsmittel sie wählen. Wenn man ein Taxi wählt, bringt das alleine noch nicht wahnsinnig viel mehr, volkswirtschaftlich betrachtet, als wenn es das eigene Auto ist.
Ich bitte Sie daher eindringlich, schreiben Sie den Menschen nicht vor, welches Verkehrsmittel sie benutzen müssen. Jeder Wiener hat das gute Recht darauf, sein Verkehrsmittel selbst zu wählen. Die Bürger sind mündig genug, sie brauchen die Bevormundung der GRÜNEN sicher nicht. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist der Herr GR Mag Chorherr. Ich erteile es ihm.
GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus): Meine Damen und Herren!
Bevor ich den Grundsatzbeschluss Radverkehr mit großer Freude einbringen will, möchte ich Ihnen ein paar Zitate vorlesen, um zu zeigen, wo wir auch international stehen und dass diese Debatte, die wir hier in Wien führen, eine ist, die in allen Weltstädten geführt wird.
Ich zitiere den Bürgermeister einer Millionenstadt: „Wir Radler sind jedoch in der Regel auffallend bescheidene Leute. Es genügt uns schon vollkommen, einfach bessere Menschen zu sein. Wir lärmen nicht, produzieren keine Abgase und verbrauchen keine Ressourcen. So ein besserer Mensch zu sein, ist einfach ein gutes Gefühl. Allerdings“ – so setzt dieser Bürgermeister fort – „sitzt auch unsereins gelegentlich im Auto und macht dann durch die Windschutzscheibe die entsetzlichsten Beobachtungen. Radfahrer sind Gesetzlose, ein anarchistisches Gesindel.“
Dieser Bürgermeister ist ein Sozialdemokrat, heißt Christian Ude, und das Zitat, das ich da gebracht habe, stammt aus einem Buch, das er geschrieben hat. Dieses Buch heißt „Stadtradeln: Kleine Philosophie der Passionen“. Ein Bürgermeister einer Millionenstadt hat dem Rad in all seiner Ambivalenz der täglichen Umsetzung wirkliche Priorität eingeräumt – heute hat München einen Radanteil von 17 Prozent, das ist weit mehr als das Dreifache Wiens – und hat vor vielen Jahren einen Grundsatzbeschluss zum Radverkehr gefasst. Unter
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