Gemeinderat, 35. Sitzung vom 04.04.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 54 von 85
Sozialtourismus ist für Österreich ein Nichtproblem. In der Praxis schaut es aber leider ganz anders aus. Dieser Entwicklung haben Sie nichts entgegen zu setzen, im Gegenteil. Die GRÜNEN fordern sogar, dass alle, die hier in Österreich einen Asylantrag stellen, das werden auch ungefähr 15 000 sein, die wir da jetzt haben, auch sofort eine Arbeitsgenehmigung bekommen. Ja, das hört sich alles schön an. Es wäre ja nicht schlecht, wenn wir die alle beschäftigen könnten, weil Österreich ja dann auch profitieren würde. Aber es ist das genaue Gegenteil, was Sie damit erreichen. Wir haben zig Tausende Leute, 100 000 werden es bald sein, die aus dem Sozialsystem nur herausnehmen und nichts einzahlen, und das wird zu viel. Und wenn vorhin angegriffen wurde, dass, ich glaube, der Kollege Rösch hat es gesagt, wir die Vertreter der Österreicher sind, von denen wir gewählt werden - ich weiß, wir kennen die Probleme mit der EU, wir kennen die Probleme. Wir haben auch darauf hingewiesen, nur, Sie wollten es nicht hören und Sie wollen es noch immer nicht hören, weil Sie eingestehen müssten, wie sehr Sie mit Ihrer Einschätzung der Entwicklung und des gesamten Bereiches danebengelegen sind. Der Arbeitsmarktservice muss ja in Ihrem Auftrag noch immer schönreden, weil ja kein Bericht hinausgeht, ohne dass er genehmigt wird. Er sagt, er erwartet sich 2013 einen Rückgang der Zuwanderer aus dem Ausland. Das spricht jeder Vernunft Hohn, jedem Erfahrungswert Hohn. Die Deutschen, die da wirklich nicht alarmistisch sind, sondern sich noch mehr gefallen lassen als wir in Österreich, haben damit leider recht. Nächstes Jahr werden wir dastehen und werden wieder davon hören, dass sich die Arbeitsmarktzahlen in Wien verschlechtert haben, vielleicht sogar, fürchte ich, dramatisch verschlechtert haben und Sie werden wieder sagen: Es ist alles gut und es ist wunderschön. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Dr Monika Vana: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Christoph Peschek. Ich erteile es ihm.
GR Christoph Peschek (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ja selbstverständlich macht eine Weltwirtschaftskrise, die jetzt über Jahre hinweg spürbar und erlebbar ist, auch vor Wien nicht halt. Nur muss man schon eines festhalten, nämlich die Kernfrage: Wie ist das alles eigentlich zustande gekommen? Es war schon ein jahrelanger neoliberaler Wahn der letzten Jahre, der durch Privatisierungen und Deregulierungen eines wild gewordenen Finanz- und auch Spekulationsmarktes und auch nimmersatter Aktionäre spürbar war, der letztlich zu dieser Situation geführt hat. Aber eines muss man schon auch in aller Klarheit dazu sagen: Es war auch Ihre Politik, die mit dazu beigetragen hat, dass dieser Neoliberalismus vor Österreich nicht Halt gemacht hat! (Aufregung bei den GRen Johann Herzog, Mag Wolfgang Jung und Dominik Nepp.) Und wenn Sie sich nicht mehr daran erinnern können, kann ich Ihnen das gerne in Erinnerung rufen, weil es offenbar so manche Gedächtnislücken gibt. Wer hat denn die Börsenumsatzsteuer gestrichen? Wer hat denn die steuerfreie Begünstigung für Aktienprämien für Spitzenmanager eingeführt? Das war die FPÖ mit der ÖVP! Aber Sie wollen und können sich nicht mehr daran erinnern! Die Senkung der Körperschaftssteuer wurde von Ihnen eingeführt, ebenso höhere Steuern für Urlaubs- und Kündigungsentschädigungen und der Verkauf beispielsweise der Austria Tabak. Auch im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit haben Sie die Lehrwerkstätten eingespart, haben Sie die Probezeit für Lehrlinge verlängert (Aufregung bei der FPÖ.), die Behaltefrist gekürzt und die Arbeitszeit bis in die Nacht ausgedehnt. Ich weiß schon, das wollen Sie nicht hören! Die Wahrheit ist brutal, es ändert aber nichts daran, dass es so ist. Und das haben Sie mitverschuldet, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – Weitere Aufregung bei der FPÖ.)
Und wenn der Herr GR Rösch nun sagt, der Druck wird immer größer, die Zeit für viele Familien fehlt, um sich mit den Kindern zu setzen und so weiter, dann sind eben auch diese Deregulierung, diese Privatisierung, diese nimmersatten Aktionäre mit ein Stück daran schuld, dass für viele spürbar der Druck vorhanden ist und viele diesen Leistungsdruck tagtäglich spürbar erleben. Arbeitszeitflexibilisierungen haben natürlich auch Auswirkungen auf ein Familien- und Sozialleben. Und auch Sie sind daran erinnert, dass Ihre freiheitliche Wirtschaft, Herr Rösch, Ihre freiheitliche Wirtschaft immer wieder längere Ladenöffnungszeiten, eine Sonntagsöffnung und Arbeitszeitflexibilisierungen fordert, die immer zu Lasten der Angestellten, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht. Wenn wir ein konkretes Beispiel wie den Handel hernehmen und dort überwiegend Frauen arbeiten, nämlich über 500 000 Menschen, die dort beschäftigt sind, oftmals alleinerziehende Frauen, dann ist es in der Tat schwierig, sich bei Öffnungszeiten bis 21 Uhr um Familienarbeit und um eine Teilhabe am sozialen, kulturellen, aber auch politischen Leben zu kümmern. Demzufolge ist die eigentliche Antwort jene, die wir auch in Wien sehr stark geben, nämlich sich darum zu kümmern, dass möglichst jeder Mensch eine gute Qualifikation erhält, dass möglichst jeder Mensch einen guten, auch ordentlich bezahlten Arbeitsplatz erhält und dieser ganze Deregulierungswahn beendet wird, weil das in Wahrheit höchst an der Zeit ist. Und da gibt es auch sehr, sehr starke Anstrengungen der Sozialdemokratie unseres Bundeskanzlers, aber natürlich auch der Stadt Wien. (GR Dominik Nepp: Sie sind die großen Versager!)
Es wurde auch angesprochen, ich glaube, vom Kollegen Aigner, wenn ich das richtig im Kopf habe, die Frage der Jugendarbeitslosigkeit. Also alle Welt schaut nach Wien und Österreich und ich glaube, erst heute war wieder Kommissionspräsident Barroso bei uns: Wie machen die das in Österreich eigentlich im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit? Und dann muss man festhalten, dass natürlich das duale Berufsausbildungssystem ein sehr wichtiges, ein großartiges ist, aber auch die gesamte Ausbildungsgarantie. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass von der FPÖ nur irgendein konstruktiver Vorschlag gekommen wäre, wie die Arbeitswelt zu gestalten wäre, wie man Jugendbeschäftigung erhöhen könne, weil das Einzige, was von Ihnen immer kommt, das sind
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