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Gemeinderat, 34. Sitzung vom 01.03.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 18 von 83

 

Solarkraftwerke weitere erneuerbare Energieprojekte mit finanzieller Beteiligung der Wienerinnen und Wiener realisieren soll.

 

Ich halte das für eine ganz große, wichtige und entscheidende Frage, weil es um zwei Bereiche geht, die weit über Wien hinausgehen. – Bereich 1 ist das große Thema der Energiewende. In Deutschland wird die Frage heftigst diskutiert: Gelingt es uns angesichts von Klimawandel und finanziellen Belastungen nach fast 200 Jahren Abhängigkeit von Öl, Gas und fossilen Rohstoffen, in Richtung erneuerbare Energien, in Richtung Solarenergie zu gehen?

 

Und die zweite Frage, die bei vielen noch gar nicht gelandet ist, lautet: Wie bezahlt man das? – Und diesbezüglich ist mit dem ersten BürgerInnen-Solarkraftwerk ein Weg aufgemacht worden, der noch sehr viel Potenzial birgt. Es geht dabei nämlich noch um ein zweites sehr großes Thema, und in diesem Zusammenhang gibt es zu Recht viel Kritik, und es leidet eigentlich die ganze Welt in einer gewissen Weise darunter: Es ist dies ein wahnsinnig gewordener internationaler Finanzmarkt, auf dem abgezockt wird, auf dem Millionen Boni gezahlt werden. Daran sind aber Menschen, Wienerinnen und Wiener, insofern mitbeteiligt, als man sein Geld in eine Anlageform steckt, sich gewisse Zinsen erwartet, etwa im Rahmen eines Pensionsfonds, dieses Geld dann aber irgendwo in ein internationales Finanzsystem rinnt, das die wenigsten verstehen. Ich glaube, es gibt kaum Experten, die verstehen, was da genau vor sich geht.

 

In Anbetracht dessen kam man dann auf eine Idee, und immer mehr Leute haben gesagt, ich will nicht dieses verrückt gewordene internationale Finanzsystem füttern, sondern ich will mein Geld nutzen, damit sinnvolle Projekte realisiert werden. Und diese ersten BürgerInnen-Solarkraftwerke hatten dann einen für viele überraschenden Erfolg. Vorher haben viele gesagt: Das ist unwirtschaftlich! Wer soll sich denn finden, um das zu finanzieren?

 

Das erste BürgerInnen-Solarkraftwerk war in 16 Stunden ausverkauft! Wienerinnen und Wiener – ich selber war einer davon – haben gesagt: Bevor ich mein Geld auf die Bank trage, kaufe ich im übertragenen Sinn ein Solarpaneel, gebe es der Wien Energie, und die Wien Energie errichtet ein Kraftwerk. Einerseits tue ich damit etwas für meine Stromerzeugung zu Hause: Ich wohne in einer Mietwohnung, ich kann mir also auf dem Dach keine Solaranlage leisten, und, ehrlich gesagt, habe ich als Politiker genug zu tun, ich kann mich nicht darum kümmern, wie der Strom hergestellt wird, aber ich gebe das der Wien Energie. Und tausende Wienerinnen und Wiener haben das so gemacht.

 

Das war der erste Schritt, und es sind jetzt weitere gefolgt. Und auf einmal sieht man, dass immer mehr Menschen bereit sind, kritisch zu hinterfragen, was mit ihrem Anlagegeld geschieht. Sie wollen das wissen.

 

An dieser Stelle möchte ich jetzt einen interessanten Konnex zwischen der Energiepolitik, dieser Frage und dem gegenwärtigen Ernährungsskandal, der ganz Europa aufregt, herstellen: Man kauft Fleisch oder irgendwelche Lebensmittel und hat echt keine Ahnung, was denn da wirklich drinnen ist. Aber auch diesbezüglich gehen Bürgerinnen und Bürger neue Wege in der Landwirtschaftspolitik, indem wir sagen: Ich will wissen, woher mein Essen kommt. Man übernimmt Verantwortung, geht nicht in irgendwelche anonymen Supermärkte, wo irgendetwas auf dem Packzettel steht, was sich dann einmal als Pferdefleisch oder ein andermal als Antibiotika herausstellt.

 

Wir erleben nun eine neue Form der Zivilgesellschaft, die jetzt auch in den Finanzierungsbereich hinübergeht. Und das Ganze ist auch als Appell beziehungsweise Wunsch zu verstehen, dass wir als Stadt für Wienerinnen und Wiener, die Sparanlagen haben und die für ihre Pension vorsorgen wollen, entsprechende Möglichkeiten eröffnen. Dabei geht es nicht um Riesenbeträge, sondern da geht es um 600, 1 000, 2 000 oder 3 000 EUR, und in diesem konkreten ersten Fall zahlt die Wien Energie 3,1 Prozent Zinsen. Das ist deutlich höher als das, was man auf einem Sparbuch bekommt, und gleichzeitig hat man das gute Gefühl: Dort drüben steht ein Kraftwerk, das den Strom liefert, und wir bezahlen unsere Strom- oder sonstigen Energiekosten nicht mit Geld, das nach Saudi-Arabien oder Russland geht und das auch Wien verloren geht, sondern wir unterstützen zusätzlich das Gewerbe und die Solarenergie in Wien. Und wir zeigen damit, dass Politik den Rahmen geben kann und dass Menschen selbst etwas dazu beitragen können. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Jetzt zu einem Vorwurf, der oft kommt: Warum fragt ihr überhaupt, das könnt ihr ja eh machen?! – Einerseits kann man es ... (Zwischenruf von GR Dkfm Dr Fritz Aichinger.) Nein! Man kann es nicht einfach so machen! Aber wenn es dafür eine breite Mehrheit gibt und wenn das mehrheitlich mit Ja ausgeht, dann ist das ein Auftrag an die Stadt Wien, hiefür noch mehr Hirnschmalz und noch mehr Strukturen aufzuwenden. Das hoffen wir, und dafür werben wir! Dafür werbe ich auch hier und heute, wenn ich jetzt zufällig junge Leute auf der Zuschauergalerie sehe. – Es ist ja nicht so, dass da alle von Anfang an „Bravo!“ gerufen haben. Da gab es sehr viel Skepsis. Da wurde gefragt: Geht das eigentlich? Finden sich dafür Leute? Brauchen wir das?

 

Es geht dabei jetzt nicht darum, wenn das mit Ja ausgeht, dass vielleicht noch zwei, drei weitere BürgerInnen-Solarkraftwerke errichtet werden, sondern dass dieses Modell auf einer breiteren Basis fortgeführt wird. Heini Staudinger fightet auf einer anderen Ebene dafür einen wilden Kampf mit der Finanzmarktaufsicht durch, und ich sage für Insider: Auch bei diesem ersten Modell gab es bei der Wien Energie Anrufe der Finanzmarktaufsicht, und es wurde gefragt: Dürft ihr das denn eigentlich tun? Und das relativ komplizierte rechtliche Modell, das hier gewählt wurde, hat ja nur mit den aus meiner Sicht durchaus absurden Einwendungen der Finanzmarktaufsicht zu tun. Das führt uns jetzt zu der Frage, ob es nicht auch auf Bundesebene großzügigere, den Anlegerschutz sicherstellende Rahmenbedingungen geben könnte. Das wäre auch eine bundespolitische Sache, bislang geht Österreich nämlich extrem restriktiv hinsichtlich derartiger Projekte und deren Sicherstellung vor.

 

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