Gemeinderat, 29. Sitzung vom 19.11.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 97 von 108
ren. Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Akkilic, Sie haben 11 Minuten Redezeit gewählt.
GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Stadträtin! Werte Kollegen und Kolleginnen!
Ich möchte eigentlich mit einem Bereich unseres Geschäftsstückes anfangen, der bis jetzt noch nicht zur Sprache gekommen ist, nämlich die Märkte. Wir wissen, dass der Wien-Großmarkt heuer sein 50-jähriges Bestehen gefeiert hat und dass er für unsere Region, nicht nur für unsere Stadt, sondern für die gesamte Region eine sehr wichtige Rolle in der Nahversorgung und darüber hinaus spielt. Der Großmarkt Wien hat eine beeindruckende Geschichte. Diese beeindruckende Geschichte wird heute mit sehr vielen Menschen, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus den unterschiedlichsten Ländern fortgesetzt, und nicht nur der Großmarkt Wien. Sie wissen, dass in Wien sämtliche Märkte eine sehr starke Internationalität aufweisen. Diese Internationalität ist damit gekoppelt, dass die Menschen wirklich hart arbeiten, um 3 Uhr, 4 Uhr in der Früh aufstehen und ihre Leistung in dieser Stadt erbringen. Dafür gilt ein besonderer Dank an die MA 59 und an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der MA 59. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Danke.
Diese Märkte sind gleichzeitig ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Was meine ich, wenn ich sage, das ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft? Diese Märkte sind Orte, wo Konflikte stattfinden.
Konflikte in dem Sinn, dass Menschen aneinander geraten, dass sich Menschen missverstehen, dass Menschen aber auch Orte finden, wo es wirklich sehr spannende Momente gibt und wo Menschen Erlebnisse haben. Ich höre oft von sehr vielen Menschen in Wien, die sagen, wenn ich am Brunnenmarkt bin, fühle ich mich wie im Urlaub. Urlaubsgefühle in der Stadt, meine Damen und Herren! In welcher Stadt finden Sie das sonst? Sie brauchen gar nicht weit wegzufahren, Sie brauchen nicht viel Geld auszugeben, Sie brauchen keine Abgase zu produzieren, Sie brauchen nur in die Straßenbahn einzusteigen und zum Brunnenmarkt fahren, dann fühlen Sie sich wie im Urlaub! Genauso am Naschmarkt, aber auch auf etlichen Märkten in dieser Stadt. Diese Märkte sind ein Spiegelbild auch der Interkulturalität unserer Stadt. Da sind mehrere Kulturen in diesen Märkten nebeneinander, stehen nebeneinander und leben miteinander. Wir finden auch eine ganz große Normalität in dieser Stadt, weil hier sehr viele Sprachen auch miteinander gesprochen werden. Die Vielfältigkeit unserer Stadt erleben wir in diesen Märkten, die Sprachenvielfalt. Und diese Vielfältigkeit ist schon längst eine Normalität in unserer Stadt. Sie ist keine Bereicherung, sie ist nicht etwas Fremdes, sie ist nicht etwas Verwerfliches, Sie ist mittlerweile aber auch besonders hervorzuheben, weil wir eine Normalität geworden sind, weil wir hier in unserer Zusammensetzung eine Normalität geworden sind.
Mit Verlaub, Frau Vorsitzende und meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass diese Normalität hier sehr viele MagistratsmitarbeiterInnen widerspiegeln und vielfältig sprechen. Wenn Sie mir erlauben, würde ich mich zunächst einmal bei allen MitarbeiterInnen, die für einen reibungslosen Ablauf des Gemeinderates hier sorgen, bedanken. Aber um dieser Normalität Ausdruck zu verleihen, würde ich mich mit Ihrer Erlaubnis bei einer Person, beim Herrn Özcan, Stützpunktleiter in diesem Gemeinderat, auf Türkisch bedanken wollen: „Sayin Özcan size belediyemiz adina tesekkür ederim.“ Danke, dass Sie sich das angehört haben.
Kommen wir zum Herrn Jung, zu Neukölln. Herr Jung, die Qualität der Vergleichbarkeit - ich habe Vergleichende Politikwissenschaft studiert - muss auch von ähnlichem Rahmen gegeben sein, damit sie stattfinden kann. Neukölln hat ungefähr 300 000 Einwohner (GR Mag Wolfgang Jung: 370 000!) und eine Arbeitslosigkeit von ungefähr 21 Prozent, wobei die Arbeitslosigkeit bei den MigrantInnen bei 27 Prozent liegt. (GR Mag Wolfgang Jung: Na, dann lesen Sie einmal die Zahlen nach! Da kommen Sie auf 70 bis 80 Prozent!) Moment einmal. Es gibt ein Nord-Süd-Gefälle in der Stadt und Verschiebungen. Immer mehr Menschen aus dem arabischsprachigen Raum kommen in den Norden herein und verdrängen die Türken und Türkinnen, nicht verdrängen, sondern die Türken und Türkinnen, die aufsteigen, ziehen dann in den reichen Süden. Das ist ein politisch-ökonomischer, sozialer Prozess und nicht ein ethnischer Prozess, wenn man es so sehen will. Das heißt, umso mehr Aufstiegschancen beziehungsweise umso mehr Wege geöffnet werden, desto mehr erhöhen sich auch die Aufstiegschancen der Menschen. Dadurch kommen die Menschen auch in bessere Gegenden. Solche Prozesse zu ethnisieren, ist keine Erklärung für den Umstand. Wir haben in Wien zum Beispiel Unternehmen, die aus fast einem Viertel aus ethnischer Ökonomie bestehen. Ich habe mir jetzt nicht ausgerechnet, wie hoch deren Beitrag zum österreichischen Bruttosozialprodukt ist. Das habe ich nicht gemacht. Aber wenn Sie von problematischen Migrantinnen und Migranten reden, dann müssen Sie auch von Migrantinnen und Migranten reden, die für unser Wohlergehen sorgen. (GR Mag Wolfgang Jung: Die gibt es auch, na sicher! Das sind die Integrierten! Das sind ja nicht die Problemfälle!) Daher, denke ich mir, macht es wenig Sinn, wenn Sie nur die problematische Seite eines Bildes zeigen. Weil es Nationalsozialisten in Österreich gibt, weil es Rechtsradikale in Österreich gibt, weil es ewig Gestrige in Österreich gibt, sage ich auch nicht, alle Österreicher sind Neonazis, alle Österreicher sind ewig Gestrige. Ein Teil der Österreicherinnen und Österreicher sind ewig Gestrige, das sage ich, und bei den MigrantInnen sage ich auch, ja, da gibt es Problemfelder. Aber ich sage nicht, die MigrantInnen sind das Problem. (GR Mag Wolfgang Jung: Aber es ist ein unverhältnismäßig hoher Prozentsatz! – Aufregung bei der FPÖ.) Ich sage nicht, die Österreicher und Österreicherinnen sind das Problem. Dafür reicht meine Analysefähigkeit nicht. Das ist der Unterschied zwischen beiden Fraktionen. Das ist der Unterschied zwischen einer dogmatisch-nationalen Einstellung
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