Gemeinderat, 29. Sitzung vom 19.11.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 73 von 108
kauft. Wir sind jetzt schon beim vierten ausverkauften Kraftwerk, und das fünfte ist derzeit da.
Was können wir daraus lernen? – Daraus können wir lernen, dass die Menschen nicht zuletzt auf Grund der Finanzkrise sensibel geworden und bereit sind, in eine der sichersten Anlageformen – und dahin geht jetzt mein Vorschlag –, in Immobilien, also in Häuser, zu investieren.
Ich bitte jetzt jene, die über Ökonomie ein bisschen Bescheid wissen, darüber nachzudenken, was der Hauptkostenfaktor von Wohnungsneubau ist. – Es sind dies die Kapitalkosten. Je günstiger man Geld bekommt, um desto billigere Mieten kann man Wohnraum bereitstellen. Dafür gibt es bereits einige Modelle. Und ich meine, dass es neben dem sozialen Wohnbau, der ausgedehnt und abgesichert werden muss, eine zweite Schiene geben muss, und zwar: Die Stadt Wien bemüht sich, Grundstücke bereitzustellen, und regt über eine Form, über die es vertieft zu diskutieren gilt, an, dass Wienerinnen und Wiener oder Leute aus Niederösterreich sagen: Wir stecken unser Geld in unseren Wohnbau, und das etwa in der Größenordnung eines Sparbuchs oder leicht darüber. Wir gehen vielleicht einen Weg nicht unmittelbar über die Bankenlandschaft, sondern direkt. – Und wenn es uns gelingt, billiges Kapital zu bekommen, und wenn es uns über den Wohnfonds oder über andere Initiativen, auch über die Widmung, gelingt, günstige Grundkosten bereitzustellen, dann garantiere ich Ihnen, dass die 7 EUR plus/minus auch im Neubau möglich sind.
Das heißt: Große Schiene ist der geförderter Wohnbau. Dabei darf man nicht nur in Schwarz oder Weiß denken, also einerseits geförderter Wohnbau, gedeckelt, sozial, und andererseits frei finanziert, vollkommen offen, sondern auch eine dritte Schiene ermöglichen.
Der Herr Stadtrat ist diesen Weg richtigerweise mit der Wohnbauoffensive gegangen. Und ich glaube, wir sollten nachdenken, ob es nicht sehr viel – wie ich es nennen möchte – Bürger- und Bürgerinnengeld gibt und die Leute sagen, bevor wir unser Geld irgendwohin legen, finanzieren wir unsere eigene soziale Wohnbauinfrastruktur. – Darüber sollten wir nachdenken! Ich glaube, dass das möglich ist! Ich glaube, dass sehr viel Geld damit lukrierbar wäre.
Ich habe mir ein bisschen angeschaut, welchen Weg das Land Salzburg mit einem sozialdemokratischen Wohnlandesrat gegangen ist: Dort hat es einen Preis der Europäischen Union dafür gegeben, dass ein ähnlicher Weg gegangen wurde: Es wurde Wohnbaugeld zu rund 1,5 Prozent zur Verfügung gestellt, wobei es Rückflüsse gibt und insofern Wohnraum sehr günstig geschaffen werden kann.
Ich habe extra mit den Wohnbauträgern telefoniert: Es gibt da nämlich einen riesigen Unterschied, ob man einen Zehnjahreszins über die Banken über ungefähr 3,8 Prozent bekommt. 3,8 Prozent sind nämlich ziemlich viel mehr als 2,5 Prozent. Da gibt es wesentliche Unterschiede, die wir im Neubau lukrieren können. – Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir intensiv diskutieren müssen.
Ich habe noch vier Minuten und komme jetzt zu einem zweiten Punkt: Ich muss jetzt mit fünf Rufzeichen sagen, dass das nicht Regierungslinie ist und auch nicht im Regierungsübereinkommen steht. Ich glaube aber, dass wir angesichts dieser Situation, die dramatischer wird, über alles offen diskutieren müssen, auch wenn es eine schwierige Diskussion ist.
In der Tat geht es darum, dass die soziale Frage nicht primär mit dem Neubau, sondern mit dem Bestand gelöst werden muss. Wenn Häuser quasi abgeschrieben sind und günstig zur Verfügung stehen, dann müssen wir verstärkt die Frage stellen: Wie können wir den Wohnungsbestand sozial einsetzen? Und es ist eine große Errungenschaft der Gemeindebauten, dass sie von allen Wohnungen die günstigsten Wohnungen sind und dass etwa, obwohl Lagezuschlag verrechnet werden könnte, dies nicht geschieht.
Ich möchte den Gedanken in die Diskussion mitgeben, ob das gegenwärtige sehr offene Weitergaberecht aus sozialen Gründen wirklich langfristig beibehalten werden kann. Ich verstehe, dass viele Gemeindebaumieter sagen, wir wollen diese Wohnung einmal unserem Neffen oder irgendwem geben. – Ich möchte in Frage stellen, ob das angesichts einer wirklich drängenden sozialen Frage aufrechterhalten bleiben kann, die im Grunde die Wiener Bevölkerung in zwei große Gruppen teilt, nämlich in jene, die eine Wohnung haben, und jene, die eine Wohnung suchen. Diese Kluft wird immer größer. Gleichgültig, ob man jetzt aus Niederösterreich oder aus Deutschland kommt oder in Wien geboren ist: Wer heute eine Wohnung sucht, ist signifikant schlechter gestellt als jemand, der schon eine Wohnung hat. Und je länger jemand eine Wohnung hat, desto günstiger ist sie.
Vor diesem Hintergrund sollten wir meiner Meinung nach sensibel, vorsichtig, mit der notwendigen Zurückhaltung, aber mit einer klaren sozialen Haltung diskutieren. Die 220 000 Gemeindewohnungen sind, wenn sie frei werden, die günstigste Form von Sozialwohnungen. Dabei dürfen wir nicht in Frage stellen, dass wir die Durchmischung in Gemeindebauten aufrechterhalten wollen, dass wir nicht wollen, dass sich dort ausschließlich enge soziale Gruppen aufhalten und damit darüber hinaus Probleme schaffen. Wir müssen auch die Vergabe des sozialen Wohnungsbestands entsprechend gestalten. – Das ist mein zweiter Vorschlag.
Ich schließe eine Minute vor Ablauf meiner Redezeit. Es gibt noch einige wesentliche andere Punkte im Bereich des Wohnbaus zu diskutieren, aber glücklicherweise stehen wir am Beginn der Diskussion und nicht am Ende! Ich möchte jetzt ausdrücklich sowohl dem Herrn Wohnbaustadtrat, aber auch unserer Frau Vizebürgermeisterin danken, die das wesentliche soziale, wirtschaftliche und kulturelle Thema Wohnen an die Spitze der österreichischen Agenda gesetzt haben. Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau GRin Frank. Vorgabe 15 Minuten.
GRin Henriette Frank (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr Vorsitzender! Herr Stadtrat! Meine sehr ge
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