Gemeinderat, 27. Sitzung vom 04.10.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 70
führt werden sollen und werden müssen. Wenn man sich die Unternehmungsgründungen in dieser Stadt anschaut, dann haben wir so durchschnittlich 8 000 bis 9 000 pro Jahr. Wenn man sich hier auch noch anschaut, welche ausländischen Investoren zu uns kommen, dann müssen wir feststellen, dass sich im 1. Halbjahr 2012 49 Headquarters in Wien niedergelassen haben. Wir müssen auch feststellen, und das sind nicht meine Worte, dass Wien die Investitionshochburg in Österreich ist, was diese internationalen Konzerne betrifft, denn von 118 Milliarden sind rund 84 Milliarden nach Wien gewandert, nämlich rund 70 Prozent. Das ist eine Feststellung der Wirtschaftskammer, dass Wien ein erfolgreicher Ort und erfolgreicher Platz ist. Wir werden als Sozialdemokraten den Weg nicht mitgehen, den sie in anderen Ländern gehen, die 55 Prozent, 52 Prozent Jugendarbeitslosigkeit schaffen. Wir werden in Wien diesen Weg nicht mitgehen, der 25 Prozent Arbeitslosigkeit schafft. Wir werden in Wien den erfolgreichen Weg, den wir bisher gegangen sind, weitergehen. Danke. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächste Rednerin hat sich Frau GRin Ing Leeb gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Ing Isabella Leeb (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender! Meine lieben Damen und Herren!
Ich bin ja froh, dass der Herr Kollege Meidlinger wenigstens so nett war, nicht nur über Zahlen und Prozentsätze zu sprechen, sondern auch betont hat, dass es sich immer um Menschen und um Schicksale handelt, die dahinterstehen. Ich glaube, das ist auch das, was heute hier bei dieser Aktuellen Stunde im Zentrum stehen muss. Wenn es für manche vielleicht verwunderlich ist, dass wir dieses Thema gewählt haben, so darf es deswegen schon nicht verwunderlich sein, weil es sich um 9,2 Prozent, das ist eine abstrakte Zahl, das sind 105 000 Menschen, handelt. Damit man sich, und ich bin nun einmal so ein Freund von Bildern, das genau vorstellen kann, und das ist vielleicht für euch auch interessant: 105 000 Menschen, das ist ungefähr so, als wäre die Leopoldstadt oder Ottakring, der gesamte Bezirk, arbeitslos. Das ist schon eine ganze Menge. Das ist schon etwas, worauf man nicht stolz sein darf, denn dahinter stehen Menschen und Schicksale.
Es sind sehr viele Leute arbeitslos, auf der anderen Seite suchen Betriebe händeringend nach Mitarbeitern. Der Kollege Meidlinger hat vorhin gemeint, dass die Zahl derer, die die Lehrabschlussprüfung nicht schaffen, steigt und schiebt das den Unternehmen in die Schuhe. Ich werde versuchen, Ihnen heute darzulegen, woran es denn eigentlich wirklich liegt. Es gibt nämlich einen direkten Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Bildung. Beides sind kommunizierende Gefäße. Wenn ich beim einen nichts einfülle, kann beim anderen am anderen Ende nichts rauskommen. Das ist nicht zu leugnen, das ist Fakt und das kann man auch nicht wegleugnen und auch nicht mit Hochglanzbroschüren wegreden. Es hat diese Woche ein sehr interessantes Interview mit dem AMS-Chef Kopf gegeben, der im Zusammenhang mit Bildung und den hohen Arbeitslosenzahlen Folgendes gesagt hat, und bitte hören Sie gut zu: „Das AMS muss als Reparaturanstalt für das Schulsystem herhalten.“ Und jetzt brauchen wir uns nicht auf den Bund auszureden, auf die Weltverschwörung, auf irgendwelche Koalitionen in der Vergangenheit, denn die Faktenlage in Wien ist ja eine eindeutige: Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen in Wien haben gar keinen oder nur Pflichtschulabschluss und der Bereich gehört ja wirklich in den Kompetenzbereich Wiens. Pflichtschulen sind Wiener Kompetenzbereich. (Beifall bei der ÖVP.) Weit mehr als die Hälfte der Kunden beim AMS haben nur Pflichtschulabschluss. Ich möchte es nur noch einmal sagen: Je höher die Ausbildung, desto geringer die Gefahr, auch wirklich dauerhaft arbeitslos zu sein. Schauen wir uns an, was in diesem Pflichtschulbereich in Wien zur Zeit passiert. Wir haben noch immer in Wien, auch wenn man das Gegenteil behauptet, tausende Kinder, die eingeschult werden, obwohl sie dem Unterricht nicht folgen können. Wir haben in Wien noch immer 8 000 Schüler, die als außerordentliche Schüler in den Schulen sitzen und damit überhaupt keine Zukunftsperspektiven haben. Wir haben in der Schulsozialarbeit noch immer ein beschämendes Flickwerk, das schlichtweg überfordert ist. Wir haben in Wien, wir haben es gestern gehört, über 300 Lehrer angestellt, die nicht einmal noch mit ihrer Ausbildung fertig sind. Und Sie wollen mir erklären, die Unternehmen sind schuld, dass die Abgänger der Lehrabschlussprüfung die Prüfungen nicht schaffen, wenn das AMS schon sagt, wir sind Reparaturanstalt für das Schulsystem? Die Unternehmer sollen es dann sein, die Unternehmer sollen die Zeche zahlen? Das kann es ja bitte wirklich nicht sein! (Beifall bei der ÖVP.)
Und schauen wir uns an, was die Antwort des Wiener Bildungssystems dieser Tage ist. Also nicht, dass wir uns selber an der Nase packen und sagen, okay, wir haben erkannt, wenn ich nicht in Bildung investiere, und zwar nicht nur in den Schulneubau, sondern in die Qualität, und es geht immer um Qualität im Unterricht, und wenn ich da hergehe und zu Tausenden solche Folder für den „Tag der Wiener Schulen“ verteile (GRin Ing Isabella Leeb zeigt einen Folder.), dann frage ich mich, welchen Mehrwert hat das für die Bildung in Wien und welchen Mehrwert hat das für den Schulstandort in Wien und damit für den Wirtschaftsstandort? Und welchen Mehrwert hat das für 105 000 Arbeitslose in dieser Stadt?
Und wir brauchen uns auch überhaupt nicht mit anderen Bundesländern zu vergleichen. Es reicht mir, dass wir wissen, ganz Ottakring, im übertragenen Sinn, ist arbeitslos. Es genügt nicht, die Verantwortung abzuschieben. Das Desaster im Wiener Pflichtschulsystem kann man nicht weginserieren. Die Tragweite des Desasters ist Ergebnis Ihres Tuns. Und das Desaster im Pflichtschulsystem können Sie auch Monat für Monat an den steigenden Arbeitslosenzahlen ablesen und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben einzig und allein Sie zu verantworten und das ist sehr traurig und beschämend! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich der GR Dipl-Ing Margulies zum Wort
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