Gemeinderat, 25. Sitzung vom 27.06.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 89
Genossenschaften damit einverstanden waren. Aber zu deren Rolle komme ich ohnehin noch.
Zum Vertrag gibt es einen Sideletter, das haben wir auch schon gehört, mit Modifikationen zum Baurechtsvertrag, die nicht im Vertrag selbst stehen. Man wird schon wissen, warum sie nicht im Vertrag selbst stehen. Es ist auch heute schon angerissen worden.
Wenn nämlich der Bauzins nicht an die Mieter weiterverrechnet werden kann, es gibt ja in dieser Hinsicht keine höchstgerichtliche Entscheidung, dann braucht die Bauberechtigte, das ist die jeweilige Genossenschaft, an die Gemeinde Wien nichts zu bezahlen. Das darf und kann natürlich niemals sein und muss unter allen Umständen verhindert werden. Daher werden die Genossenschaften alles unternehmen müssen, um dies zu verhindern. Das bedeutet, die Genossenschaften verpflichten sich, damit bis zum Obersten Gerichtshof, bis zu den Höchstgerichten zu gehen. Und auch für mich stellen sich die Fragen: Bedeutet das, dass man sich vielleicht nicht klar darüber ist, ob die Verträge überhaupt rechtskonform sind? Könnte es sein, dass die neuen Verträge vielleicht gar nicht halten, dass die neuen Verträge gekippt werden? Muss man hier vorbeugen, weil das Ganze sich doch nicht so im Recht befindet, wie man glaubt?
In den neuen Verträgen ist nicht bedacht, dass die Siedlerinnen und Siedler ihre Häuser auf eigene Kosten mit eigenen Händen selber gebaut haben und dass das überhaupt nicht vergleichbar ist, schon gar nicht mit Gemeindewohnungen, aber auch nicht mit den Siedlungshäusern der Gemeinde Wien, die schlüsselfertig übergeben werden, wo für den Erhaltungsaufwand die Gemeinde Wien zuständig ist. Das ist eine völlig andere Situation. Die Kosten für die Siedler sind ja bei ihren Siedlungshäusern wesentlich höher als bei den Siedlungshäusern der Gemeinde Wien. Das alles hat beim Abschluss dieser Verträge keinen Menschen interessiert.
Die Siedler sind die Verlierer. Mit ihnen ist auch seitens der Gemeinde Wien nicht geredet worden und schon nicht einmal ein Vertrag abgeschlossen worden. Davon ist überhaupt keine Rede. Gesprächsverweigerung, Drüberfahren durch die Gemeinde, so läuft es in Wien.
Es ist übrigens nicht so, Herr Kollege Stürzenbecher, wie es auch in den Medien zu lesen war, dass alle Siedler mit den neuen Verträgen einverstanden sind. Wunderbar ist alles, eine kleine Gruppe vielleicht, das berühmte kleine gallische Dorf, das gegen das römische Imperium, in unserem Fall die Gemeinde Wien, halt wagt, aufzubegehren. Das ist nicht so, denn mir sind verschiedene Berichte zu Ohren gekommen, dass das nicht so sein kann. Wäre nämlich alles so einverständlich, weshalb wurden dann, und ich sage ausdrücklich und ich bitte auch hier, mich richtig zu zitieren, dem Vernehmen nach Siedler überredet worden, die für sie schlechteren und nachteiligen Verträge zu akzeptieren? Vielen Siedlern war tatsächlich, Kollege Stürzenbecher, es ist so, das Auslaufen der Verträge nicht bekannt und nicht bewusst. Sie wurden hier wirklich überfahren. Ich sage jetzt nicht, dass das die Schuld der Gemeinde Wien ist. Das sage ich nicht. Aber möglicherweise war es doch vielleicht ein Versäumnis der Genossenschaften. Und damit bin ich bei der Rolle der Genossenschaften in diesem, ich nenne es Verfahren, der Genossenschaften, mit denen die neuen Verträge ja abgeschlossen werden, denn mit den Siedlern selber hat sich ja niemand auseinandergesetzt.
Die überwiegende Mehrzahl der Funktionäre der von mir genannten Genossenschaften sind treue, sozialdemokratische Gefolgsleute, die, und das ist mein persönlicher Eindruck, alles abgenickt haben, gehorsam abgenickt haben, was die Gemeinde vorgegeben hat. Mit der Annahme der Verträge stellen sich die Genossenschaften nicht hinter die Siedler, sie stellen sich gegen die Siedler und Siedlerinnen, für die sie eigentlich da sein sollten. Sie haben hier eine Rolle gespielt und ein Gesicht gezeigt, das mir überhaupt nicht gefällt. Diese Haltung ist für mich unverständlich und sie ist geradezu unverantwortlich den Siedlerinnen und Siedlern gegenüber. Ich weiß aus zahlreichen Mitteilungen von Siedlern, dass es Genossenschaften gibt, die im Umgang mit ihnen äußerst unkooperativ sind, ich formuliere das jetzt sehr vorsichtig, und die bei Beanstandungen kaum oder gar nicht reagieren. Vielleicht war es in diesem Sinne und dies bedenkend gar nicht anders möglich und ein anderes Verhalten der Genossenschaften hier auch gar nicht zu erwarten. Richtig und vertretbar ist dieses Verhalten trotzdem nicht.
Noch ein Punkt: In den Verträgen gibt es keinerlei Kaufoption für die Siedler. Seinerzeit hat, das ist heute schon genannt worden, der ehemalige Stadtrat Faymann eine Kaufmöglichkeit noch zugesagt oder zumindest zugestanden. Heute will niemand mehr etwas davon wissen, wieder die Nichteinhaltung eines Versprechens. Es scheint so zu sein, wenn ein Sozialist was sagt, ist es für den anderen das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich komme ohnehin schon zum Schluss. Die Verträge sind ungerecht, sie sind ungerechtfertigt und sie müssen meiner Meinung nach vollkommen neu ausverhandelt werden. Diesmal mit direkter Einbeziehung der Siedlerinnen und Siedler, um den Ruin vieler von ihnen noch abzuwenden. Die Erhöhung dürfte maximal so weit gehen - und niemand, meine Damen und Herren, hat je gesagt, es soll nie eine Erhöhung geben. Das hat überhaupt nie jemand gesagt. Aber eine moderate Erhöhung vielleicht in der Höhe, wie sie im Schreiben der Siedlungsunion vom April 2010 zugesagt worden ist. Man muss auf jeden Fall danach trachten, dass das Erbrecht zu 100 Prozent beibehalten wird. Ich meine damit, mit dem gleichen Baurechtszins für die Erben. Und man muss danach trachten, dass es die Möglichkeit eines Kaufes gibt, also eines Eigentumerwerbs.
Ich ersuche Sie alle sehr dringend, meine Damen und Herren von der SPÖ, dem Abschluss dieser Verträge hier im Gemeinderat nicht zuzustimmen. Tun
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