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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 107 von 125

 

Stadt gerne. Für 50 Millionen erklären wir den Wienerinnen und Wienern, dass alles klass und leiwand ist. – Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: Schön langsam kommt auch der – wie ich jetzt einmal sagen möchte – Schlichteste drauf, dass es nicht reicht, wenn man Tag für Tag über die Zeitungen ausgerichtet bekommt, dass alles super ist. Die Leute, die hier leben, die Wienerinnen und Wiener und wir alle merken nämlich, was nicht funktioniert. Dabei wollen wir jetzt gar nichts schlechtreden. Ich meine aber, man kann man sich etwas Besseres einfallen lassen, als in Zeiten, in denen wir das Geld dringend brauchen, 50 Millionen, abgesehen von allen anderen zusätzlichen Kampagnen, in Werbung zu investieren. Wir können dieses Geld anderswo wirklich besser brauchen, und deswegen stellen wir den Beschlussantrag:

 

„Der Wiener Gemeinderat spricht sich für die ersatzlose Streichung der Mittel für Inserate und Werbung in den einzelnen Geschäftsgruppen aus, sowie für die Zentralisierung der diesbezüglichen Ausgaben im Budget des PID. Das Budget des PID soll überdies signifikant gekürzt werden.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Herrn Bürgermeister verlangt.“ (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die GRÜNEN waren sehr frech, als sie in die Regierung gekommen sind. Das Einzige, was sich inzwischen geändert hat, ist aber, dass die Inserate jetzt grün und nicht mehr rot sind. Ob sie deswegen besser sind, bleibt aber dahin gestellt.

 

Zum Schluss möchte ich noch auf etwas eingehen, was mir persönlich heute am Vormittag ein bisschen weh getan hat, und zwar hat es mir deswegen weh getan, weil ich weiß, dass gerade Herr Klubobmann Schicker ausgezeichnete Kontakte zur Wirtschaft hat, und ich ihn so eigentlich nicht kenne.

 

Wolfi Aigner hat in seiner Rede angesprochen, dass die Wirtschaft Unterstützung bräuchte. Herr Klubobmann Schicker hat gemeint, dass gerade in der Wiener Wirtschaft Ausbildungsplätze für Lehrlinge nur mehr funktionieren, wenn es auch Förderungen gibt, aber nicht einmal dann ausreichend Arbeitsplätze für Lehrlinge zur Verfügung gestellt werden. (GR Dipl-Ing Rudi Schicker: Das ist falsch! Das ist inhaltlich falsch!) Ich habe mir das Protokoll ausdrucken lassen! (Zwischenruf von GRin Mag (FH) Tanja Wehsely.) Ja, ich sage Ihnen das! (Zwischenruf von GR Dipl-Ing Rudi Schicker.) Hier habe ich es! Das ist Ihr Wortprotokoll. Das haben Sie gesagt. (GR Dipl-Ing Rudi Schicker: Ich stehe dazu!)

 

Ich sage Ihnen jetzt, wie es in Wien ausschaut. Ich sage Ihnen, dass wir zum Stichtag 19.3.2012 in Wien 19 267 Lehrlinge haben und sich 3 508 davon in überbetrieblicher Lehrlingsausbildung befinden. (GR Dipl-Ing Rudi Schicker: Ja!)

 

Herr Schicker! Das Beste, was es für uns gibt, ist, dass die Betriebe ausbilden! Viele Betriebe bilden aus. Viele Betriebe können aber nicht mehr ausbilden – und ich habe es selbst erst vor einem Monat wieder erlebt –, weil der Bildungserfolg der Pflichtschulabgänger in Wien schlichtweg eine Katastrophe ist. Diejenigen, die besser sind, drängen in die höheren Schulen. Und die armen Schweine – ich sage das jetzt ganz bewusst so –, die in Ihrer Zwei-Klassen-Gesellschaft, die sie in der Bildung geschaffen haben, durch den Rost gefallen sind, drängen auf den Arbeitsmarkt, sind aber nicht ausbildungsfähig. (GR Dipl-Ing Rudi Schicker: Menschen fallen nicht durch den Rost! „Durch den Rost Fallen“ ist ein Nazi-Ausdruck!)

 

Die nicht Ausbildungsfähigen können nicht sinnerfassend lesen, sie können nicht rechnen und nicht schreiben. Und ich nenne Ihnen jetzt noch drei Zahlen: Die öffentlichen Mittel für einen Schulplatz pro Kind betragen 8 900 EUR, in einer Lehrwerkstätte kostet der junge Mensch 17 046 EUR, und ein Lehrplatz kostet 5 647 EUR. Daher sollten wir alle miteinander danach trachten, dass wir die Jugend ... (GR Dipl-Ing Rudi Schicker: Frau Leeb! Wo habe ich dann nicht recht? Ich habe gesagt, dass es in Wien keine Ausbildungsplätze gibt, die nicht gefördert werden!) Sie haben nicht recht! Lassen Sie mich ausreden!

 

Es gibt 19 267 Unternehmensausbildungsplätze, und diese bekommen eine Förderung. (Zwischenruf von GR Dipl-Ing Rudi Schicker.) Ja! Aber hören Sie mir zu! Ich wiederhole: Ein Lehrplatz kostet 5 647 EUR, ein überbetrieblicher Ausbildungsplatz kostet 17 046 EUR. Wieso schauen wir nicht, dass die Bildung in Wien funktioniert? Wieso haben Sie eine Zwei-Klassen-Bildung zugelassen? Wieso gibt es hier keine Gerechtigkeit für die Kinder? (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wieso können sich die, die es sich leisten können, gute Bildung in Privatschulen kaufen, und wieso sind die anderen auf das öffentliche System angewiesen? (Zwischenruf von GR Dipl-Ing Rudi Schicker. – Weitere Zwischenrufe und ironische Heiterkeit bei der SPÖ. )

 

Herr Schicker! Noch einmal: Ein Lehrplatz in einem Betrieb kostet 5 647 EUR, ein überbetrieblicher Ausbildungsplatz kostet 17 046 EUR. (Zwischenruf von GR Dipl-Ing Rudi Schicker.) Ja, und die überbetriebliche Ausbildung ist voll öffentlich bezahlt, in jedem Betrieb, und das ist gut so, weil wir auch Bildungsaufgaben übernehmen! (GR Dipl-Ing Rudi Schicker: Nichts anderes habe ich gesagt! Sie bestätigen meine Aussage! Danke, dass Sie mich bestätigen!) Ich zeige Ihnen aber auf, dass wir alle danach trachten müssen, die Unternehmen zu stärken und nicht die überbetriebliche Ausbildung! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Jetzt komme ich noch einmal zurück zur Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Bildung. Ihr Parteivorsitzender im Bund hat vor zwei Jahren inseriert: „Es ist Zeit für Gerechtigkeit.“ – Ich sage Ihnen jetzt aber, wie die Gerechtigkeit in der Bildung ausschaut: Einige können sich in Wien gute Schulen leisten, nämlich private Schulen. Diejenigen aber, die sich das nicht leisten können, sind auf das öffentliche Bildungssystem angewiesen. Und das ist nicht Gerechtigkeit, sondern das ist traurig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Wir werden dem Rechnungsabschluss nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Wurzer. Ich erteile es ihr.

 

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