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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 108 von 125

 

GRin Mag Martina Wurzer (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geschätzte Vorsitzende! Lieber Herr Stadtrat! Liebe Gemeinderätinnen und Gemeinderäte!

 

Jede Diskussion über Bildung ist mehr oder weniger ein offenes Selbstgespräch der Gesellschaft darüber, wo sie steht, woher sie kommt und wohin sie will. – Unser Bildungssystem teilt Zehnjährige in Privilegierte und Chancenlose ein. An diesem Punkt stehen wir. Sämtliche Studien und Expertisen weisen darauf hin, dass durch die frühe Selektion im österreichischen Schulwesen die Begabungsreserven bei Weitem nicht ausgeschöpft werden und Kinder aus bildungsfernen Schichten benachteiligt werden. Hier müsste es eine bessere Ausstattung mit ausgebildeten PädagogInnen, SozialpädagogInnen, mit SchulpsychologInnen und so weiter geben. Und vor allem müsste ein architektonisches Umfeld geboten werden, in dem es für Lernen und Spielen geeignete Räume gibt.

 

Doch statt einen dringend notwendigen Gesamtentwurf für ein komplett neues Bildungssystem in Österreich vorzulegen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf Placebos, etwa auf neue Türschilder an Hauptschulen und erhöhte Strafen fürs Schulschwänzen. Sehr viel weiter kommen wir allerdings nicht mit diesen kleinsten Schritten, über deren Sinnhaftigkeit man außerdem auch diskutieren könnte.

 

Wir plädieren in jeder Debatte, die wir über Bildung führen, dafür – das ist immer wichtig zu betonen –, dass Bildung möglichst früh beginnt, dass wir mit Bildung ab dem frühen Kinderalter ansetzen müssen, dass also der Kindergarten eine Bildungseinrichtung und keine bloße Betreuungseinrichtung ist.

 

Wir haben das im Jahre 2011 in der rot-grünen Regierung auch in Zahlen gegossen, dass nämlich 590 Millionen EUR für die Erneuerung und den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen ausgegeben werden. Damit wurden in den letzten Jahren – die Frau Finanzstadträtin hat es heute schon betont – an die 6 500 neue Plätze im Kindergartenbereich geschaffen. Vor allem liegt uns aber an dem Ausbau der Betreuung für Null- bis Dreijährige. Der Stadtrat verweist in diesem Zusammenhang immer wieder auf das Barcelona-Ziel, laut welchem 33 Prozent Abdeckung bei den Null- bis Dreijährigen ein gutes Ziel ist, und davon sind wir nicht mehr allzu weit entfernt: Wir liegen derzeit bei 30 Prozent.

 

Ganz wichtig zu betonen ist das möglichst frühe Ansetzen von Sprachförderung im Kindergarten. Auch diesbezüglich haben wir mit der Bundesregierung schwer gerungen, vor allem hat der Herr Stadtrat mit der Bundesregierung schwer gerungen, diese 15a-Vereinbarung weiter laufen zu lassen beziehungsweise diese 15a-Vereinbarung auf jeden Fall zu verlängern, weil der Schritt zum verpflichtenden Kindergartenjahr ein sehr wichtiger war und auch von Bund und Ländern gemeinsam mit 15a-Vereinbarungen beschlossen wurde und weiter vorangetrieben wird. Das kann aber nicht der einzige Schritt bleiben. Wenn man diesen Schritt schon setzt, dann muss selbstverständlich auch der Ausbau von Sprachförderung möglichst früh sichergestellt werden, und genau das ist mit dem erneuten Aufleben – wie ich es jetzt einmal ausdrücken möchte – der 15a-Vereinbarung über die frühe Sprachförderung dann auch gelungen. Wir hätten und haben das in Wien eh immer zur Verfügung gestellt, das heißt, auch 2011 wurden die Finanzen für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und auch für die sprachliche Frühförderung sichergestellt. Wir waren aber vom budgettechnischen Standpunkt sehr froh, dass der Bund dann doch noch zu seinen Zusagen gestanden ist.

 

Wir GRÜNE setzen auf und arbeiten an einer Kultur von Individualisierung und Zusammenarbeit. Diese ist in Österreich aber leider noch etwas schwach entwickelt, und das darf uns auch nicht wundern, denn ein Schultag läuft ungefähr so ab, dass kurz vor acht die Klassenräume geöffnet werden und dann in 50-minütigen Einheiten vor allem Frontalvorträge gehalten werden. Alle Kinder und Jugendlichen sollen im gleichen Tempo den gleichen Weg in den gleichen Schritten zurücklegen. Alle haben recht wenig Zeit, dennoch herrscht sehr viel Langeweile an österreichischen Schulen.

 

Diesbezüglich soll es eigentlich – wie ich sagen möchte – eine völlige Trendumkehr geben. Wir müssen zu der Einsicht gelangen, dass die Pfade des Verstehens etwas verschlungener sind, als das ein Frontalunterricht sozusagen widerspiegeln kann, und dass Frontalunterricht dem nicht gerecht werden kann. Es muss vorbei sein mit der sogenannten Osterhasenpädagogik, bei welcher die PädagogInnen das Wissen verstecken und die Kinder und Jugendlichen das Wissen suchen sollen. Damit soll Schluss sein!

 

Jedes Kind hat seinen eigenen Rhythmus. Die Verschiedenheit von Menschen ist ein Vorteil. Das darf keinesfalls als Nachteil gesehen werden. Deshalb setzen wir in Wien auf das Modell der Mehrstufenklassen, auf Lernen in altersgemischten Gruppen, auf viel Platz zum gemeinsamen Austauschen und zum Voneinander- und Miteinander-Lernen. Wir GRÜNE wollen Schulen, die Lebensorte sind, in denen man sich Zeit nimmt, in denen Kinder und Jugendliche sich wohlfühlen und mit Freude lernen.

 

Der bittere Ernst des Lebens fängt an: Davon ist häufig die Rede, wenn Kinder in die Schule kommen oder eingeschult werden. – Das ist ein Zugang, der mir sehr leid tut. Dieser muss wohl – wie ich glaube, ich kann es mir nicht anders erklären – auf den eigenen Erfahrungen beruhen, die wir alle in der Schule mitgenommen haben. Die Mär hält sich recht konstant, dass das Lernen mit Versagensängsten verbunden sein muss, dass es spaßfrei vor sich gehen und weh tun muss. Diese Mär hält sich leider extrem hartnäckig, was, wie gesagt, meiner Meinung nach damit zu tun hat, dass wir alle selbst mehr oder weniger gute Erfahrungen in der Schule gemacht haben und daraus diese Erkenntnisse ableiten.

 

In Wirklichkeit geht es aber darum, Kindern Platz und Zeit zu verschaffen, um zu forschen, zu entdecken, zu spielen, und das abwechselnd über den ganzen Tag verteilt, Stichwort ganztägige Schulen und verschränkter ganztägiger Unterricht. Die SchülerInnen sollen über den

 

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