Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 102 von 125
Nur, da muss man schon auch sehen, dass es in Europa wohl keine einzige Metropole gibt, wo nicht das Thema der Zuwanderung und der Integration an der Tagesordnung und an der Spitze der öffentlichen Debatte steht. Meistens werden diese Debatten auch sehr, sehr emotional geführt. Genau aus diesem Grund geht es uns ganz stark um Versachlichung, geht es uns um Versachlichung auch von Bildern, die immer wieder geschürt werden und wo ich immer wieder merke, dass es sehr kontinuierlich den Versuch gibt, Ressentiments und Vorurteile weiter zu bedienen, weiter in unserer Debatte hier auch einzubringen, auch hier gerade mit Bildern einzubringen.
Das ist heute auch wieder passiert, indem ganz stark auf das Thema Zuwanderung, Integration und Kriminalität fokussiert wurde. Da möchte ich gerne sagen, es wird niemanden in dieser Debatte weiterbringen, wenn wir ewig und immer diese Verquickung mit Sicherheit und Kriminalität selbst herbeiführen. Ich glaube, erfolgreich wird diese Stadt dann sein, wenn sie auf die Vielfalt setzt, wenn sie sich letztendlich auch dagegen ausspricht, permanent aus der Defizitlage heraus zu diskutieren, und wenn wir dieses Thema sachlich, aber anhand von Potenzial und Vielfalt letztendlich abhandeln.
Wir bemühen uns darum, und genauso ist es auch wichtig, darzustellen, dass sich natürlich auch 2011 viel getan hat in der gesamten Ab- und Zuwanderung in unserer Stadt. Hier auch zur Versachlichung dargestellt: Die Abwanderung von Wien steigt, die Zuwanderung sinkt, das heißt, wir haben einen absolut veränderten Saldo. Und die Zuwanderung, mit der wir konfrontiert sind, die unsere große Herausforderung ist, kommt aus der Europäischen Union. Die Spitzenreiter sind da im Übrigen auch im Jahr 2011 einmal mehr die Deutschen gewesen.
Ohne Zweifel ist es so, dass wir uns auch damit auseinandergesetzt haben, gerade zur Versachlichung den Weg über die Zuwanderungskommission gewählt haben, die auch die Wanderungs- und Migrationsströme ganz genau beleuchtet hat und gemeint hat: Wir müssen uns der EU-Zuwanderung widmen. Das müssen wir auf der einen Seite strukturell und organisatorisch im Einwanderungsbereich der MA 35. Das müssen wir aber auf der anderen Seite auch in unseren integrationspolitischen Maßnahmen. Daher haben wir die von GR Hursky dargestellten Programme in „Start Wien“ im Jahr 2011 auch ausgedehnt auf die EU-BürgerInnen.
Es geht um den Wettbewerb der besten Hände und Köpfe, so wie wir ihn immer beschreiben, und dafür hat die Zuwanderungskommission gut gearbeitet. Sie wird ja auch von drei Parteien in diesem Haus getragen. Sie hat einige Maßnahmenpakete geschnürt, die wir gerade sehr, wie soll ich sagen, konstruktiv, aber auch vehement abarbeiten. Und sie wird sich gerade auch im heurigen Sommer weiter damit auseinandersetzen, welche Maßnahmen die Stadt setzen soll.
Was im Zusammenhang mit der Versachlichung und der Zuwanderungskommission vielleicht auch noch erwähnt sein soll, ist, dass wir natürlich auch immer mit den rechtlichen Fragen des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechtes und des Staatsbürgerschaftsrechtes konfrontiert sind. Hier fordert die Stadt den Bund auf, ein modernes Zuwanderungsgesetz zu gestalten, endlich das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz entsprechend zu novellieren, wie es damals auch zugesagt wurde.
Warum wollen wir das? Uns geht es einfach darum, dass wir ein Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht haben, das auf der einen Seite sehr transparent und nachvollziehbar ist für alle, egal, ob sie zugewandert sind oder seit Generationen hier in dieser Stadt leben. Ein modernes Recht, das nicht nur transparent ist, sondern das auch eine Haltung einer Stadt, eines Landes zeigt, nämlich letztendlich auch eine Willkommenskultur widerspiegelt und nicht allen signalisiert - egal, ob sie schon länger hier leben, auch schon hier arbeiten und sich hier voll eingebracht haben -, dass sie bestenfalls geduldet sind. Auch das verstehe ich entsprechend unter Versachlichung.
Weiters zur Versachlichung möchte ich gerne sagen - und da werden Sie über 2 000 Wienerinnen und Wiener, ich glaube, es sind mittlerweile schon fast 3 000, um da bei den aktuellen Zahlen zu sein, über 300 PartnerInnen davon überzeugen -, dass dieses Projekt der Wiener Charta ein sehr erfolgreiches ist. Wir haben es nicht abgeschlossen, es ist ein Projekt des Jahres 2012, aber lassen Sie mich auch hier beim Rechnungsabschluss 2011 dazu sagen, dass wir uns in der Stadt natürlich sehr intensiv damit auseinandergesetzt haben: Wie kann denn das Zusammenleben in dieser Stadt gut funktionieren? Wie können auch die Wienerinnen und Wiener im Dialog einen Beitrag dazu leisten, konstruktiv dazu leisten, dass sich das Zusammenleben letztendlich wertschätzend und respektvoll gestalten kann?
Es ist daher ein ganz großes Solidaritätsprojekt, und es ist ein Projekt, an dem sich sehr, sehr viele Menschen beteiligen: 227 Gruppen, über 100 noch weitere sind angemeldet, bis zum 14. Oktober können die Wienerinnen und Wiener sich einbringen. Das tun sie auch, und am spannendsten sind die Debatten, wo Gruppen zusammenkommen, die sehr wohl sehr unterschiedliche Interessen mitbringen in der Auseinandersetzung zu den einzelnen Themen, die wir in der Charta ausgewählt haben. Das sind sowohl Gruppen, wo Debatten stattfinden zwischen den Generationen, aber es sind selbstverständlich auch Gruppen, wo Debatten stattfinden zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und deren Bedürfnissen. Und das Schöne ist: Die liegen gar nicht so weit auseinander, weil es eben einfach um Respekt und um Wertschätzung geht.
Daher ist dieses Projekt ein sehr, sehr erfolgreiches Projekt, weil es eben auf einer ganz anderen Haltung basiert. Denn das kann man sagen in der Integrationspolitik, dass wir den Herausforderungen im Umgang mit diesem Thema gut gewachsen sind und dass wir nicht nur hier in Wien sehr konsequent arbeiten und uns gut gerüstet haben. Wir haben hier in Wien auch eine gute Expertise aufgebaut, und wir wissen, nicht nur
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