Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 125
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zur Verfügung. Wir setzen auf Green Jobs, wir setzen auf Voll- und Vollzeitbeschäftigung, und das ist wichtig. Wie Frau VBgmin Brauner schon gesagt hat, setzt Wien auch in Zeiten des europaweiten Sparens auf Wachstum und Beschäftigung, denn Wachstums- und Beschäftigungsförderung sind Voraussetzungen für eine sinnvolle, nachhaltige und sozial verträgliche Haushaltskonsolidierung. Das ist in den Leitlinien des Regierungsübereinkommens des rot-grünen Wien und in dessen praktischer Politik enthalten.
Und das ist auch sehr notwendig. Frau VBgmin Brauner hat es angesprochen: Es gibt so viele Arbeitslose wie noch nie europaweit. Österreich steht relativ gut da, Wien noch besser. Wir sind relativ gut im Vergleich zu anderen Bundesländern, was die Krisenbewältigung betrifft. Das ist wahrscheinlich oder ganz sicher auch eine der Folgen der aktiven Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik und der Maßnahmen des WAFF, der ein österreichweit und eigentlich europaweit einzigartiges Instrumentarium kommunaler Arbeitsmarktpolitik ist.
Europaweit ist die Situation allerdings wirklich alarmierend, und deshalb brauchen wir so dringend den schon erwähnten Wachstums- und Beschäftigungspakt. Wir haben in Wien erst kürzlich den territorialen Beschäftigungspakt geschlossen, was ein guter auch formal-struktureller Ansatzpunkt ist.
Wir verzeichnen jetzt den höchsten Stand an Arbeitslosigkeit in Europa seit 1997. EU-weit sind 25 Millionen Menschen arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit beträgt über 10 Prozent, und vor allem die Jugendarbeitslosigkeit ist alarmierend. Frau VBgmin Brauner hat es schon angesprochen. Jugendliche sind besonders von der europäischen – wie ich fast sagen möchte – Austeritätspolitik betroffen. Sie sind die großen Verlierer und Verliererinnen dieser Krise. Meine Damen und Herren! Es gibt 5,5 Millionen arbeitslose Jugendliche in Europa! In Griechenland und Spanien beträgt die Jugendarbeitslosigkeit über 50 Prozent! Über 50 Prozent: Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Über die Hälfte aller Jugendlichen sind in Griechenland und Spanien arbeitslos, in Partnerländern der Europäischen Union, hinsichtlich welcher wir verpflichtet sind, solidarisch zu sein. Deshalb werde ich auch unsere Vorstellungen in unserem Antrag für ein nachhaltiges Wirtschaften und ein solidarisches Europa darlegen.
Es sprechen bereits nicht nur Ökonomen und Ökonominnen, sondern es spricht auch die Internationale Arbeitsorganisation von einer dramatischen Situation und warnt vor sozialen Spannungen. – Ich zitiere den Vizechef der Internationalen Arbeitsorganisation: „Wir laufen Gefahr, eine ganze Generation zu verlieren. Das ist eine Zeitbombe mit einem großen zerstörerischen Potenzial, das zu sozialen Unruhen in Europa führen kann und führen wird.“
Diese Ansicht teilen wir, meine Damen und Herren, und genau deshalb kann man dem rot-grünen Wien nicht vorwerfen, dass wir nicht gegensteuern und einen anderen Weg gehen als die EU mit ihrem einseitigen ausgabenseitigen Kaputtsparen – wie ich fast sagen möchte – mancher Länder. Wir in Wien gehen anders vor, und deshalb werden wir in der nächsten Runde, in der Europarunde, einen entsprechenden Antrag stellen.
Zum WAFF habe ich schon gesprochen.
Herr Kollege Schock! Sie sagen immer, dass wir den Arbeitsmarkt schönreden. – Da haben Sie mir aber bei meinen letzten Reden auch während der Regierungsbeteiligung nicht zugehört! Gerade die GRÜNEN sind es – wie natürlich auch unsere sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen –, die sich sehr wohl dessen bewusst sind, dass wir große Probleme auf dem Wiener Arbeitsmarkt haben, und zwar nicht nur konjunkturelle Probleme, wie wir seit Jahren sagen, sondern sehr wohl auch strukturelle.
Es gibt aber natürlich auch konjunkturelle Probleme, die zum Teil krisenbedingt sind. Die Arbeitslosigkeit steigt, auch in Wien. Exakt gesprochen sind derzeit 103 986 Personen beim AMS arbeitslos gemeldet. Das heißt, über 100 000 Personen brauchen in Wien arbeitsmarktpolitische Betreuung, und zwar auch Personen in Schulungen. Wir waren immer dagegen, dass arbeitsmarktpolitische Kosmetik betrieben wird und nur die offiziell arbeitslos gemeldeten Personen als Zielgruppe für aktive Arbeitsmarktpolitik genannt werden. Vielmehr geht es selbstverständlich um alle Arbeit suchenden und arbeitsmarktpolitische Betreuung benötigende Personen, und das sind jetzt weit über 100 000 Personen.
Ja. Wir haben strukturelle Probleme auf dem Wiener Arbeitsmarkt. Beschäftigung, die die Existenz nicht sichert, ist im Steigen begriffen. Vor allem für Frauen wird Teilzeitarbeit oder auch prekäre Beschäftigung zunehmend zum Normalarbeitsverhältnis. Wir haben seit 2009 steigende Langzeitarbeitslosigkeit und Langzeitbeschäftigungslosigkeit. Wir haben Reallohnverluste. All das gilt natürlich für ganz Österreich, aber wir schauen jetzt insbesondere auf Wien. Und es gibt auch eine ungerechte Verteilung von Arbeit und Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern.
Genau das, meine Damen und Herren von der Opposition, schauen wir uns an, genau damit befasst sich das rot-grüne Wien, nämlich damit, diesen strukturellen Problemen ernsthaft gegenzusteuern. Wir setzen auf existenzsichernde Beschäftigung, auf Vollzeitbeschäftigung bei Frauen und auf – wie ich vorher im Zusammenhang mit dem WAFF erwähnt habe – aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Es reicht uns nicht, mit unseren Strategien nur die Quantität von Beschäftigung oder die Quantität von Arbeitsplätzen zu steigern, sondern wir schauen ganz bewusst auch auf die Qualität der Arbeitsplätze, die wir schaffen wollen, zum Beispiel bei unserer gemeinsamen Green-Jobs-Strategie, die wir derzeit entwickeln.
Das heißt auch – ich verhehle es nicht –, dass Arbeitsmarktstatistiken ein bisschen besser und sinnvoller abgebildet werden sollen. Ich habe schon erwähnt, dass die Zählmethode der EU, also die Eurostat-Methode, nicht gerade geglückt ist. Mit dieser
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