Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 36 von 125
nämlich die Sache EMS. Die diesbezügliche Debatte ist in Österreich spät, aber doch in Gang gekommen. In der Bundesrepublik wird das schon lange diskutiert, und es wird in den Zeitungen nicht nur kursorisch darüber berichtet, sondern es wurde schon massiv festgestellt, was man in diesem Zusammenhang zu erwarten hat.
Ich habe schon gesagt: Das bedeutet einen Abbau demokratischer Verhältnisse in den Mitgliedstaaten oder – besser gesagt – deren Reduzierung auf Bedeutungslosigkeit. Sie bestehen natürlich weiter, werden aber nichts mehr zu reden haben. Wenn daher die Grünen gemeinsam mit der Regierung im Rahmen eines Unterausschusses ein Siebenergremium einsetzen, dann ist das zwar eine schöne Geste, das wird aber keine echte Bedeutung haben, denn der ESM kann – natürlich zumeist mit Einstimmigkeit – einvernehmliche Beschlüsse fassen. Aber es gibt auch Sonderregelungen, durch welche es ermöglicht wird, mit 85-Prozent-Mehrheiten eine Sofortaktion zu Lasten der Finanzen der Staaten zu betreiben. Ich habe jetzt nicht die Zeit, das vorzulesen, aber es wird sich schon einmal ergeben. Und das wird selbstverständlich, wie alles, was niedergeschrieben wird, auch einmal geschehen.
Daher ist es nicht so wichtig, ob die Republik Österreich, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich oder sonst jemand ein Gremium hat, das für die Beschlussfassung da ist, denn im Großen und Ganzen ist der ESM exempt und steht über den Gesetzen. Seine Mitglieder sind, wie wir schon wissen, immun, und auch alles andere ist eigentlich unglaublich. Es ist dies eine Fortsetzung der Entdemokratisierung, wie sie heute in der Europäischen Union üblich ist.
Im „Handelsblatt“ vom 21. Juni, also vor ganz kurzer Zeit, war ein großer Artikel über mehr Demokratie in Europa. Darin wird festgestellt, dass die Strukturen der Europäischen Union von einem Mangel an Mitspracherechten gekennzeichnet sind. – Das wissen wir! – Sämtliche Institutionen mit Ausnahme des Parlaments, das auch ziemlich flügellahm sei, seien keine gewählten Gremien, sondern entsandte oder beschickte. Hinsichtlich der Maßnahmen – siehe ESM, Rettungsschirm für diverse Südstaaten – wird festgestellt: „Selbst wenn diese neuen Maßnahmen zur Rettung des Euros erfolgreich sein sollten: Verlierer ist und bleibt auf jeden Fall das Demokratieprinzip. Die Haftungs- und Gestaltungsmechanismen des ESM überlagern in jedem Falle die demokratischen Rechte der nationalen Parlamente. Erneut droht ein Schritt zu uneingeschränkter Dominanz supranational-exekutivischer Gestaltungshoheit – ein Tatbestand, der unter demokratiestaatlichen Aspekten kaum noch vertretbar erscheint.“
Wir haben in Österreich Höchstgerichte, die sich dazu trotz entsprechender Vorstöße nicht geäußert haben. Gott sei Dank gibt es in ganz Europa ein Gericht, nämlich den Bundesgerichtshof, von welchem das aufgegriffen und das Budgetrecht des Parlaments massiv verteidigt wurde. Die Grünen in Deutschland haben jetzt genau deswegen einen Antrag gestellt und damit auch Erfolg gehabt. Sie haben also früher erreicht, dass nicht nur ein Siebener-, sondern ein Neunergremium zum gleichen Zwecke wie bei uns nicht eingeführt wurde, und es wird jetzt ein Urteil des Bundesgerichtshofs ergehen.
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl (unterbrechend): Ich darf Sie bitten, zum Schlusssatz zu kommen.
GR Johann Herzog (fortsetzend): Ich bin beim letzten Satz.
Es wird ein Urteil ergehen, von dem man ausgehen kann, dass es nicht im Sinne der Regierungen erfolgen wird. Vielleicht besteht da noch eine Chance, gegen gewisse Entwicklungen vorzubeugen und Rechtstaatlichkeit und Demokratie in Europa zu retten! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Ich möchte nur sagen, dass ich mir die Rede von Herrn GR Herzog genau ansehen werde. Ich werde mir auch Ihre Behauptungen betreffend Julius Tandler ansehen, überprüfen, ob ich alles richtig verstanden habe und mir danach ein Urteil bilden.
Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau GRin Dr Vana. Ich erteile es ihr.
GRin Dr Monika Vana (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe mich bei der Generaldebatte jetzt auch zu Wort gemeldet, weil ich die arbeitsmarktpolitische Diskussion ein wenig vertiefen möchte.
Herr Schock hat uns vorgeworfen, dass wir nicht mehr gern über die Arbeitslosenzahlen reden. – Mitnichten! Aber wir sudern nicht nur, wie Sie uns vorgeworfen haben, sondern wir handeln.
Ich finde es auch bedauerlich, dass so wenige Frauen bei der Generaldebatte reden. Das zeigt auch die Bedeutung des Gender Budgeting und all der Gleichstellungsmaßnahmen, die auch Frau Vizebürgermeisterin Brauner heute in ihrer Rede angesprochen hat.
Es bleibt durch meine jetzige Rede auch ein bisserl mehr Zeit, uns in der Spezialdebatte, die wir gleich danach führen werden, ganz auf das Thema Europa zu konzentrieren, und wir werden auch einen gemeinsamen rot-grünen Antrag zur Haushaltskonsolidierung in Zeiten der ökonomischen Krise einbringen.
Nun zum Arbeitsmarkt: Wien kürzt auch in Zeiten der Sparvorhaben und der Sparpakete arbeitsmarktpolitische Mittel nicht. Das ist schon einmal ein Erfolg dieser Stadt, der sich sehen lassen kann! Ganz Europa kürzt arbeitsmarktpolitische Mittel in Folge des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts, der ja eigentlich ein Instabilitäts- und Rezessionspakt ist, wie insbesondere an den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ersichtlich ist. Wien tut das nicht. Dem WAFF stehen jährlich 58 Millionen Schilling für aktive Maßnahmen zur Verfügung. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich meine natürlich Euro! Das war jetzt der super Freud‘sche Versprecher! Da ist der Wunsch manchmal die Mutter des Gedankens, denn ich war ja immer so eurokritisch.
Selbstverständlich stehen 58 Millionen EUR für aktive
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