Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 125
werden Arbeitslosenzahlen sehr stark hinuntergedrückt. Daher müssen wir wirklich neue arbeitsmarktpolitische Indikatoren entwickeln. Das tut teilweise auch die OECD – im Gegensatz zur Europäischen Kommission –, indem sie etwa auch das Wachstum neu definiert, und zwar nicht nur als reines BIP-Wachstum, sondern auch gemäß Verteilungsindikatoren, Umweltindikatoren und entsprechend der Einkommensentwicklung, der Geschlechterperspektive und so weiter. Auch das müssen wir in unsere arbeitsmarktpolitischen Indikatoren integrieren.
Wir haben also klare rot-grüne Ziele in unserer Arbeitsmarktpolitik: Es geht um Arbeit mit existenzsichernden Einkommen und nicht um statistische Kosmetik. Der Leitgedanke ist ein Arbeitsmarkt für alle, niemand soll zurückgelassen werden. Der Mensch ist für uns keine Humanressource. Budgetmittel der Arbeitsmarktpolitik müssen in Hinblick auf langfristige Integration in den Arbeitsmarkt eingesetzt werden, für Höherqualifizierung oder Vermittlung auf existenzsichernde und stabile Arbeitsplätze. Das bedeutet – und das ist uns wichtig –, dass sich Qualifizierungsmaßnahmen nicht nur an den Qualifikationserfordernissen der Betriebe, sondern insbesondere und eigentlich in erster Linie an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der betroffenen Menschen, der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeiternehmerinnen zu orientieren haben.
Ich verhehle nicht, dass wir dazu auch ein paar positive Impulse aus dem Bund bräuchten, und ich sage hier auch immer wieder, dass wir mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in der Bundespolitik bräuchten. Das fehlt, weil die blau-schwarze Bundesregierung damals einen regelrechten Kahlschlag bei der Arbeitsmarktpolitik betrieben hat. Daher fehlen hier seit Jahren die Mittel.
Wir bräuchten daher längst fällige Reformen, welche arbeitslosen, Arbeit suchenden und arbeitenden Menschen in diesem Land zugute kommen würden, wie einen gesetzlichen Mindestlohn und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf ein Niveau, das europaweit kompatibel ist. Österreich hat eine der niedrigsten Nettoersatzraten beim Arbeitslosengeld. Weiters brauchen wir – das wäre für Frauen ganz wichtig – gerade bei der Notstandshilfe endlich die Entkoppelung vom Partnereinkommen, damit Frauen auch existenzsichernde Sozialleistungen wie die Notstandshilfe, die eigentliche keine Sozialleistung, sondern eine Versicherungsleistung ist, für welche Menschen einbezahlt haben, auf jeden Fall bekommen, anstatt dass sie darauf keinen Anspruch haben, nur weil der Partner mehr verdient. – Ich meine, das ist wirklich eine strukturelle Ungerechtigkeit!
Meine Damen und Herren! Die Krise ist noch lange nicht vorbei. Die Krise ist für uns erst vorbei, wenn die Arbeitslosigkeit nachhaltig zurückgeht. Wir haben in Österreich derzeit immer noch um 50 000 Arbeitslose mehr als vor der Krise. Ich glaube aber, dass Wien, wie ich schon sagte, sehr gut gerüstet ist, um die Herausforderungen, vor die wir durch diese Krise gestellt werden, sozial verträglich zu bewältigen.
Mit dem WAFF haben wir ein, wie ich schon sagte, europaweit einzigartiges Instrument. Rot-Grün ist ein Gegenmodell zur blinden Sparwut und zum Sozialabbau in Europa. Wir setzen auf aktive Arbeitsmarktpolitik und starke öffentliche Dienste in Wien und in Europa. – Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zur allgemeinen Beratung des Rechnungsabschlusses für das Jahr 2011 liegt keine Wortmeldung mehr vor.
Wir kommen nun zur Beratung der Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke. Zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag Neuhuber. Ich erteile es ihm.
GR Mag Alexander Neuhuber (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Berichterstatterin! Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst auch auf einige Aussagen von Vorrednern eingehen.
Ich komme zuallererst zu Kollegen Ellensohn. – Herr Kollege Ellensohn! Wir sind von Ihnen ja schon einiges an Anschüttungen gewohnt, und wir sind eh demütig und lassen manches über uns ergehen. Aber heute ist wieder einmal ein Tag, das muss ich schon sagen, an dem es – zumindest mir persönlich – zu viel geworden ist. Diese dauernden Pauschalverurteilungen auch in unsere Richtung sind nicht mehr erträglich. Ich sage Ihnen das ganz offen. Ich habe ein reines Gewissen als Unternehmer, ich habe ein reines Gewissen als Politiker, und ich weigere mich und lehne es ab, ununterbrochen von Ihnen in einen Topf mit irgendjemandem geschmissen zu werden! (GR David Ellensohn: Okay!) Das ist eine unabhängige Fraktion. Das sind unabhängige Mandatare, und mir kommt bei Kollegen Strasser und seinem Video genauso das Würgen wie Ihnen! Das sage ich! Ich stehe nicht an, das zu sagen! (Beifall bei der ÖVP und von GR Dipl-Ing Martin Margulies.)
Ich will von Ihnen nicht pauschal in derartige Töpfe geschmissen werden! Ich bitte Sie daher, diesbezüglich etwas sensibler vorzugehen und nicht alle Personen über einen Kamm zu scheren! Es gibt in jeder Partei weißere und schwärzere Schafe.
Im Zusammenhang mit dem Thema Reputation von Politikern werden wir im Zusammenhang mit dem Notariatsakt noch darüber reden können, ob das, was Sie tun, wirklich der Reputation von Politikern besonders zuträglich ist.
Kollege Margulies! Nein: Natürlich ist nicht alles schlecht in Wien! Das sagen wir ja gar nicht! Es gehört zum Ritual, dass die Opposition kritisiert. Das soll sie auch tun. Es ist auch schon darauf hingewiesen worden, wie ihr früher geredet habt! – Wir wollen also nicht alles schlechtreden. Das wäre ja Blödsinn! Wien funktioniert ja nicht in allen Punkten schlecht, und wir alle leben gern hier.
Es kommt aber immer darauf an, wie man in den Wald hineinruft. So schallt es dann nämlich zurück. Und es kommt auch immer darauf an, wie die Regierung ein Budget oder einen Rechnungsabschluss präsentiert. Und das, was wir hier erleben, ist in der Tat eine ziemliche
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