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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 90

 

das ein fast schwierigeres Thema als der Umgang mit illegalen Substanzen, denn wenn etwas illegal ist, dann ist es verboten und darf nicht sein. Das ist bei legalen Substanzen nicht der Fall, und daher ist im Umgang damit Abstinenz oft nicht unbedingt das Ziel, sowohl beim Rauchen als auch beim Trinken. Die Frage ist: Wie kann ein sinnvoller Umgang damit stattfinden? – Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt.

 

Zweitens: 1999 hat es ein weiteres Thema in dieser Form noch gar nicht gegeben, nämlich den Umgang mit synthetisch hergestellten Substanzen. Im Hinblick auf diese neuen psychoaktiven Substanzen, von denen immer wieder neue auf den Markt kommen, erhebt sich die Frage: Wie geht man damit um? Zudem gibt es Veränderungen im Bereich der sogenannten substanzunabhängigen oder verhaltensbezogenen Süchte. Diese sind vorher schon genannt worden: Kaufsucht und Internetsucht. – Ich bin der Meinung, dass es ganz besonders wichtig ist, in diesem Zusammenhang genau hinzuschauen und nicht alles zu pathologisieren. Kinder sind nicht, wenn sie Umgang mit neuen Medien haben und vor dem Computer sitzen, deswegen gleich süchtig, nur weil es das zur Zeit ihrer Eltern noch nicht gegeben hat. Das ist, glaube ich, ein ganz wesentlicher Punkt.

 

Wenn wir uns mit diesen Themen befassen, müssen wir natürlich die Angebotstruktur der Hilfeleistungen in gewissen Bereichen hinterfragen, weil die Bedarfslage eine andere ist. Wir sind beim Qualitätsmanagement im Sucht- und Drogenbereich schon sehr weit, und wir müssen auch alle etwaigen neuen Angebote als Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit sehen. Wir müssen die Weiterentwicklung im Bereich der Organisation, der Versorgung der Klientinnen und Klienten und der Prozesse thematisieren. Es hat in diesem Bereich einen großen Professionalisierungsschritt in den letzten Jahren gegeben, und wir müssen diese Entwicklung natürlich weiter vorantreiben.

 

Ein weiteres Thema, das es 1999 auch noch nicht in dieser Form gegeben hat, ist Gender- und Diversitätsmanagement. Das ist im Drogenkonzept von 1999 gar nicht abgebildet. Ich halte es aber für sehr wichtig, dass wir das auch verschriftlichen, denn das steht zwar in den Förderrichtlinien, nicht aber bei uns im Drogenkonzept.

 

Wichtig ist auch die strategische Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit im Sinn von universeller Suchtprävention und Entstigmatisierung. Entstigmatisierung ist ein ganz wesentlicher Schritt, dass man Suchtproblematik auch gut bearbeiten kann.

 

Ich habe das jetzt ohne Anspruch auf Vollständigkeit gesagt. Die Experten und Expertinnen der Sucht- und Drogenkoordination arbeiten daran, und das sind jedenfalls Punkte, die angegangen werden.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. Die nächste Zusatzfrage wird vom GR Haslinger gestellt. Bitte schön.

 

10.18.02

GR Gerhard Haslinger (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Frau Stadträtin!

 

Seit 13 Jahren gibt es das Wiener Drogenkonzept, seit 13 Jahren ist aber auch merkbar, dass stoffgebundene und stoffungebundene Suchterkrankungen zugenommen haben. Es werden mehr Suchtmittel konsumiert. – Eine der Säulen im Drogenkonzept ist die Prävention und ich denke, es ist wahnsinnig wichtig, in diesem Bereich noch weiterzugehen. Sie haben das ja gerade angesprochen.

 

Es wird Ihnen vielleicht noch erinnerlich sein, dass in der letzten Beiratssitzung eine Kollegin gefragt hat, wie sie ihren Sohn davor schützen kann, irgendwie in den Kontakt mit Drogen zu kommen. – Das ist ein Zeichen dafür, dass die Eltern oft nicht wissen, wie sie es angehen sollen! Daher wäre es ein wichtiger Ansatz, dass man den Eltern dabei behilflich ist!

 

Jetzt meine Frage: Wie stehen Sie grundsätzlich dazu, dass es eine verpflichtende Aufklärung für Eltern im Rahmen der Elternabende für schulpflichtige Kinder gibt und Eltern verpflichtend damit konfrontiert werden, wie ihre Kinder grundsätzlich mit Drogen oder Süchten in Kontakt kommen können?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Stadträtin.

 

Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Herr Gemeinderat!

 

Das ist ein Thema, das man, wenn man es diskutiert, wahrscheinlich in größerem Rahmen diskutieren müsste. Es bestehen nämlich in unserem Gesellschaftsmodell und auch in unseren Rechtsbestimmungen in Österreich – das ist ja keine spezifische Wiener Angelegenheit – keinerlei diesbezüglichen Verpflichtungen für Eltern, außer sich an die Gesetze zu halten. Das heißt, wenn wir uns in diesem Zusammenhang neue Wege überlegen, dann muss das grundsätzlicher diskutiert werden. Und ich persönlich bin stark der Meinung, dass die Verpflichtung, jemanden zu informieren und fortzubilden, wie er mit seinem Kind umgeht, nicht wirklich funktionieren wird, denn wenn das ihn oder sie wirklich interessiert, dann wird er oder sie sich auch informieren. Und da bin ich bei Ihnen, dass es wichtig ist, dass es diese Informationen und entsprechendes Informationsmaterial gibt, und gerade diesbezüglich ist das, was die Sucht- und Drogenkoordination zu bieten hat, sehr vielfältig.

 

Ich bin aber sehr skeptisch, ob es funktionieren kann, jemanden zu zwingen, sich mit Erziehungsfragen zu beschäftigen, obwohl er das vielleicht gar nicht oder anders sieht, das entsprechende Bewusstsein nicht hat oder selbst alkoholkrank ist. Wichtig ist, dass das Angebot vorhanden ist und man den Eltern auch die Sicherheit gibt, dass es diesbezüglich kein Falsch und Richtig gibt. Man muss ihnen vermitteln, dass es nahezu unmöglich ist, dass Kinder in der Pubertät nicht mit Alkohol und Nikotin in Berührung kommen, und dass es daher ganz besonders wichtig ist, ein sehr gutes Verhältnis zu den Kindern aufzubauen und ihnen auch einen vernünftigen Umgang damit vorzuleben. Ich glaube, das ist das Allerwichtigste.

 

Es ist nämlich mein Erleben auch als Mutter: Man kann es sich vollkommen sparen, gute Tipps mit erhobenem Zeigefinger zu geben, wenn die Kinder zu Hause etwas ganz anderes sehen. Man kann nicht sagen, bitte iss nicht so viel Süßigkeiten!, und selbst täglich eine Tafel Schokolade essen. Da kann man sich aus meiner Erfahrung die Worte sparen.

 

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