Gemeinderat, 21. Sitzung vom 29.03.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 71 von 97
mehr Lebensraum zu schaffen. Nirgendwo ist das unstrittig. Dieser Kurs hat im Übrigen in den 60er Jahren in Wien begonnen.
Ich sage Ihnen jetzt ein Beispiel, das mindestens so umstritten war wie die Diskussion heute um die Parkraumbewirtschaftung. Sollen der Graben und die Kärntner Straße Fußgeherzone werden, Ja oder Nein? Ich glaube, ich habe hier schon einmal gesagt, ich kann mich noch daran erinnern, ich bin auch schon länger da, als kleiner Bub bin ich mit meinem Vater auf der Kärntner Straße gestaut und wir haben auf dem Stephansplatz vergeblich einen Parkplatz gesucht. Dann gab es die Überlegung, Fußgängerzone Kärntner Straße/Graben. Die Erregung war mindestens so wie jetzt: „Die Geschäfte werden sterben, die Innenstadt wird kaputt gehen, sie werden ins Umland ziehen!" Heftigste jahrelange Auseinandersetzungen. Wer kann sich heute vorstellen, diese Maßnahme rückgängig zu machen? Beispiel 1.
Beispiel 2 ist jünger her, der sogenannte Innenring. Mörderstau in der Herrengasse, am Michaelerplatz, Riesendinge. Das ist einfach abgedreht worden. Lange vor unserer Zeit war es die Sozialdemokratie, die das letztlich mitgetragen hat, autofreie Plätze in der Innenstadt. Vorher große Erregung, bis es dann umgesetzt war. Wer kann sich heute vorstellen, dass man sagt: „Wisst ihr was, Michaelerplatz, Herrengasse lassen wir wieder zweispurig die Autos durchfahren."? Kein Mensch kann sich das vorstellen.
Nächstes Argument, wir nähern uns der Mariahilfer Straße: die Neubaugasse. Der 13A im Stau. Dann gab es letztlich die Überlegung, diese Innenstadtquerung zu Gunsten des Busses, zu Gunsten der Taxler und der Radfahrer und vor allem zu Gunsten der Fußgängerinnen und Fußgänger zu unterbinden. Da war ich schon selbst in der Politik. „Das kann nicht gehen, die umliegenden Gassen werden belastet, die Geschäfte werden sterben!" Schauen Sie sich heute an, was das mit sich gebracht hat und suchen Sie irgendjemanden in Wien, der sagt, dort machen wir das wieder auf. (GR Wolfgang Irschik: Da gibt es aber genug!) Die Vorteile sind immer im Vordergrund gestanden.
Jetzt gehe ich auf eine heftige Auseinandersetzung ein, die ich mit der FPÖ gehabt habe, als ich Bundessprecher war, die Absenkung der Promillegrenze: „Kriminalisierung der Autofahrer!", alles Mögliche. Sie erinnern sich, was das für eine Auseinandersetzung war. Jetzt sind wir bei den Promille von 0,8 auf 0,5. Das hat uns sehr viele Menschenleben gerettet. Wo ist irgendwer, der sagt: „Erhöhen wir wieder die Promillegrenze."
Genauso wird es schrittweise mit dem Instrument der Parkraumbewirtschaftung gehen, das zum Ziel hat - lassen Sie mich das noch einmal zusammenfassen -, vor allem den Menschen, die aus dem Umland in die Stadt pendeln, einen Anreiz zu geben, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Ja, das ist ein Eingriff, wie es ein Eingriff war, die Parkraumbewirtschaftung innerhalb des Gürtels zu machen. Jetzt wird ein erfolgreiches Modell ausgedehnt.
Ist das ein Fleckerlteppich? Schauen Sie sich bitte eine Karte an! Das ist kein Fleckerlteppich! Seit heute wissen wir, welche Bezirke es sind. Noch einmal, 12, 14, 15, 16 und 17, das heißt, ein enger Ring von Bezirken im Süden in den Westen ist jetzt die nächste Etappe. Das haben die Bezirke so beschlossen. Das nehmen wir so zur Kenntnis. In einigen Jahren wird kein Mensch mehr daran denken, weil es zu Entlastungen, vor allem für die BewohnerInnen dort, kommen wird, das aufzulassen.
Ja, es ist ein Eingriff. Ja, es ist nicht nur wie die Kärntner Straße, man kann nicht mehr überall so fahren, wie es möglich ist, aber das große Ziel aller europäischen und außereuropäischen Städte, Fußgängern mehr Platz einzuräumen, in der Stadt für Kinder eine höhere Lebensqualität zu machen und auch den Pendlern einen Anreiz zu geben, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Weil das auch in Wien lang vor unserer Regierungsbeteiligung begonnen wurde, gibt es, glaube ich, keine Stadt der Welt, die einen so hohen Anteil an öffentlichen Verkehrsmittelnutzern und einen so geringen Autoanteil hat wie Wien. Das soll letztlich fortgesetzt werden.
Noch eine Zahl: In den 7ßer Jahren hat Wien als reichstes Bundesland der neun Bundesländer den höchsten Autobestand pro tausend Einwohner gehabt. Heute ist Wien noch immer reichstes Bundesland aller neun Bundesländer und hat den mit Abstand geringsten Autobestand. In sehr vielen Bezirken geht das weiter zurück, nicht, weil irgendwer den Leuten das abgewöhnt, sondern weil sie die Vorteile des öffentlichen Verkehrs genießen. Das ist die Gesamtkonzeption.
Zur sehr sachlichen Rede des Kollegen Aigner möchte ich noch zwei Dinge bringen. Sie sagen, die mutwillige Parkplatzzerstörung wie Ohrwascheln und Radständer. Das ist keine mutwillige Parkplatzzerstörung. Die Ohrwascheln, Gehsteigvorziehungen, die sehr stark, ich kann mich noch genau daran erinnern, unter dem Planungsstadtrat Swoboda und auch noch unter StR Schicker umgesetzt worden sind, dienen vor allem dazu, ein sicheres über die Straße Gehen zu gewährleisten, das heißt, vor allem für Kinder. Ich glaube, da sind wir alle, ÖVP, FPÖ, SPÖ, GRÜNE, einer Meinung, dass Kinder besonders geschützt werden sollen. Wenn ich auf die Straße gehe und gesehen werde, steigt meine Verkehrssicherheit, werde ich weniger leicht niedergeschoben. Gott sei Dank sind wir gemeinsam stolz darauf, dass die Unfälle und Toten in Wien deutlich zurückgegangen sind. Das hat mit vielem zu tun, auch damit, dass durchaus maßvoll Auto gefahren wird, aber hat auch damit zu tun, dass Gehsteigvorziehungen die Sicherheit gemacht haben. Nirgendwo wird es gemacht, um mutwillig einen Parkplatz zu zerstören.
Und ja, Herr Kollege Aigner, wir wollen Radständer. Jetzt ist die spannende Frage, wo wir diese hinstellen sollen. Manchmal stehen sie am Gehsteig. Da regen sich dann zu Recht Fußgängerinnen und Fußgänger auf. Oft stehen sie auch auf der Straße. Das kostet Parkplätze. Aber es geht schlicht und einfach darum, eine gerechte Stadt und eine Fairness herzustellen. Da wird immerhin die Politik, sechs bis acht Fahrräder statt eines Autostellplatzes, maßvoll fortgesetzt. Jetzt geht es um die nächste Etappe. Wir werden sehen, wie die Auswirkungen
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