Gemeinderat, 21. Sitzung vom 29.03.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 24 von 97
Geschieht das sehr sinnvoll? – Sie bekommen jetzt nicht zusätzlich und ergänzend zum Unterricht Förderstunden, nein, sondern sie bekommen diese parallel. Die Kinder werden aus dem Regelunterricht genommen, um sie im Lesen nachzuqualifizieren. Ganz großartig!
Und die gemeinsame Schule ist auch nicht die Eier legende Wollmilchsau, Frau Wehsely: Wir haben schon die gemeinsame Volksschule, und diese funktioniert nicht! Es nützt nichts, wenn man alle Jahre die Taferln austauscht und der Inhalt gleich bleibt, und zwar gleich schlecht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Was wir brauchen, ist eine Entlastung der Wirtschaft und ein besserer Kontakt mit der Wirtschaft. Sie werden nämlich all die Maßnahmen, die Sie jetzt ansprechen, ohne die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer in Wien nicht umsetzen können. Auch wenn Sie überbetrieblich ausbilden, werden Sie die jungen Damen und Herren später in der Wirtschaft unterbringen müssen, denn sonst haben wir sie im Sozialsystem, und das wollen wir alle nicht! Pflegen Sie also bitte mehr Kontakt mit der Wirtschaft! Wir wissen, was gewünscht ist, und wir wissen, was wir brauchen. Es wäre daher wünschenswert, wenn Sie sich mehr mit uns zusammensetzen würden!
Die Wirtschaftsförderung möchte ich noch kurz ansprechen: Die Wirtschaft braucht nicht mehr Geld, um gefördert zu werden, sondern die Wirtschaft würde gerne entlastet werden. Es kann nicht sein, dass man um eine Betriebsanlagengenehmigung monatelang raufen muss und von Pontius zu Pilatus geschickt wird. Warum setzen wir in Wien die Schwellenwertverordnung nicht um? Warum fördern wir nicht die lokale Wirtschaft und schaffen damit Arbeitsplätze? Das kostet jetzt nicht einmal Geld, denn ausgeschrieben muss es sowieso werden. Wenn wir es aber in Teilbeträgen und in Tranchen ausschreiben und damit die regionale Wirtschaft fördern, dann schaffen wir wiederum Arbeits- und Ausbildungsplätze. In anderen Bundesländern funktioniert das ja auch. Wir müssen das nicht einmal erfinden und neu gestalten.
Noch einmal: Bildung ist der entscheidende Faktor für die Zukunft, und dieser setzt halt nicht nach der Schule an, sondern schon in der Schule. Und wenn der Herr Bürgermeister auch gerne durch die Lande zieht und meint, dass er lieber über ein paar Straßen als über essentielle Zukunftsfragen streitet, dann erhebt sich halt doch die Frage, ob es nicht gescheiter gewesen wäre, sich mit einem vernünftigen Partner auf Augenhöhe über die Zukunftsthemen zu unterhalten, anstatt sich mit einem Grüppchen von Berufspolitikern, die vor lauter Klassenkampf den Blick fürs Wesentliche verloren haben, über Radstraßen und die Ausweitung der Radwege zu unterhalten. Bildungspolitik und Wirtschaftspolitik sind die Zukunftsthemen, und dazu hat Herr Margulies auch nicht wirklich etwas gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich Herr GR Ellensohn gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR David Ellensohn (Grüner Klub im Rathaus): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Die Problematik betreffend Arbeit und Wirtschaftswachstum ist bekannt, dieses Thema wurde auch gleich in der ersten Wortmeldung von Tanja Wehsely angerissen: Wir haben zu viele ganz, ganz wenig Qualifizierte, wir haben zu wenig AkademikerInnen, und wir haben ein Potenzial bei den ZuwanderInnen, das wir nicht nützen. – Das sind die drei Probleme in diesem Zusammenhang.
Die Lösung ist einfach: Weiterbildung. Diesbezüglich sind sich angeblich ja alle einig. Aber es erheben sich jetzt halt die Fragen: Wie machen wir die Weiterbildung? Und: Wer bezahlt das? – Und an diesem Punkt ist Ende mit der Einigkeit. Dann kommen die Reichenschützer und die Millionärsbeschützer mit ihren Argumenten.
In Anbetracht dessen muss man, wenn wir schon von Weiterbildung reden, immer wieder sagen: Lesen hilft! – In diesem Sinne gebe ich Ihnen zwei kleine Buchtipps. Es gibt ein Buch, in dem entsprechende Nachweise erbracht werden. Es wird das Wirtschaftswachstum quer über Europa und in der ganzen Welt betrachtet und die Frage gestellt: Wo ist es besser mit dem Wirtschaftswachstum, und wo sind die Arbeitslosenzahlen niedriger? Wenn eine Gesellschaft möglichst ungerecht aufgestellt ist, es einerseits möglichst viele Millionäre und andererseits möglichst viele Menschen gibt, die den Kühlschrank nicht voll bringen, sodass sie nicht einmal genug zum Essen haben: Ist es dort am besten? – Nein! Dort ist es am schlechtesten. Je näher hingegen eine Gesellschaft zusammenkommt, je weniger groß die Schere zwischen Reich und Arm ist, desto besser ist auch das Wirtschaftswachstum. Unintelligenterweise glauben aber ganz viele Leute, genau das andere propagieren zu müssen!
Da hilft das Buch von Kate Pickett und Richard Wilkinson: „Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind.“ – „Für alle“ bedeutet eben wirklich für alle, außer für diejenigen, die das brauchen, dass sie Leute unter sich haben, auf die sie draufsteigen können. Für die ist es nicht besser, aber für alle anderen wäre eine solche Gesellschaft auch ökonomisch intelligenter. Lesen Sie sich das einmal durch und überlegen Sie! Widerlegt wurde das Buch übrigens noch nicht, es wird nur leider nicht genug gelesen.
Das zweite Buch habe ich schon einmal beworben. Sein Titel lautet: „Hurra, wir dürfen zahlen! Der Selbstbetrug der Mittelschicht.“ Das ist eigentlich das Um und Auf, und das trifft auch das Gesprächsklima hier. Ich finde das wahnsinnig gut, denn sehr viele Leute beschützen tatsächlich Menschen, die Millionen haben, ohne eine eigene Leistung zu erbringen. Millionär wird man nämlich nicht durch eigene Leistung. Das muss man den jungen Leuten auch sagen.
Nehmen wir an, jemand verdient ein Leben lang das, was neulich auch Frau Frank von der FPÖ gesagt hat, nämlich 15 000 EUR im Jahr – und das trifft auf die Masse da draußen zu –: Mit 15 000 EUR im Jahr müsste man sehr lange arbeiten, nämlich 45 bis 50 Jahre, um das zusammenzubekommen, was Frau Kappel erwähnt hat. Dabei dürfte man aber niemals einen Euro ausgeben, keine Miete zahlen, nirgends wohnen, keinen Ur
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