Gemeinderat, 21. Sitzung vom 29.03.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 97
rell falsch gelaufen!
Wenn Sie über Qualifikations- und Ausbildungsoffensiven sprechen, kommt das Thema Wirtschaft überhaupt nicht vor. Es geht nur um staatliche Einrichtungen. – Es muss doch heute wirklich schon jedem klar sein, dass der Staat an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit angelangt ist und dass es in einer Marktwirtschaft die Unternehmen sind, die die Arbeitsplätze schaffen und nicht der Staat! Das kommt in Ihren Ausführungen aber überhaupt nicht vor! (GRin Mag (FH) Tanja Wehsely: Das stimmt doch nicht!)
Wo sind die Anreize, die Sie schaffen? Es wird das Einstellen von Lehrlingen immer mühsamer gemacht und verteuert, und Sie suchen Ihr Heil in den staatlichen und staatsnahen Ausbildungsstätten.
Man findet dann auch immer wieder bezeichnende kleine Symbole, die Politik wird nämlich sehr viel über Symbole gemacht: Wohin führt man den Kommissionspräsidenten Barroso, wenn er in Wien ist? – Man führt ihn nicht in einen funktionierenden Betrieb, sondern in eine staatliche Lehrwerkstätte. (GRin Mag (FH) Tanja Wehsely: Weil wir die Jugendbeschäftigung schaffen!) Die Lehrwerkstätten sind sicherlich wichtig, aber die Realität sollte doch in den Betrieben stattfinden!
Oder: Was tun Sie für die zehntausenden Jugendlichen, die nicht einmal den Hauptschulabschluss haben und einfach versickern im System? Wir müssen dann dem WAFF Millionen geben, um diese Jugendlichen wieder irgendwie an die Oberfläche zu bringen. Es darf doch, bitte, nicht wahr sein, dass uns so viele junge Leute einfach abhanden kommen!
Nicht böse sein: Aber nur mit der Schaffung von Beauftragen werden keine Probleme gelöst! Das ist eigentlich eher ein Eingeständnis dessen, dass Sie mit Ihren teuren Strukturen eigentlich nicht mehr weiter wissen und Ihr Heil in der Schaffung von Beauftragten und sonstigen Kommissionen suchen, aber auch da wird nichts herauskommen! (Beifall bei der FPÖ.)
Nur das Produzieren von formalen Abschlüssen hilft auch nichts. Wenn die Bildungsabschlüsse nicht aussagekräftig sind, dann landen die jungen Menschen in den Assessmentcenters, in den betrieblichen Systemen und so weiter. Es geht also nicht um Abschlüsse, sondern es geht um Inhalte, und um die Diskussion über die Inhalte drücken Sie sich herum!
Meine Damen und Herren! Der Staat hat in einem auf dem Subsidiaritätsprinzip aufgebauten System eine sehr wichtige Rolle, aber die Hauptrolle haben die Unternehmerinnen und Unternehmer. Schaffen Sie Unternehmergeist! Behindern Sie die Unternehmerinnen und Unternehmer nicht, und stellen Sie nicht Leistung als etwas Schlechtes dar! (GRin Mag (FH) Tanja Wehsely: Das ist immer dieselbe Leier!)
Leistung ist etwas ganz Wesentliches und Wichtiges, und genau das muss man den Jugendlichen mitgeben: Dass Leistung das Entscheidende ist. Lassen Sie den Menschen einfach mehr Geld in der Tasche, das ist der beste Leistungs- und Qualifikationsanreiz! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich Frau GRin Ing Leeb zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
GRin Ing Isabella Leeb (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Es ist von meinen Vorrednern schon sehr viel gesagt worden. Wien ist tatsächlich nicht das Land, wo Milch und Honig fließen. Frau Kollegin Wehsely! Auch wenn Sie das so darstellen wollen: Das ist nicht Realität. Realität ist vielmehr, dass wir die höchste Arbeitslosenrate im Österreichvergleich in Wien haben. Wien ist ... (Zwischenruf von GRin Mag (FH) Tanja Wehsely ) Ja genau! Städte sind normalerweise Konjunkturmotoren. In Österreich und in Wien ist das jedoch anders, weil Wien anders ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Regen Sie sich nicht so auf! Hören Sie mir zu! Ich wollte Ihnen eigentlich gratulieren zu dem nächsten Schritt, den Sie hier tun, wiewohl es auch hiebei wieder nur um eine Wirkungsbekämpfung und nicht um eine Ursachenbekämpfung geht! (Beifall bei der ÖVP.)
Hören Sie mir zu! Ich will ja loben, was Sie tun. Es ist an und für sich in Ordnung, dass hier Maßnahmen gesetzt werden. Ich bin jetzt ein bisschen mehr als drei Jahre in diesem Haus, und ich habe mir die Mühe gemacht, mir anzuschauen, was da alles geschehen ist: Es sind Millionenbeträge in die Nachqualifikation geflossen, und zwar größtenteils auch mit Bundesunterstützung, das muss man schon sagen. Ganz Österreich zahlt also für die Versäumnisse in Wien mit. Das muss man immer ganz deutlich formulieren. Das habt nicht ihr erfunden! Viel von dem, was ihr dann als eure Erfindungen verkauft, kommt aus dem Sozialministerium, und viel kommt aus dem Wirtschaftsministerium.
Was ist in dieser Zeit geschehen? Wir haben eine „Kümmer-Nummer“ bekommen, wir haben ein Arbeitsmarktpaket, wir haben ein 70-Millionen-Paket über eine Arbeitsplatzgarantie. Wolfi Aigner hat schon über die überbetrieblichen Lehrlingsausbildungsstätten gesprochen. Trotzdem ist seit 2008 der Anteil der jugendlichen Arbeitslosen von 9,1 auf 12,5 Prozent gestiegen.
Ja. Es ist viel zu tun. Aber man muss sich auch anschauen, was man tut. Man muss sich auch die Ursachen anschauen, und die Ursachen liegen halt nun einmal auch in der verfehlten Bildungspolitik in Wien. Es ist nämlich kein Zufall, dass die Qualifikation der Schulabgänger immer geringer wird, und es kann nicht sein, dass die Unternehmer die Bildungsdefizite ausgleichen. Natürlich ist es notwendig, dass wir nachqualifizieren. Aber bitte: Wo waren die Jugendlichen vorher? Sind die vom Himmel gefallen? Sind sie alle zugewandert? – Sie waren vorher neun Jahre in Wien in einer Pflichtschule, und wir wissen, dass wir zu wenig ... (Zwischenruf von GR Christoph Peschek.) Sie kommen nachher noch dran, dann können Sie reden!
Wir haben zuwenig Kindergartenplätze und zu wenige Kindergartenpädagogen. Wir haben zu wenige Lehrer. Jetzt gibt es Gott sei Dank einen Lesetest, denn wir müssen das, was wir eh schon alle gewusst haben, erheben. Die Abgänger der Volksschule können nicht ausreichend lesen. Okay. Jetzt qualifizieren wir sie nach.
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