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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 24.02.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 81 von 82

 

angewiesen. Deswegen verstehen wir von manchen die radikale Ausformung der Proteste, gerade von politisch Aktiven, die eigentlich Anliegen der Kreativen verletzen, in dieser Hinsicht nicht. Das heißt aber nicht, dass unter dem Titel Urheberrechtsschutz die Privatsphäre des Einzelnen abgeschafft werden muss oder wir diese bedroht haben wollen. Den Überwachungsstaat im Internet wollen auch wir nicht. Die in ACTA vorgegebenen Richtlinien bergen aber die Gefahr in sich, dass die Rechtssphäre des Einzelnen eingeschränkt werden könnte; und das wollen wir so nicht, sehr geehrte Damen und Herren!

 

Deshalb haben auch die Innenministerin und ihr Staatssekretär Sebastian Kurz von der ÖVP die Notbremse gezogen und im Ministerrat den Ratifizierungsprozess gestoppt. Nun ist es auch gut, dass sich der Europäische Gerichtshof mit einer Stellungnahme und einer klaren Positionierung zu dieser Sache auf EU-Ebene befasst. Wir werden diese Entscheidung abwarten. Es ist eine gute Entscheidung und es ist gut, wenn diese Entscheidung von diesem Haus gemeinsam mitgetragen wird. Eine Kriminalisierung des Internets kann daher genauso wenig das Ziel sein wie eine Vernaderung durch Internetprovider, die aber die Konsequenz des geplanten Gesetzes gewesen wäre; denn so, wie es sich die Autoren des Gesetzes vorstellen, müssen diese, nämlich die Internetprovider, ohne richterlichen Spruch Daten ihrer Kunden an andere Unternehmungen weitergeben. – Das kann so in einem Rechtsstaat nicht gehen, sehr geehrte Damen und Herren! Da müssen intelligentere Schutzbestimmungen entwickelt werden, die beides bewerkstelligen: die Sicherheit der Eigentumsrechte und die Sicherung der Freiheitsrechte des Einzelnen.

 

Eines möchte ich aber schon klarstellen: Wenn die GRÜNEN glauben, dass diese Allianz der Startschuss für eine Reduktion der Sicherheitsvorkehrungen gegen organisierte Verbrechen, speziell auch im Internet, sein soll, dann irren Sie gewaltig. Wir leben leider in einer Zeit, in der die Sicherheit des Bürgers mehr und mehr gefährdet wird. Jetzt zu sagen, jegliche Überwachung schade der persönlichen Freiheit, ist genauso falsch wie die Zustimmung zu ACTA. Datenschutz darf niemals zum Schutz von Kriminellen führen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auch davor warnen, mit ACTA eine Kampagne gegen die EU durchzuführen. Sicherlich ist die Initiative auf dieser politischen Ebene ausgegangen, aber gerade dadurch, dass die Gesetzgebung auf supranationaler Ebene stattgefunden hat und nicht einzelnen Teilstaaten obliegt, kann sie jetzt für ganz Europa auch gleich so abgeändert werden, und sie sichert einfach auch, dass im Internet kein rechtsfreier, sondern ein klar definierter Raum besteht.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Unter diesen Bedingungen und diesen Voraussetzungen bin ich sehr froh, dass es gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag einzubringen, der natürlich einen Spagat darstellt, nämlich zwischen den berechtigten Interessen jener, die geistige Schutzrechte vorbringen und damit letztendlich ihren Lebensunterhalt verdienen – nicht zuletzt auch die Kreativen in dieser Stadt – einerseits und natürlich den Schutzrechten der Einzelnen andererseits. Das ist auch für den Wiener Gemeinderat ein gutes Signal. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich Herr GR Mag Werner-Lobo zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

17.18.58

GR Mag Klaus Werner-Lobo (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Erstens freue ich mich natürlich, dass es gelungen ist, hier einen Allparteienantrag einzubringen, dass wir uns darüber einig sind, dass ACTA in dieser oder auch in einer anderen Form auf keinen Fall durchgehen kann, und zwar aus mehreren Gründen. Wir sind uns jedenfalls einig darüber, dass es ein undemokratisches Zustandekommen war. Wir sind uns, glaube ich, auch weitgehend darüber einig … – Wobei ich mich nach Ihren Worten, Kollege Stiftner, jetzt nicht mehr ganz auskenne, was die ÖVP möchte, also es war sehr, sehr verwirrend. (GR Dipl-Ing Roman Stiftner: Wir stimmen zu!) Sie stimmen dem Antrag zu, aber rudern gleichzeitig zurück, fürchten sich davor, dass die GRÜNEN jetzt – ich weiß jetzt nicht, was, ich habe es nicht verstanden. Also ich kenne mich nicht aus, aber wurscht.

 

Wir sind jedenfalls froh, dass wir uns einig sind. Und die Frage mit der Überwachung ist sicherlich eine, die wir weiter diskutieren müssen. Wir sind froh, dass sich auch im Europäischen Parlament die Sozialdemokratische Fraktion und die Grünen einig waren, was ACTA betrifft. Das kann man ja von Ihnen nicht sagen. Ich hoffe jedenfalls, dass das doch der Startschuss dafür ist, dass Sie auch auf Bundes- und auf europäischer Ebene Ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen dazu bringen, endlich einmal gegen den Überwachungsstaat aufzutreten – und nicht im Namen der Bekämpfung dieser angeblichen organisierten Kriminalität hier Grund- und Freiheitsrechte einzuschränken, wie das zum Beispiel mit der Vorratsdatenspeicherung durch Ihre Parteikollegen immer wieder passiert und auch passieren wird. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie auf Ihre Bundeskollegen einwirken, auch die Vorratsdatenspeicherung zu bekämpfen.

 

Was die Überwachung betrifft, droht hier eine Kriminalisierung von ganz normalen, teilweise jugendlichen Internetusern und -userinnen, die nichts anderes machen, als diese Möglichkeiten, die dieses neue Medium bietet, zu nützen. Wir müssen auch, wenn wir die Frage des geistigen Eigentums diskutieren … Ich weiß, auch ich habe 20 Jahre als Buchautor vom Urheberrecht gelebt, auch ich habe davon gelebt, dass ich die Frucht meiner Werke verkaufen konnte und dafür bezahlt wurde. Allerdings: Ab einem gewissen Punkt – wenn einmal bezahlt ist, was man getan hat – mindert es nicht mein Werk, wenn es möglichst oft weitergereicht wird. Wenn also Musiker und Musikerinnen, Künstler und Künstlerinnen, Autoren und Autorinnen ihre Werke im Internet heute vielfach verbreiten können, dann ist es im Allgemeinen zu ihrem Nutzen. Und es ist auch zum Nutzen der meisten von ihnen, wenn diese Werke ab

 

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