Gemeinderat, 19. Sitzung vom 24.02.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 80 von 82
Ort anzusehen, aber als Zeichen des guten Willens werden wir jetzt zustimmen. – Danke. (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP, Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Was soll man jetzt noch sagen? – Als nächster Redner ist Herr GR Baxant zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
GR Petr Baxant, BA (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Ich danke sehr für den guten Willen!
Deswegen muss ich auch auf das MICA überhaupt nicht mehr eingehen. Ich will aber sehr wohl darauf eingehen, dass heute ein Allparteienantrag eingebracht wird, den einzubringen ich die Ehre habe. Es handelt sich um das leidige Thema ACTA, das jetzt weltweit diskutiert wird. Es wird zum Glück auch in diesem Hause diskutiert, und dieses Haus wird diesem internationalen Vertrag hoffentlich eine ordentliche Watschen geben.
Zu ACTA selbst: Es spricht nichts dagegen, sich mit der Frage des geistigen Eigentums zu befassen. Dazu gibt es sehr viele unterschiedliche Meinungen, und da muss man sich angesichts einer sich ständig verändernden medialen Weltlage natürlich auch ständig mit zeitgemäßen Lösungen beschäftigen. Was aber auf keinen Fall geht … Beziehungsweise worüber wir auch sprechen können: Es wäre etwas anderes, wenn solche Vorgänge transparent nachvollziehbar und von demokratisch legitimierten Verhandlern und Verhandlerinnen durchgeführt würden, doch das war bei ACTA absolut nicht der Fall!
Wir diskutieren und kritisieren immer wieder die vermeintlich undemokratischen oder wenig demokratischen Vorgänge auf EU-Ebene, wenn wir zum Beispiel darüber sprechen, dass im Europäischen Rat 27 Staats- und Regierungschefs hinter verschlossenen Türen für alle Europäer und Europäerinnen wichtige Entscheidungen treffen. – Im Vergleich zu ACTA war das eigentlich fast ein zivilgesellschaftlicher, topmoderner demokratischer Prozess. Bei ACTA wissen wir alle nämlich überhaupt nicht: Wer hat das mit wem verhandelt? Wer hat wozu zugestimmt? Wer sind die Lobbyisten? Wer sind jene, die davon profitieren? Das ist eigentlich vollkommen unklar. Deswegen ist die Genese dieses Vertrages ein extrem großes demokratiepolitisches Problem.
Ein zweites extrem wichtiges Problem ist, dass es sich eigentlich um einen Gesetzesschmuggel handelt. Man sagt, es geht um den Schutz geistigen Eigentums. Tatsächlich kommen wir aber vorbei an der Öffentlichkeit und an demokratischen Initiativen quasi über eine Internetüberwachung zu einem Überwachungsinternet. Das heißt, das Internet wird seiner positiven gesellschaftspolitischen und kommunikativen Funktion vollkommen beraubt, es wird vollkommen entartet und verkommt eigentlich zu einem Spitzelwesensystem. Das können wir auf keinen Fall zulassen!
Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, dass die Politik beziehungsweise das politische Establishment auf die Problematik von ACTA nicht von alleine gestoßen ist, sondern da müssen wir uns alle sehr herzlich bei der aufmerksamen Zivilgesellschaft und der Internet-Community bedanken. Ich persönlich möchte mich seitens meiner Fraktion beim GR Siegi Lindenmayr bedanken, nämlich dafür, dass er in unserer Fraktion ein Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie im Internet ist. Danke schön, Siegi! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
In diesem Sinne kann ich den Allparteienantrag zu ACTA einbringen und schließe mit den Worten: Wien will kein chinesisches Internet! – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner ist Herr GR Dipl-Ing Stiftner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Dipl-Ing Roman Stiftner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Damen und Herren!
Auch ich möchte mich zu dem Thema ACTA äußern und glaube, sagen zu können, dass wir heute mit diesem Allparteienantrag einen Akt der Vernunft setzen, wenn wir hier gemeinsam diesen Allparteienantrag beschließen, der dazu auffordert, ACTA zurück an den Start zu schicken.
In der Tat, so weit gibt es sicherlich einen Konsens zu meinen Vorrednern, dürfte im Verlauf dieses Prozesses der Verhandlung einiges schiefgelaufen sein. Deshalb ist es gut, diesen Konsens zu ACTA in diesem Haus feststellen und festigen zu können. Natürlich – es ist mir ein ganz wichtiges Anliegen, auch das heute hier klarzulegen – ist uns der Schutz der Eigentumsrechte ein wichtiges Anliegen. Geistiges Eigentum ist aus Sicht der Kreativen, die existenziell schutzunabhängig sind, genauso wichtig, wie aus der Sicht der Wirtschaft und der Industrie, die gemeinsam mit den Kreativen für die Vermarktung von geistigem Eigentum, in welcher Form auch immer, tätig sind.
Man muss schon festhalten, dass wir im Internet keinen Wilden Westen haben wollen, wo immer das Gesetz des in krimineller Hinsicht Kreativen gilt, sondern es müssen auch hier grundsätzliche Rahmenbedingungen gelten. Das Internet ist eine relativ junge Welt, eine Einrichtung, die in den letzten Jahren zu einem weltweiten Cyber-Raum zusammengewachsen ist. Seine Bedeutung erfordert aber auch Normen und Verhaltensregeln, weil die Internetgeneration sozusagen den Kinderschuhen entwachsen ist und die Verhaltensregeln einer Marktwirtschaft akzeptieren muss. Wir vertreten hier sicher nicht das linksarchaische Prinzip, dass jeder alles darf, was ihm gefällt, nur weil es im Internet stattfindet, sehr geehrte Damen und Herren! Einschränkungen, die Auswüchse vermeiden, sind unserer Meinung nach nicht kreativitätsverhindernd und auch nicht freiheitsberaubend, sondern genau jene Mittel, die dazu dienen, ein geregeltes Miteinander auch im Internetzeitalter zu gewährleisten.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wenn Rechtsbrecher geistiges Eigentum anderer verletzen und damit Geld verdienen, ist das abzulehnen und meiner Meinung nach auch klar zu ahnden. Gerade die Kreativwirtschaft, die in dieser Stadt eine glückliche Rolle spielt und damit auch einen immer größeren Stellenwert hat, ist daher auf den Schutz ihrer Innovationen
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