Gemeinderat, 19. Sitzung vom 24.02.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 82
Verständnis für parteipolitisches Kleingeld. Anstatt der Bevölkerung und gegenüber Atomfreunden noch immer weiterhin atomfreundlichen Ländern diese Einigkeit zu demonstrieren, gemeinsam an wirtschaftlich realistischen Ausstiegsszenarien zu arbeiten und alle Kräfte zu bündeln, fällt Ihnen, geschätzte KollegInnen der Stadtregierung nichts Besseres ein, als Forderungen an Bund und EU zu stellen beziehungsweise positive Initiativen, wie zum Beispiel die Stresstests, schlechtzureden, ohne erste konkrete Ergebnisse abzuwarten oder sinnvolle Verbesserungen vorzuschlagen.
Ich frage Sie, geschätzte KollegInnen der Grünen Fraktion: Was konkret haben Sie denn in den letzten 14 Monaten in der Regierung in diese Richtung aktiv vorangetrieben oder initiiert? (GR Mag Rüdiger Maresch: Und was hat die ÖVP gemacht? Nichts!) Liebe KollegInnen, Antiatompolitik ist längst kein grünes Thema mehr. Es ist ein Überlebensthema, bei dem alle politischen Kräfte in Österreich das gleiche Ziel haben, nämlich auszusteigen und wir alle gemeinsam am Wie arbeiten sollten.
Sehr geschätzte Frau Stadträtin, zweifelsohne ist Wien in Richtung atomfreier Strom und Ausbau erneuerbarer Energie initiativ und engagiert, aber wenn wir über Atomausstieg und die Rolle der Stadt Wien ernsthaft diskutieren wollen, dann sage ich ganz ehrlich, ich war ein bisschen enttäuscht von diesem zweiten Atomgipfel. Ich erwarte mir von solchen Atomgipfeln der Stadtregierung mehr, als nur, was können und sollen andere tun, und mehr, als eine fertige Resolution ohne Diskussion hinzuknallen, die etwas fordert, was ohnehin alle wollen und bereits im Aktionsplan der Bundesregierung nur wenige Tage nach der Fukushima-Katastrophe beschlossen wurde. Österreich war der erste europäische Staat, der diesbezüglich aktiv geworden ist. Es war Umweltminister Berlakovich, der die Stresstests gefordert hat.
Das mag Sie politisch ärgern, aber das Thema ist zu ernst. Stresstests sind eine gute Chance, erstmals Einblick, Mitsprache und letztlich Durchgriffsmöglichkeiten zu mehr Sicherheit zu bekommen, als diese schlechtzureden, nur weil sie nicht Ihre Initiative waren. (Beifall bei der ÖVP.)
Kommissar Oettinger hat die österreichische Idee der Stresstests übernommen. Österreich kämpft seither darum, dass es auch wirklich ordentliche und konsequente Stresstests werden. Ich bin hier sicher nicht die Verteidigerin der Bundesregierung, aber aus persönlicher Überzeugung sehe ich in ihnen erstmals die Möglichkeit eines europaweit einheitlichen methodischen Systems, wie Atomkraftwerke überprüft werden können. Warten wir doch auf die ersten Ergebnisse, bevor wir sie schlechtreden. Ich versichere Ihnen, sollten diese Stresstests ihren Job nicht erfüllen, bin ich die Erste, die hier steht und sich in den Reigen der Kritiker einordnet. (GR Mag Rüdiger Maresch: Wir nehmen Sie dann beim Wort, wenn es soweit ist!) - Ich bitte, mich immer beim Wort zu nehmen.
Entscheidend ist, dass es, zur Wiederholung für diejenigen, die es noch nicht wissen, ein dreistufiges Verfahren gibt, in dem sämtliche Störfälle und Krisenfälle getestet werden, also nicht nur, wenn das technische Equipment auslässt, sondern auch die Auswirkungen von Erdbeben - auch das Thema wurde beim Atomgipfel diskutiert -, bei Flugzeugabstürzen und Terroranschlägen getestet werden.
Die erste Stufe ist, der Betreiber muss Daten liefern.
Die zweite Stufe ist, die nationalen Atomaufsichtsbehörden prüfen diese Daten. Hier ist die Unabhängigkeit ganz wesentlich. Diese muss gewährleistet werden. Österreich hat seinen Beitrag dazu geleistet, indem vier österreichische Experten in diesen Peer-Review-Teams sind und hoffentlich auch für diese Unabhängigkeit stehen.
Die dritte Stufe ist die entscheidende, dass auf der europäischen Ebene diese Peer-Review-Teams die Tests der Nationalstaaten überprüfen und dass diese Teams auch in die Nationalstaaten fahren und Atomkraftwerke prüfen. Österreich hat immer gefordert, dass die Stresstests transparent und offen sind. Es wird einen Beteiligungsprozess geben, wo die Öffentlichkeit diese Ergebnisse auch diskutieren kann. Also sollte auch diese Forderung nach Transparenz erfüllt sein.
Es sind sich in Österreich und Wien auch alle Parteien darüber einig, dass Atomkraft weder sicher noch nachhaltig ist. Das sehen leider viele noch anders. Gerade dann, wenn es um das Argument der Treibhausgasreduktion geht, setzen Staaten immer noch auf die Nutzung der Atomkraft. Österreich nimmt diese Position nicht ein. Die beim Atomgipfel präsentierte Studie hat dazu zweifelsohne interessante Fakten gezeigt. Überzeugt waren wir schon vorher. Die Bundesregierung ist es auch.
Wie gesagt, eine Resolution, die fordert, was schon umgesetzt und eingemahnt wird, ist schön für Pressearbeit und fürs Records Management, aber ohne Mehrwert für die WienerInnen. Viel wichtiger aus Wiener Sicht erscheinen mir daher, während wir auf die Ergebnisse der Stresstests und auf den Ausgang der Berufung gegen Mochovce warten, Fragen wie: Was können wir noch tun, um im Falle eines Ernstfalles, also einer Katastrophe, maximale Sicherheit für die WienerInnen zu garantieren? Wie kann Wien in der europäischen Städtegemeinschaft Allianzen schließen, die Druck auf ihre jeweiligen Regierungen ausüben? Willensbekundungen sind gut und wichtig, können aber nur ein erster Schritt sein. Konkrete Maßnahmen, Aktionen und Initiativen sind notwendig. Wie kann Wien die Bundesregierung in der Umsetzung des Aktionsplanes konstruktiv unterstützen, anstatt nur Forderungen zu stellen? Und letztlich innerhalb der Stadtregierung: Wie kann die interne Abstimmung dieses ressortübergreifenden Themas verbessert werden?
Konkretes Beispiel: Deutschland hat sich nicht nur klar zum Atomausstieg committed, sondern auch mit der Stilllegung von acht Atomkraftwerken rasch gehandelt. Es sollte daher unser aller Interesse sein, diesen Schritt zu unterstützen. Umso unverständlicher ist es mir, dass ausgerechnet die Stadt Wien, konkret Wien Energie, die
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