Gemeinderat,
13. Sitzung vom 29.09.2011, Wörtliches Protokoll -
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GR Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Grüß Gott, sehr geehrte Frau Stadträtin!
Bereits
Anfang der 90er Jahre hat der Verfassungsgerichtshof ein weiteres Mal das
ungleiche Pensionsalter zwischen Männern und Frauen als verfassungswidrig, weil
gleichheitswidrig, aufgehoben. Es ist, nebenbei bemerkt, auch ein Widerspruch
zum EU-Primärrecht. Der damalige Verfassungsgesetzgeber hat diesen gleichheitswidrigen
Zustand bis weit in die 2020er und 2030er Jahre zementiert und erst beginnend
mit dem Jahr 2024 eine stufenweise Anhebung vorgesehen.
Abgesehen
von der Geschlechtergleich- und -ungleichbehandlung zeigt sich, dass dieses
ungleiche Pensionsalter auch für Frauen einen Nachteil bedeutet, nicht nur
einen Vorteil, weil sehr viele Kollektivverträge und Arbeitsverträge vorsehen,
dass bei Erreichen des Pensionsalters, oft sogar schon des Frühpensionsalters,
ein Dienstverhältnis beendet wird, weil man ohnehin dann in das Pensionssystem
kommt und dadurch Frauen, die länger arbeiten wollen, auch um die Möglichkeit
gebracht werden, zusätzliche Versicherungszeiten und damit eine höhere Pension
zu erwerben.
Können
Sie sich, im Hinblick auf diese negative Begleiterscheinung des früheren
Pensionsalters, vorstellen, dass man die Angleichung zwischen Männern und Frauen
unter diesem Aspekt vielleicht etwas früher beginnt?
Vorsitzender
GR Mag Dietbert Kowarik:
Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf
StRin Sandra Frauenberger:
Herr Gemeinderat!
Nein.
Ich war auch schon als Gewerkschafterin und als engagierte Frauenpolitikerin
damals in die Vorbereitung dieser gesetzlichen Maßnahme eingebunden. Mein
Argument, damals wie heute, ist, solange Frauen strukturell so benachteiligt
sind, wie sie es sind, können wir nicht ohne Maßnahmen, die die Frauen in eine
tatsächliche Gleichstellung bringen, solche gesetzlichen Veränderungen
herbeiführen.
Sprich,
solange die Frauen überall benachteiligt sind, kann man diesen vermeintlichen
Nachteil nicht ausräumen, ohne dass man Maßnahmen setzt, die die Frauen
tatsächlich dorthin bringen.
Wir
hatten damals über viele Parteien hinweg eine gute Einigung gefunden, dass wir
parallel zum Angleichen des Pensionsalters von Frauen Gleichstellungsmaßnahmen
setzen, die, vom Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das damalige
gesamte Karenzpaket, wenn ich daran erinnern darf, über die beruflichen
Wiedereinstiegsmaßnahmen, über die Maßnahmen zum Schließen der
Einkommensschere, eben ein gleichzeitiges Heranführen bedeutet haben. Das
heißt, man hat versucht, das im Gleichklang zurückzunehmen und die
Gleichstellung nach vorne zu fahren.
Wenn
man jetzt die reale Situation von Frauen betrachtet und man noch immer, in Wien
zum Beispiel, mit einer sehr guten Erwerbssituation von Frauen eine Einkommensschere
von über 20 Prozent hat, dann sieht man, dass die Realität der Gleichstellung
noch nicht dort ist, wo wir sie haben wollen. Das Tempo ist, wie es ist und im
selben Tempo soll auch die Pensionsanpassung passieren.
Vorsitzender
GR Mag Dietbert Kowarik: Die
2. Zusatzfrage wird gestellt von Frau GRin Mag Feldmann.
GRin Mag Barbara Feldmann (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Stadträtin!
Wie
wir wissen, beträgt die Einkommensschere in Wien nach wie vor 25 Prozent, was
soviel bedeutet, wie dass die von Ihnen gesetzten Maßnahmen kaum Wirkung
gezeigt haben.
Ich
frage Sie: Sprechen Sie sich angesichts dieser Tatsache für die Schaffung eines
Einkommensanwaltes aus, der als unabhängiges Organ ähnlich dem Volksanwalt für
Fairness im Bereich der Entlohnung tätig sein und Beschwerden über
Einkommensunterschiede prüfen soll sowie bei Missstandsfeststellung sowohl an
den Landtag berichten als auch das Unternehmen ansprechen könnte?
Vorsitzender
GR Mag Dietbert Kowarik:
Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf
StRin Sandra Frauenberger:
Frau Gemeinderätin!
Ich
spreche mich für Ihre strukturelle Maßnahme der Anwaltschaft nicht aus, aus dem
einfachen Grund, weil wir ein sehr gutes Instrument der Gleichbehandlung haben.
Wir haben in der Privatwirtschaft die Gleichbehandlungsanwältin, die
hervorragende Arbeit leistet, wo wahnsinnig viel Know-how ist und wo viel
weitergegangen ist, und wir haben auf der Wiener Ebene gemeinsam erst im
vergangenen Jahr beschlossen, die Gleichbehandlung auf neue strukturelle Beine
zu stellen, wo in Wirklichkeit natürlich auch diese Aufgaben drinnen sind, die
sie gerade beschrieben haben.
Darüber
hinaus verwehre ich mich, dass nichts weitergegangen ist, denn wenn Sie mir am
Beginn zugehört haben, ist die Einkommensschere in der Stadt Wien 21,2 Prozent
und nicht 25 Prozent. 2010 war der Equal Pay Day am 10. Oktober und 2011 ist er
am 15. Oktober. Also ich glaube, wir bringen hier beachtlich viel weiter, aber
was uns alle miteinander eint, ist der Kampf darum, dass wir auch diese 21,2 Prozent
schließen und dass es ein tatsächlich gleiches Einkommen für gleichwertige Arbeit
gibt.
Vorsitzender
GR Mag Dietbert Kowarik: Die
3. Zusatzfrage wird gestellt von Frau GRin Mag Wurzer.
GRin Mag Martina Wurzer (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau
Stadträtin!
Wie
wir jetzt schon mehrmals gehört haben, verdienen Frauen in Österreich
durchschnittlich um ein Viertel weniger als Männer. Sie haben es bereits
ausgeführt. Mitursächlich dafür ist auch die berufliche Geschlechtersegmentierung
der Erwerbsarbeit, die sich seit den 60er Jahren in Österreich kaum verändert
hat. Das heißt, immer noch entscheiden sich Mädchen und Buben für sehr
stereotype und traditionsverhaftete Berufsbilder. Die Mädchen wählen bei den
Lehrberufen immer noch hauptsächlich aus drei Lehrberufen aus. Das hat sich
kaum verändert seit den 60er Jahren. Sie werden immer noch hauptsächlich
Friseurin, Einzelhandelskauffrau und Bürokauffrau. Wir wissen, dass die Löhne
hier sehr niedrig sind.
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