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Gemeinderat, 62. Sitzung vom 30.06.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 108

 

sagt, in der EU gibt es eine Armutsgrenze, wo die Gefährdung bei 950 EUR angelegt wird.

 

Die Frage ist aber auch, dass wir natürlich feststellen, die Leistungen, die hier erfolgen, sollen in erster Linie für österreichische Staatsbürger gegeben werden, nicht für andere. Wir haben eine fast gleichzeitige Entwicklung in Sachen Mindestsicherung, wenn sie kommt, wie es jetzt läuft, und der Öffnung des Arbeitsmarktes im Jahr 2011. Das wird ein echtes Problem werden. Wie schaut das aus, wenn hier Zuwanderer in größerer Zahl hereinkommen, angelockt von den Sozialleistungen, und es genügt im Grunde genommen der Meldeschein in Wien, um im Großen und Ganzen den Bezug zu sichern? (GRin Kathrin Gaal: So ist das nicht!) Na, freilich ist das so. Nach einer gewissen Zeit natürlich erst, keine Frage, aber das kann man ja sichern. Wie schaut es mit den Nachbarländern aus, mit den Sozialleistungen dort? Gibt es eine grenzüberschreitende Kontrolle, das heißt, wird hier versucht, mit den Nachbarländern eine Abstimmung zu finden, damit nicht Doppelbezüge, wo auch immer, stattfinden? Das ist ein wesentlicher Punkt.

 

Und noch etwas muss ich feststellen: Für mich ist zum Beispiel die Frage der atypischen Arbeitsverhältnisse ungeklärt und das Thema Leiharbeit. Das Thema Leiharbeit gehört einmal auf den Tisch, gehört diskutiert, hier gehören Beschränkungen eingeführt, und es muss dafür gesorgt werden, dass hier neue Verhältnisse geschaffen werden.

 

Meine Damen und Herren! Das jetzt vorgelegte Paket ist kein Paket, ist ein Einzelstück, ist bruchstückhaft und ist im Großen und Ganzen keine endgültige Lösung, schon gar keine für die Armutsbekämpfung. Es ist eher etwas, womit man in der Armut verbleibt, und es bietet keine Lösung und keinen Anreiz, dass man eine Beschäftigung aufnimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Kollege Margulies ist am Wort.

 

11.08.49

GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Alle Parteien beschwören den Mindestlohn, um Armut zu überwinden. Die GRÜNEN haben gestern einen Antrag gestellt, 1 500 EUR Mindestlohn bundesweit, 1 500 EUR Mindestlohn in Wien. Alle Parteien haben es abgelehnt.

 

Problem: Sie wollen die Armut nicht wirklich bekämpfen, Sie brauchen niedrige Löhne als Argument gegen die Mindestsicherung. (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Die haben wir ja nicht!) Kommen wir zu dieser Mindestsicherung: Obwohl die Mindestsicherung da ist, sage ich ganz bewusst, wurde auf all jene Menschen vergessen, die 40 Jahre lang gearbeitet haben und nach wie vor eine Minipension beziehen. Wir sagen ganz offen, wer viele, viele Jahre gearbeitet hat, hat einen Anspruch auf zumindest 1 000 EUR Mindestpension.

 

Jetzt ist es tatsächlich so: Die SPÖ – nicht die Wiener –, sitzt mit Ausnahme von sechs Jahren kontinuierlich in der Regierung, die ÖVP, die letzten 24 Jahre kontinuierlich in der Regierung – und was passiert? Die Pensionen sinken. Sie machen nichts dagegen. Nicht die GRÜNEN sind verantwortlich, dass die Pensionen sinken, nicht die GRÜNEN sind verantwortlich, dass es nicht 1 000 EUR Mindestpension gibt, sondern SPÖ und ÖVP. Denn Sie schauen, dass die hohen Pensionen auch hoch bleiben, denn Sie schauen, dass die Menschen keinen anständigen Mindestlohn bezahlt bekommen, der sich auch bei den Pensionen niederschlagen würde. Es geht Ihnen überhaupt nicht darum, Armut zu überwinden. Sie haben die SPÖ sogar dazu gebracht, auf 14 Mal Mindestsicherung zu verzichten. War nicht schlecht, wie Sie das gemacht haben. Ich kann mich noch erinnern, wie der Kollege Hundstorfer gesagt hat: „Nein“, das kommt 14 Mal, das ist notwendig. Dann stellt sich die ÖVP hin und sagt: „Nein“, 14 Mal darf das auf keinen Fall sein, schwupps, waren es schon nur mehr 12 Mal. Und das wird jetzt verteidigt.

 

Damit sind wir beim nächsten Problem. Diese Mindestsicherung reicht nicht aus, um die Kinderarmut zu bekämpfen, und genau deshalb haben wir als Grüne die Initiative gegen Kinderarmut gestartet. Schließen Sie sich uns an in unserer Initiative, dass es in Wien keine Kinderarmut mehr gibt, und machen Sie es nicht so, wie die Staatssekretärin Marek, die als erste Tat nach dem 10.10. die 13. Familienbeihilfe streichen wird! Mit Zustimmung der SPÖ! Mit Zustimmung der SPÖ plant die Familienpartei, die 13. Familienbeihilfe zu streichen. (GR Dr Matthias Tschirf: Das ist nur eine Behauptung!) Entschuldigung, das hat Ihre Frau Staatssekretärin – übrigens Ihre Spitzenkandidatin, die sich in Wien eh nie sehen lässt – gesagt. Die 13. Familienbeihilfe werden wir einsparen müssen. Wir müssen in diesem Bereich sparen. Sparvorgabe vom ÖVP-Finanzminister Pröll. Wir müssen auch bei den Kindern sparen.

 

Ja, die 13. Familienbeihilfe wird gestrichen werden, und die Pensionen steigen nicht. Da arbeiten Leute ihr ganzes Leben lang, haben ihr ganzes Leben lang auch zu relativ schlechten Gehältern gearbeitet und dann möchte man ihnen in Wirklichkeit keine Pension geben, aber dafür ein Transparenzkonto, ein Neidkonto. Ein Transparenzkonto, das nicht die hohen Uralt-Politiker- und Politikerinnenpensionen umfasst, von Menschen, die drei-, vierfach Einkommen haben, sondern das umfassen muss, ob nur ja nicht irgendjemand, der dann die Mindestsicherung bekommt, vielleicht noch auf einem Sparbuch 5 000 EUR hat und um das zu viel bekommt.

 

Ich meine, das ist der nächste Punkt: Es muss so viel verwertet werden, dass jemand, der einmal in der Mindestsicherung drinnen ist, de facto kaum eine Chance hat, sich wieder selbst aufzurappeln. Und das ist wirklich eine Beleidigung, dieses Verwertungsgebot. Ich glaube, alles, was über 3 500 EUR ist, muss dann letztendlich verwertet und herangezogen werden. So züchtet man sich die Armen für die Zukunft.

 

Und das Traurige dahinter – und damit komme ich zum Ende – ist, dass wir in einem System leben, wo sehr, sehr viele Menschen von der Armut einer breiten Masse auch profitieren. Denn nur wenn sich die Armen darum streiten, auch nur jeden Arbeitsplatz anzunehmen, damit es ihnen ein bisschen besser geht, können die Reichen und Vermögenden sich auf ihre fettgefüllten Wänste klopfen und sagen: Ja, wir haben es geschafft!

 

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