Gemeinderat,
60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll -
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erinnern. Ich möchte gar nicht mehr zu sehr auf die Historie eingehen,
das wurde ja jetzt in Märchenform noch einmal wunderbar dargestellt. (GR
Godwin Schuster: Das war aber ein Märchen!) Aber man könnte es dazu noch
ein bisschen illustrieren.
Was mir nämlich als einem, der sich immer mit dieser Materie beschäftigt
hat, noch sehr gut in den Ohren ist, sind die Interviews der handelnden
Personen, vor allem der Bankmanager. Warum damals die Z die Creditanstalt
schlucken musste: Damals hieß es (GR
Dipl-Ing Martin Margulies:
Synergieeffekt!), man muss eine größere österreichische Bank, eine
größere Einheit schaffen, damit man sich gegen Übernahmen von außen wappnet,
damit Wien im internationalen Kontext konkurrenzfähig bleibt.
Na, wir wissen, ein paar Jahre später war die Sache anders. Dann kam die
HVB, da hieß es wieder: Jetzt muss man eine Bank der zentraleuropäischen Region
schaffen, man muss sich gegen feindliche Übernahmen wappnen und, und, und. Das
hat auch wieder nichts genützt, letzten Endes wurde alles - wie heute schon
besprochen - von der UniCredit geschluckt. Das ist
wirklich eine nicht enden wollende Geschichte.
Wenn ich mir heute den Wert des UniCredit-Paketes
in der AVZ-Stiftung anschaue, dann brauche ich mir
nicht Bilanzen oder sonst etwas anzuschauen, sondern ich brauche mir nur den
aktuellen Tageskurs der UniCredito anzuschauen: Dieser liegt bei 1,73,
1,74 EUR. Mit einem Anteil von 0,9 oder 1 Prozent sind wir also bei
knapp unter 200 Millionen EUR als Wert dieses Anteils. Das ist einmal
ein Faktum, das ist so. Das war einmal anders: Zum Höchststand des Bank Austria Kurses war unser Anteil daran
1,7 Milliarden EUR. Das kann man nicht wegwischen, das kann man nicht
leugnen: Da sind 1,5 Milliarden EUR weg, futsch!
Jetzt weiß ich schon, dass Sie mir sagen: Mein Gott, das ist nur eine
Momentaufnahme, das ist ja nur der heutige Kurs. - Wissen Sie, was 2003 gesagt
wurde? Genau dasselbe! Damals war nämlich die HVB am Mindestkurs,
interessanterweise in ähnlicher Höhe wie heute die UniCredito, und da hieß es
auch so. Ich habe Randa noch im Ohr, er hat
wortwörtlich gesagt: „Die Anleger müssen eben einen langen Atem haben."
Jetzt haben wir als Stadt Wien schon seit 14 Jahren einen langen Atem,
aber es wird immer nur weniger, es geht nur abwärts!
Jetzt überlegen Sie sich das einmal: Von den
200 Millionen EUR, die es heute wert ist, müsste sich, von unten nach
oben betrachtet, der Kurs verneunfachen, damit wir
wieder auf unsere 1,7 Milliarden EUR von früher kämen! Glauben Sie
wirklich, wir werden das noch einmal erleben? Vielleicht in ein paar
Generationen, alles ist in der Finanzwelt heutzutage möglich, aber es ist sehr
unwahrscheinlich.
Ich finde es wirklich fast schon ein Zauberkunststück - das muss man ja
sagen, die Frau Vizebürgermeisterin ist eine Magierin in vielen Dingen: Sie
lässt Dinge, nämlich vor allem die Verantwortlichkeit, einfach verschwinden!
Das haben wir heute bei der Feuerwache schon gehört, das ist bei der Bank Austria so. Immer, wenn hier etwas verschwindet - wobei sie
damals nicht Finanzstadträtin war, das muss man fairerweise
auch dazusagen -, wann immer etwas verschwindet an Geldwerten, an Aktien, oder
wenn etwas schiefgeht: Die Stadt Wien ist es nie! Es ist nie ein Mitglied
dieser Stadtregierung schuld, es ist nie die SPÖ schuld, es sind die äußeren
Umstände. (GR Godwin Schuster: Die ÖVP war nie dabei!) Bitte? (GR
Godwin Schuster: Lesen Sie einmal im Protokoll dazu nach, was Görg ...)
Ja, danke, Herr Kollege! Da bin ich jetzt dankbar für den Hinweis, weil
ich gewusst habe, dass das kommt: Thema Görg. (GR
Godwin Schuster: Da gesagt, wo Sie jetzt stehen!) Wir wollten - und das
wissen Sie ganz genau, weil Sie damals auch schon in der Koalition waren - eine
Vollprivatisierung. Das war immer das erklärte Ziel: privatisieren, verkaufen.
Das ging nicht! Warum nicht? Es waren damals zwei Parteien in der Koalition,
ÖVP und SPÖ. Die ÖVP war dafür; raten wir einmal mit List: Wer war denn dann
dagegen? (Zustimmende Geste des GR Godwin Schuster.) Die SPÖ! Sie haben
recht, Sie waren dagegen, gut, okay.
Was haben wir damals mit unserem Privatisierungswunsch noch bezweckt?
Letzten Endes war das auch der Grund, warum wir der Übernahme zugestimmt haben:
die Haftungsauflösung, die Abschmelzung der Haftungen. (GR Godwin Schuster:
Fragen Sie Tschirf, was dahinter gestanden ist!)
Meine Damen und Herren, die ÖVP war damals gut damit beraten: Auf
12 Milliarden EUR sind die Haftungen mittlerweile abgeschmolzen,
damals waren es 55 Milliarden. Es sind mir auch die
12 Milliarden EUR noch immer zu viel, aber immerhin sind es jetzt
80 Prozent weniger, als früher die 55 Milliarden EUR waren,
meine Damen und Herren! Wir haben gesehen, auch Hausherren gehen unter, Banken
gehen unter. Man weiß heute nicht einmal mehr, ob nicht auch Staaten selbst in
Europa untergehen können. Seien wir froh, dass wir diese Haftung weghaben!
Das heißt, der Kurs - und das ist Fakt -, den wir damals einschlagen
wollten, Privatisierung und Haftungsverminderung, abschmelzend, bis gar keine
Haftung mehr da ist, war goldrichtig. Das war völlig richtig, und ohne ÖVP wäre
es wahrscheinlich damals in der Koalition nicht einmal zu dem gekommen. (Beifall bei der ÖVP.)
Diese Bank Austria
Privatisierungsgeschichte ist wieder ein klassischer Fall für das rote Wien:
Man ist nie schuld, wenn etwas passiert. Einmal sind es die Aufsichtsräte, auf
die man keinen Einfluss hat, einmal sind es die Stiftungsvorstände, immer gibt
es irgendeine juristische Klausel, hinter der man sich versteckt. Und letzten
Endes heißt es eigentlich, die Stadt Wien hat auf gar nichts mehr einen
Einfluss: Wir haben auf unser Vermögen keinen Einfluss mehr, egal, ob das
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