Gemeinderat,
60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll -
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herausstellen und zu diesem Thema sprechen.
In der UNICEF-Studie wird auch der Frage nachgegangen, wie es die
nordischen Länder schaffen. Kollege Ellensohn hat gesagt: Was können wir davon
lernen? Ich kann Ihnen sagen, was wir davon lernen können, weil wir da in
Wirklichkeit bei der Prävention sind. Das habe ich mir auch sehr gut angeschaut.
Die wesentlichsten Punkte, wie es den nordischen Ländern gelingt, sind zum
einen: „Nordic policy places emphasis on helping people into paid work."
Das heißt, Arbeit! Arbeit schützt vor Armut, Arbeit schützt auch immer noch am
besten vor Kinderarmut.
Vor allem ist das aber der beste Schutz, wenn beide Eltern berufstätig
sind, und das ist auch in der Studie das zweite Stichwort, nämlich Gender Equality: Gibt es
ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen, sodass Frauen auch berufstätig sein
können? Wie wird Kinderbetreuung aufgeteilt? Wie wird Haushaltsarbeit
aufgeteilt?
Das dritte Stichwort ist Maternity. Das heißt,
in den nordischen Ländern geht man durchschnittlich entweder 42 Wochen in
Karenz und bekommt 100 Prozent des Einkommens für diese 42 Wochen, oder es
sind 52 Wochen und 80 Prozent des Einkommens. Schon 1997 - die Daten sind
ja alle schon etwas älter - waren in den nordischen Ländern über
70 Prozent der Frauen erwerbstätig. Das heißt, ein hoher Anteil von Frauen
im Arbeitsmarkt bedeutet einen niedrigeren Anteil von Kindern in Armut.
Das kann ich alles unterschreiben, das kann die Sozialdemokratie alles
unterschreiben. Leider gibt es andere Parteien, die sich nicht so leicht davon
überzeugen lassen, die erst äußerst mühsam und langsam davon überzeugt werden
müssen.
Aber nichtsdestoweniger geht es in die richtige Richtung: Wir haben
einen sozialdemokratischen Sozialminister, der Arbeitsmarktpolitik ernst nimmt
und da sehr viele Initiativen setzt. Wir haben endlich ein verpflichtendes
letztes Kindergartenjahr. Wir haben ein Vorschuljahr gefordert, das ist eine
langjährige Forderung der SPÖ. Wir haben einen intensiven Ausbau der
Kinderbetreuungsplätze in Wien schon seit Jahren. Wir haben heuer fast hundert
Prozent bei den Kindergärtenplätzen erreicht, und wir haben mehr
Kinderkrippenplätze in Wien als in allen anderen Bundesländern zusammen. Wir
haben ein einkommensabhängiges Karenzgeld, ein flexibles Kindergeld, wie auch
immer man es nennen möchte - eine jahrzehntelange, würde ich schon fast sagen,
Forderung der SPÖ.
Aber es gibt noch immer genug, das man machen kann, vor allem im
Bildungsbereich eine gemeinsame Schule für alle Kinder - auch die haben die
nordischen Länder, oder wir können es von mir aus auch gerne ein Gymnasium für
alle nennen -, oder endlich diesen Beschluss der Bedarfsorientierten
Mindestsicherung oder endlich die 1 000 EUR Mindestlohn, die auch in
einer sozialdemokratischen Regierung erreicht worden sind, flächendeckend
umzusetzen.
Das heißt letztlich, es gibt viele Schrauben, an denen man immer noch
drehen kann, an denen man drehen muss. Aber daran müssen alle Länder drehen,
und daran muss auch vor allem der Bund drehen. Die Sozialdemokratie ist immer
bereit, daran zu drehen! Wir sind auf allen Ebenen bereit, andere Parteien in
dem Saal sind es nicht. Ich würde sagen, Sie machen es dort, wo Sie
Verantwortung haben. Wir machen es in Wien schon längst! - Danke. (Beifall
bei der SPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächste am
Wort ist Frau GRin Jerusalem. Ich erteile es ihr.
GRin Susanne Jerusalem
(Grüner Klub im Rathaus): Meine sehr
verehrten Damen und Herren!
Ich werde versuchen, nur Dinge zu sagen, die unumstritten sind, wo also
alle, die mir hier gegenübersitzen, mit dem Kopfe nicken können.
Ich sage einmal den ersten Satz, der da lautet: Kinderarmut ist in einer
reichen Stadt wie Wien ein Skandal! Ich glaube, da wird niemand aufstehen und
sagen, ja, wenn es das gibt, dann ist das wirklich schlecht. Wir können uns
sicher auf diesen Satz einigen, denn der Streit und die Auseinandersetzung beginnt ja immer erst dann und dort, wenn es um konkrete
Zahlen geht, die genannt werden. Also werde ich keine konkreten Zahlen nennen.
Sie alle kennen sehr kleine Kinder, in der Familie oder am Spielplatz
oder wo immer man sie eben antrifft. Ich glaube, wenn man ihnen so zuschaut,
dann freut man sich über sie und mit ihnen, denn irgendwie sind sie fröhlich
und witzig und bewegen sich gern und sind voll Tatendrang und sind neugierig
und lernen. Sie saugen ja faktisch das Wissen und das Können und alle neuen
Fähigkeiten auf wie ein Schwamm.
Doch dann kommt für einige dieser Kinder - und da nenne ich jetzt wieder
keine Zahl, aber nachweislich kommt es dann für einige Kinder, und es sind zu
viele Kinder - das Stopp! Dieses Stoppschild heißt
Armut, und die familiäre Basis, die dazugehört, ist eben auch Arbeitslosigkeit,
Verschuldung und oft auch Alkoholismus. Ich glaube, es ist niemand hier in dem
Saal, der da Widerspruch einlegt und sagt, nein, das stimmt nicht, die GRÜNEN
erfinden irgendwelche Dinge, sondern wir wissen, dass es so ist.
Wenn wir dann kurz zurückdenken an diese Kinder, die
gerade noch so lustig, fröhlich, energisch, dynamisch und toll unterwegs waren,
so sind das wenige Jahre später Kinder, von denen manche unter einer
Mangelernährung leiden. Es sind Kinder, die vielfach in ihrer sprachlichen und
motorischen Entwicklung sehr verlangsamt sind. Das heißt, man merkt schon,
diese Kinder sind benachteiligte Kinder. Sie haben eine größere Anfälligkeit
für Krankheiten, und sie haben - auch das ist eine sehr, sehr wichtige
Angelegenheit - weniger Freunde und Freundinnen als andere Kinder. Denn sie
wohnen auch in kleineren Wohnungen und können weniger Kinder einladen. Was
heutzutage üblich ist, ist ja, Kinder machen zu ihrem Geburtstag Feste, laden
andere Kinder ein, und weil sie einladen, werden sie auch eingeladen. Es ist
ein gesellschaftliches Kleinkinderwesen, das sich da entwickelt, wo man eben
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