Gemeinderat, 60. Sitzung vom 31.05.2010,
Wörtliches Protokoll - Seite 73 von 102
zum Wort gemeldet
ist Frau GRin Praniess-Kastner. Ich erteile es ihr.
GRin Karin Praniess-Kastner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt
Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Stadträtinnen und Herr
Stadtrat!
Ja, lassen Sie mich wieder auf das Wochenende
zurückkommen, das schon angesprochen wurde. Es gab ja hier am Rathausplatz,
wenn wir hier rausschauen, unweit von hier, eine Leistungsschau und zwar auf
Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Aber heute, meine sehr verehrten
Damen und Herren, werden Sie wieder von der politischen Alltagsrealität
eingeholt, weil es einmal mehr um die Armut in dieser Stadt geht und dazu,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen, aber auch Herrschaften von der
Stadtregierung, fällt Ihnen nichts ein und zwar seit Jahren, nämlich kein
Gegenrezept, das notwendig wäre, um hier wirklich gegenzusteuern! In Wien, und
es wurde heute schon gesagt, gibt es 100 000 SozialhilfeempfängerInnen und
die Kinderarmut hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt! Nämlich
100 000 Kinder - und das möchte ich von hier noch einmal ganz deutlich
sagen - leben in Wien in Armut. Damit wir uns ganz klar sind, von welcher
Größenordnung wir sprechen und das wurde heute auch bereits erwähnt: Das ist
die EinwohnerInnenzahl der Stadt Klagenfurt. Und das, meine Damen und Herren
von der SPÖ-Stadtregierung, ist wahrlich kein Grund zum Jubeln, aber die SPÖ-Stadtregierung
jubelt doch. Ich brauche nur die kleinformatige Zeitung vom letzten Samstag
aufschlagen und auf Seite 23 blättern. Ich habe sie auch hier. Und dort
lesen wir in einem Inserat „Meine Stadt – Unser Wien“. Ich möchte es Ihnen auch
gerne hier zeigen, damit Sie sich alle erinnern. (GRin Karin
Praniess-Kastner zeigt die Zeitung.) Wahrscheinlich haben Sie
es alle gesehen. Und hier wird sozusagen ganz klar gemacht, dass die Stadt
erlebbar wird. Also die Sozialstadträtin sagt: „Damit die Stadt für alle erlebbar
wird, gibt es einen Mobilpass. Und für mehr als 100 000 WienerInnen ist
der Einstieg in ein aktives und selbstbestimmtes Leben damit gewährleistet.“
Diese 100 000 SozialhilfeempfängerInnen bekommen den Mobilpass nicht,
damit sie etwas erleben in dieser Stadt, wie es in dem Inserat steht, sondern
damit sie täglich überleben können. Und das, meine Damen und Herren, ist ein
gewaltiger Unterschied, denn es sind keine Schnäppchenjäger, die jeden Tag vor
den Wiener Sozialmärkten stehen, um zu günstigeren Preisen Lebensmittel fürs
Überleben zu erstehen. Das machen sie nicht aus Jux und Tollerei, sondern das
machen sie genau
deshalb, damit ihre Familien und ihre Kinder in dieser Stadt überleben können.
Die von Ihnen im Inserat angesprochenen Menschen mit wenig Geld haben
tatsächlich zu wenig, um sich täglich Brot leisten zu können, dieses Brot
bekommen sie gratis in den Sozialmärkten. Davon kann ich in diesem Inserat
nichts lesen, wo der Wiener Mobilpass für arme Menschen bejubelt wird.
Aber natürlich auch in dem jüngsten Sujet zur Mercer-Studie, wo immerhin
100 000 EUR ausgegeben wurden, um diese zu bewerben, nämlich am
nächsten Tag, nachdem die Studie veröffentlicht wurde, ist nichts davon zu
lesen. Das ist natürlich kein Wunder, weil für die Mercer-Studie, und das haben
wir heute schon mehrmals gehört, wurden ManagerInnen gefragt. Aber in diesem
Zusammenhang, Frau Stadträtin und Frau StRin Brauner, müssen Sie sich schon
einige Fragen gefallen lassen: Haben Sie die Wiener Sozialhilfe ... (Amtsf
StRin Mag Renate Brauner: Ich bin erst später dran!) Wie bitte? (Amtsf
StRin Mag Renate Brauner: Ich bin erst später dran! Nur dass Sie das nicht
verwechseln!) Aber ich finde es schön, Frau Finanzstadträtin, dass Sie auch
da sitzen, weil ich in diesem Zusammenhang auch eine Frage an Sie habe, und
zwar: Haben Sie die SozialhilfeempfängerInnen einmal nach ihren Eindrücken
gefragt und wie sie in dieser Stadt leben? Oder: Haben Sie einmal die KundInnen
der Sozialzentren gefragt, wie sie in dieser langen Wartefrist überleben, wo
sie für die Inanspruchnahme von Sozialhilfe warten? Oder, Frau StRin Brauner:
Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, ob dieses Pilotprojekt von Wien
Energie, von dem wir auch heute schon gehört haben, für den Wertkartenstrom
wirklich ein gutes Angebot für die SozialhilfeempfängerInnen ist? Für all jene,
die dieses Projekt nicht kennen: Da muss man im Voraus wissen, wie hoch der
Stromverbrauch sein wird, muss diesen im Voraus bezahlen und dann kann man
diese Karte in Anspruch nehmen. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie
hoch mein Stromverbrauch im nächsten Jahr sein wird, weil ich auch nicht weiß,
ich bin kein Wetterfrosch, wie das Wetter sein wird, wie kalt es sein wird und
wie hoch der Stromverbrauch sein wird. Das heißt, ich halte dieses Angebot für
ein nicht gutes Angebot für diesen Personenkreis.
Auch
die heute angesprochene Aktion des Gratisumtausches für Eiskästen oder die von
Ihnen propagierte Gratissteckdosenleiste: Auch diese Angebote sind ein Tropfen
auf dem heißen Stein. Wir, die ÖVP, hätten natürlich schon ein Rezept, und das
sagen wir auch immer: Wir würden in die Bildung investieren, in die
Arbeitsmarktpolitik, um bereits dabei eine Prävention im Sozialressort zu
betreiben. (GR Franz Ekkamp: Hört! Hört!)
Und, ich hab’ es schon angesprochen, es wurden ja für
diese Inserate und für die Bewerbung der Mercer-Studie 100 000 EUR
ausgegeben, Herr Kollege, Sie finden es lustig. (GR Franz Ekkamp: Nein! Ich
staune nur!) Ich nicht, weil wir könnten zum Beispiel mit diesen
100 000 EUR ... (GR Franz Ekkamp: Ich staune nur! Ich staune
nur!) Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, was wir tun könnten, um
Armut zu verhindern und vor allem Kinderarmut in dieser Stadt zu verhindern?
Wir könnten um diese 100 000 ausgegebenen Euro – und das war nur dieses
eine Inserat zur Bewerbung der Mercer-Studie – 500 armen Kindern in dieser
Stadt einen zehntägigen Erholungsurlaub bezahlen, statt den Menschen hier in
der Stadt
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