Gemeinderat,
60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll -
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erfolgreich gemacht wurden. Es wurden Wohnungen gebaut, es wurde für die
Gesundheit und so weiter der Armen gesorgt. Das hat eine gewisse Nachwirkung,
aber das ist 80, 90 Jahre her. Ja, wo sind die Arbeitsplätze, damit es den
Leuten besser geht? Die Arbeitsplätze sind in der Ära Häupl
verloren gegangen, systematisch und nicht erst seit der Krise. Und wenn ich mir
dann die ganze Beantwortung anschaue, gut, es ist sehr viel zu beantworten, so
spüre ich da eine gewisse soziale Kälte. Ja, 5 400 haben das bekommen und
2 900 haben das bekommen. Ja, es sagt ja keiner, dass nichts passiert,
aber ich müsste mich doch fragen: Wie kann das sein, dass wir sozusagen eine
vorbildliche sozialdemokratische Regierung in Wien haben und trotzdem
explodieren diese Zahlen? Wie kann das sein im achtreichsten Land der Welt,
dass wir plötzlich mit immer mehr Armut konfrontiert sind, mit immer mehr
Sozialmärkten? Und Sie wissen, speziell bei Kindern hat das
verschiedene ... Ich meine, es sind dann immer diese Vergleiche:
Subjektives Wohlbefinden an 4. Stelle, ja. Das ist so ähnlich wie mit
dieser Mercer-Studie. (Amtsf
StRin Mag Sonja Wehsely:
Von der UNICEF!) Ja, okay, aber das subjektive Wohlbefinden sollte man
nicht - es ist irgendwie kalt wenn man sagt: Subjektiv fühlen sie sich eh wohl,
da brauchen wir eigentlich nichts mehr tun. Kinder, die in armutsgefährdeten
Haushalten aufwachsen, haben einfach ungünstigere Entwicklungsbedingungen,
schulisch, beruflich, in der Freizeit. Die Belastungen sind höher, sie haben
weniger soziale Kontakte und es ist nach wie vor so, dass man die berufliche
Ausbildung nicht so machen kann, als wenn man aus einem nicht so armen Haushalt
ist.
Ich möchte das heute - wir haben noch sehr viel heute vor - nicht so
sehr in die Länge ziehen, aber was mir wirklich gefehlt hat, ist, dass man
sagt: Okay, wir machen viel, aber offensichtlich machen wir nicht genug. Machen
wir etwas gemeinsam! Schauen wir doch, ob wir noch mehr - wir müssen mehr
machen. Es kann ja nicht angehen, dass man sagt: Na gut, wir haben das und das
und das und trotzdem wird alles immer schlechter. Also mich macht das
betroffen. Aber offensichtlich ist diese soziale Kälte in der SPÖ jetzt nach
diesen Errungenschaften des Roten Wien in den letzten Jahrzehnten schon so weit
ausgeprägt, dass ... (GR Dr Harald Troch: Es passiert sehr viel!) Ja, was passiert denn?
Na, dann zahlen Sie die Mindestsicherung freiwillig 14 Mal in Wien aus!
Und mir fällt da ein, weil ich die Frau Vizebürgermeister sehe: Da gab
es einmal diese Presseaussendung, woran man so schön erkennt, wie abgehoben Sie
sind, das Family-Ticket für die Vereinigten Bühnen,
wo man die Ersparnis hat, dass man als ein Erwachsener mit drei Kindern, glaube
ich mich zu erinnern, statt 390 EUR nur mehr 290 EUR zahlt! Ja, wenn
man solche Sachen als soziale Errungenschaft herausgibt, braucht man sich nicht
zu wundern, dass das keiner versteht! Und wenn ich an das Sparpaket denke, das
jetzt kommt, wo ja die Streichung der 13. Kinderbeihilfe im Raum steht und
massive Kürzungen fürs AMS, dann frage ich, ob sich die Situation nicht noch
einmal spiralenmäßig verschärfen wird. Aber für
Werbung, für Plakate haben wir natürlich Geld! Und dann diese, wie soll man
sagen, Selbstberuhigung, sage ich es einmal positiv, mit diesen Veranstaltungen
gegen Armut. Da war doch jetzt neulich im Rathaus die Veranstaltung der
Volkshilfe „Armut tut weh“. Die Frau Bundespräsidentin hat ein Schild
hergezeigt „Armut tut weh“. Und selbst im Pressedienst der Volkshilfe steht
drinnen: „800 Prominente.“ Man hat sie alle im Fernsehen gesehen. Der
Dominic Heinzl hat berichtet. Ich habe auch schon
einmal darüber geredet. 800 Prominente haben dort gegen die Armut gesammelt und
dann haben die 800 nodigen Prominenten
9 200 EUR zusammenbekommen! Es kommen auf jeden Prominenten
12 EUR! Ich würde mich genieren, ich würde mich genieren! Und für das Geld
wurde dort auch gegessen und man hat Musikunterhaltung gehabt, statt dass man
die Kosten dieser ganzen Veranstaltung, einfach die Veranstaltung gestrichen
hätte und den Leuten einen Erlagschein für Spenden gegeben hätte - immerhin
sind ja viele in ihrem Erfolg auch von der Stadt Wien abhängig, viele Künstler
und so - und das Ganze gespendet hätte, hat man dann wunderbare
9 200 EUR, die dann halt noch von irgendwelchen großen Firmen ein bisschen
aufgefettet wurden, aber auch nur auf 40 000, wo die Veranstaltung im
Rathauskeller sicher mehr gekostet hat als diese 40 000 EUR. Aber das
finde ich echt, auf Wienerisch gesagt - ich hoffe, ich bekomme keinen
Ordnungsruf -, zum Kotzen! Da gehen Sie großartig mit Kameras herum, mit so
Plexiglasboxen und dann kommen 9 200 EUR zusammen bei 800
Prominenten, die sich dort den Wams vollfressen! Ja,
aber das ist offenbar symptomatisch. Und ich habe das auch schon gesagt, was
für mich auch symptomatisch ist: Beim Parteitag hat der Herr Bürgermeister
gesagt, 750 oder 744 EUR, das gibt ein anderer, manche Leute, die
nicht zustimmen, für eine Essenseinladung aus. Am 11. Mai wurde er von „Gault Millau“ zum „Feinschmecker
des Jahres“ gekürt. Jetzt kann er natürlich essen, was er will. Ausgeben tut er
wahrscheinlich nichts außer unser Steuergeld, weil er
alles auf Spesen machen wird, aber soll sein in einem Restaurant, wo ein
6-Gänge-Menü 160 EUR kostet. Aber bei seiner Kür zum „Feinschmecker des
Jahres“ war es ein 17-Gänge-Menü und dann kommen wir ungefähr hin in der
Preislage. Ich persönlich finde, es gibt kein besseres Zeichen, wie abgehoben
und wie weit entfernt von all den Problemen der kleinen Leute die SPÖ in Wien
heutzutage ist, indem ich mich bei diesen Zahlen, bei diesen erschreckenden,
ständig und zum Teil massiv steigenden Zahlen zum „Feinschmecker des Jahres“
wählen lasse, weil es eh wurscht ist, was die Leute
denken.
Meine Damen und Herren, Armut hat eine – und ich schließe mit einem
Ausspruch einer grünen Abgeordneten - Armut im achtreichsten Land der Welt ist
eine Schande! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächste
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