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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 29.04.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 18 von 89

 

finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert sind. Gemeinsam mit den restlichen 75 000 Personen macht das mehr als 100 000 Wienerinnen und Wiener aus, die aktuell in dieser wunderschönen Stadt, die in der Mercer-Studie so gelobt wird, Arbeit suchen und sich offensichtlich sehr, sehr schwer tun, eine zu finden.

 

Ich bleibe bei diesem Vergleich mit der Leopoldstadt und muss sagen, dass in gewisser Weise eine Gruppe von Wienerinnen und Wienern, die so groß ist wie ein ganzer Wiener Gemeindebezirk, einen blinden Fleck auf der roten Landkarte der Sozialdemokratie darstellt. Man tut sich natürlich sehr leicht, damit umzugehen, wenn man die Möglichkeit hat, die Betroffenen in der ganzen Stadt zu verstecken, wo sie halt über das Wohngebiet der Bundeshauptstadt verteilt wohnen, und man tut sich leicht, damit umzugehen, wenn man Kurse, mehr Kurse und noch mehr Kurse erfindet, in denen mehr und noch mehr und noch mehr arbeitslose Personen versteckt werden.

 

Es wäre wichtig, sich auch einmal an anderer Stelle und nicht am heutigen Tag der Qualität und der Sinnhaftigkeit dieser Kurse zu widmen. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen sich die Mühe gemacht haben, in der Früh vor dem AMS mit arbeitslosen Menschen zu sprechen, mit ihnen gerade auch über die Kurse zu diskutieren, die sie machen müssen, und sie zu fragen, was diese Kurse bringen und welche Qualität diese Kurse aufweisen. Diejenigen von uns, die das getan haben – und zwar quer über alle Fraktionsgrenzen hinweg –, wissen jedenfalls, dass damit ein – übrigens noch dazu sehr teurer – Irrweg beschritten wird. Denn das bringt gar nichts, und das nutzt vor allem denjenigen, die Arbeit suchen, überhaupt nichts. Die Betroffenen selbst empfinden das als Spott und Hohn.

 

Nachdem der Sinn der Aktuellen Stunde unter anderem darin liegt, den Finger auf jene Wunden zu legen und jene unschönen Themen aufzuzeigen, welche die Regierenden in dieser Stadt nicht so gerne von sich aus ansprechen, möchte ich noch ein paar Zahlen zur aktuellen Situation beisteuern, und zwar allesamt aus dem vergangenen Monat März, also ziemlich die aktuellsten, über die wir verfügen.

 

Wenn man genau hinschaut, wie es mit diesen 100 000 arbeitslosen Menschen in Wien aussieht, dann stellt man fest, dass inzwischen an die 30 000 langzeitarbeitslos sind und dass die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen in Wien gegenüber dem Vorjahr um satte 21 Prozent zugenommen hat.

 

Meine Damen und Herren! Eine weitere Zahl möchte ich noch beisteuern, nämlich die Anzahl der Frauen unter den arbeitslosen Menschen. Aktuell sind in Wien etwas über 28 000 Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen. Diesbezüglich ist Wien im Übrigen Schlusslicht im Bundesvergleich. Der Anstieg der Zahl der arbeitslosen Frauen gerade in der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen schlägt sich ebenfalls gegenüber dem Vorjahr mit satten 15,7 Prozent zu Buche, das sind nahezu 16 Prozent mehr arbeitslose junge Frauen gegenüber dem Vorjahr.

 

Dem gegenüber rühmt sich die Sozialdemokratie der hohen Erwerbsquote, die es in Wien unter Frauen gibt. Aber bei genauem Hinsehen stellt man fest, dass es sich hiebei hauptsächlich um Jobs handelt, von denen man einfach nicht leben kann: Es handelt sich um atypische Beschäftigungen, um prekäre Beschäftigungen und einmal mehr um Jobs, von denen man, um es auf den Punkt zu bringen, nicht leben kann.

 

Auch in diesem Zusammenhang lohnt ein kritischer Blick in die Statistik. Man merkt, dass seit dem Jahr 2005 auch die Anzahl der atypischen Beschäftigungen um ein gutes Drittel gestiegen ist, nämlich von damals 49 000 auf inzwischen über 65 000.

 

All das bringt mich zu einigen Schlüssen.

 

Erstens: Wir können nicht tatenlos zusehen, wie die Zahl der Betroffenen von Jahr zu Jahr zunimmt. Und wir können auch nicht weiterhin die Statistik beschönigen, indem wir Menschen in Kurse stecken, die ihnen weitestgehend nichts bringen.

 

Zweitens: Immer mehr Familien kommen auf Grund dieser Situation in Wien in sehr große Bedrängnis. Das hat einerseits damit zu tun, dass die Jobs immer spärlicher werden. Und selbst wenn man eine Arbeit findet, handelt es sich meist um eine, von der man nicht leben kann, oder sie ist unsicher.

 

Drittens steigen die Lebenshaltungskosten immer mehr, und zwar um nicht wenig. Ich nenne auch hier nur eine einzige Zahl, die das sehr schön auf den Punkt bringt: Die meisten von Ihnen werden wahrscheinlich an Hand der jüngsten veröffentlichten Zahl registriert haben, um wie viel die Mieten in den letzten drei Jahren zugenommen haben: Es handelt e sich um 19 Prozent Teuerung innerhalb von drei Jahren bei den Mieten bei Neuvermietungen.

 

In Anbetracht dessen meine ich, dass es an der Zeit ist, zu handeln. Und ich denke auch, dass es nicht möglich ist, dass die SPÖ diese Situation weiterhin schönredet und all das, was hier von der Opposition – so wie heute in der Aktuellen Stunde – vorgebracht wird, schlicht und einfach leugnet, von sich weist, keine Debatte zulässt und nur darauf hinweist, wie es die Frau Stadträtin heute einmal mehr in der Fragestunde getan hat, dass man ihr, wenn es bestimmte Einzelfälle gibt, das mitteilen möge, weil Frau Sowieso in ihrem Büro ohnedies ein offenes Ohr habe. – Darum geht es nicht, meine Damen und Herren! Selbstverständlich kümmert man sich darum, wenn man mit Einzelfällen konfrontiert ist. Natürlich tut man das! Was denn sonst? Aber darum geht es nicht! (GR Godwin Schuster: Und wer hat gelogen? – Das behauptest du ja gerade!)

 

Die StRin Wehsely hat meine Frage, ob sie denn bereit wäre, dafür zu sorgen, dass in keinem Haushalt mit Kindern mehr die Heizung abgedreht wird, damit beantwortet, dass ich, wenn es Einzelfälle gibt, diese ihrem Büro melden soll. – Ja, das tue ich! Und ihr Büro kümmert sich auch darum. Aber ich möchte nicht über Einzelfallbetreuung reden, und ich möchte nicht noch einmal über irgendwelche Schönfärbereimaßnahmen reden, so wie sie seit Jahr und Tag hier praktiziert werden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

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