Gemeinderat,
59. Sitzung vom 29.04.2010, Wörtliches Protokoll -
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Tatsache ist, dass wir auch in Zukunft in Wien garantieren werden, dass
es ausreichend Therapieangebote gibt.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 5. Zusatzfrage
wird von GRin Cammerlander gestellt.
GRin Heidemarie Cammerlander (Grüner Klub im Rathaus):
Frau Stadträtin!
Sie haben noch am 16. April dem „Standard“ gegenüber gesagt, dass –
ich zitiere – „durch eine Einsparung derselben“ – Spritzen sind
gemeint – „nicht der Drogenkonsum verringert, sondern die Infektionsgefahr
gesteigert“ werden würde. – Das entspricht den Aussagen aller ExpertInnen
sowie der SozialarbeiterInnen von Streetwork. Jetzt wird der Spritzentausch auf
dem Karlsplatz, wo sich die Leute aufhalten, aber eingestellt.
Dazu muss ich Ihnen ehrlich sagen: Ich weiß nicht, mit wem Sie auf dem
Karlsplatz reden, wahrscheinlich ab und zu auch mit der Geschäftsführung!
Jedenfalls herrscht unwahrscheinlich viel Frustration bei den MitarbeiterInnen
ebenso wie bei den Mitgliedern der Polizei, mit denen ich rede.
Es gibt Suchtkranke, die allein am Mittwoch Vormittag, wenn Streetwork
Teamarbeit leistet, nicht einmal den Weg bis zum Ganslwirt schaffen. Meistens
sind es Kokain-Abhängige, die fünf- bis sechsmal am Tag konsumieren, das
brauchen und die Spritzen tauschen. Diese Spritzen werden in nächster Zeit
wieder im Park liegen, in den WC-Anlagen vielleicht weniger, aber jedenfalls im
öffentlichen Raum.
Diese Leute gehen von dort nicht weg, das wissen wir jetzt seit 16
Jahren, und ich habe jetzt auch nicht die Hoffnung, dass sich etwas verändert,
wenn man beim gleichen Konzept bleibt. – Daher meine Frage: Was werden Sie
tun, dass zumindest die Spritzen nicht im Park herumliegen und wenigstens
unsere Kinder nicht dann kommen und sagen, dass sie eine Nadel im Finger haben,
was ja immer wieder vorkommt?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Stadträtin!
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Frau Gemeinderätin!
Ich habe Ihnen schon zu Ihrer ersten Frage gesagt, dass überhaupt nichts
eingestellt wird, sondern wir das Angebot erweitern. Wir erweitern das Angebot
im räumlichen Sinn und im personellen Sinn. Es wird zukünftig noch mehr
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Verein Wiener Sozialprojekte geben, die
sich um die Drogenkranken, aber auch um deren Umfeld kümmern werden.
An einer Stelle, an der sich eine Großbaustelle befindet, wird niemand
stehen können! Man könnte jetzt einerseits sagen, dass es ganz gemein ist, dass
dort keiner mehr ist und keiner mehr hinfindet, und nichts tun. Das unterstütze
ich nicht. Andererseits können wir uns aber rechtzeitig auf diese Situation
einstellen.
Ich weiß, dass Sie mit Menschen sprechen. Ich tue es auch. Dann werden
Sie aber sicherlich auch wissen, dass zwei Drittel all jener, die auf dem Karlsplatz
Spritzen tauschen, sich nicht auf dem Karlsplatz aufhalten. Daher ist es für
diese Zielgruppe vollkommen egal, ob das auf dem Karlsplatz oder anderswo
stattfindet, denn das Angebot bleibt ja aufrecht und wandert nur örtlich vom
Karlsplatz zum Ganslwirt und das Bistro, das sich auf dem Karlsplatz befindet,
wandert ins TaBeNo. Das heißt, es handelt sich einfach nur um eine örtliche
Verschiebung, und diejenigen Frauen und Männer, die im TaBeNo betreut werden,
werden selbstverständlich im Rahmen der psychosozialen Betreuung dort ihren
Spritzentausch vornehmen können.
Dort ist auch Spritzentausch für Menschen aus den Bundesländern möglich.
Wie Sie wissen, tauschen sehr viele Menschen auf Grund der schlechten
Versorgung überall außerhalb Wiens die Spritzen in Wien. Die Menschen, die
nicht in Wien wohnen, werden zukünftig statt auf den Karlsplatz zum Ganslwirt
fahren, und es wird hier kein Problem geben.
Wir können das gerne im Herbst retrospektiv diskutieren. Ich glaube, es herrscht
hier eher ein bisschen das Motto: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“
Wir planen vorausschauend, weil es auf einer Großbaustelle für
Suchtkranke nicht die Möglichkeit geben wird, sich dort aufzuhalten, und davor
verschließen wir nicht die Augen, sondern schaffen rechtzeitig alternative
Betreuungs-Settings. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke für die
Beantwortung der 5. Frage. Damit ist die Fragestunde beendet.
Wir kommen nun zur Aktuellen Stunde. Der Grüne Klub im Rathaus hat eine
Aktuelle Stunde mit dem Thema „Rekordarbeitslosigkeit als Dauerzustand. Schon
über 100 000 WienerInnen ohne Arbeit“ verlangt.
Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs 2 der Geschäftsordnung
ordnungsgemäß beantragt.
Ich bitte nun die Erstrednerin, Frau GRin Mag Vassilakou, die Aktuelle
Stunde zu eröffnen, wobei ich bemerke, dass ihre Redezeit mit zehn Minuten
begrenzt ist.
GRin Mag Maria Vassilakou (Grüner Klub im
Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Verehrte Damen und Herren!
Ich möchte mit einer Quizfrage beginnen: Wer von Ihnen weiß, welcher
Bezirk in Wien eine Wohnbevölkerung von zwischen 90 000 und 100 000
Personen hat? Weiß es jemand ad hoc? – Also gut, dann verrate ich es: Es
ist die Leopoldstadt. Die Leopoldstadt hat ein bisschen mehr als 90 000
Einwohnerinnen und Einwohner. Nun stellen Sie sich einmal vor, dass die gesamte
Leopoldstadt arbeitslos ist! – Das ist nämlich genau die aktuelle Zahl der
Arbeitslosen in Wien. Etwas über 100 000 Wienerinnen und Wiener sind
derzeit in Wien arbeitslos.
Sie werden wahrscheinlich sagen: Das stimmt nicht!
Die offizielle Statistik weist etwas über 70 000 Arbeitslose aus. Die
Tatsachen sehen aber anders aus, und das wissen Sie, und das wissen wir:
75 000 Menschen sind offiziell von der Statistik als „arbeitsuchend“
erfasst. Dazu kommen aber noch an die 31 000 Menschen, die derzeit in
AMS-Kursen versteckt sind und daher von der Statistik nicht erfasst werden,
aber dennoch keine Arbeit haben und auf der Suche nach einem Job sind, von dem
man auch leben kann, und die dennoch mit massiven
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