Gemeinderat,
58. Sitzung vom 25.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 46
gemeinsam nicht leugnen können.
Es wurde letztes Mal eine Studie „Suchtkranke im öffentlichen
Raum" präsentiert, und da wurde angemerkt, dass sich die Mehrzahl der
Gruppen ruhig verhält – ich möchte gerne wissen, woher dann die Berichte der
Polizeieinsätze, die wir täglich in den Tageszeitungen finden, rühren – und –
darauf möchte ich dann zu sprechen kommen – dass die Mehrzahl der Gruppen
toleriert wird.
Sehr geehrte Frau Stadträtin, ich frage Sie: Wer toleriert diese
Gruppen am Karlsplatz? Wir haben da wirklich ein massives Problem. Die
Geschäftsleute, wissen wir, werden abgesiedelt. Die tolerieren das nicht. Die
PassantInnen tolerieren diese Szene nicht, und die Eltern der ansässigen
evangelischen Schule, die eine Schutzzone verlangt haben, tolerieren das auch
nicht. Die Einzigen in dieser Stadt, die diese Szene dort tolerieren, das ist
die SPÖ-Stadtregierung, die da nämlich den Kopf in den Sand steckt.
Meine Damen und Herren! Es wird uns im Drogenbeirat auch erzählt, dass
die Zahl der Drogenkranken stabil bleibt. Ich frage, woher dann die Zahlen der
Spritzentauschaktion kommen, die sich in den letzten vier Jahren verdoppelt
haben.
Und jetzt komm ich auch schon zum Wiedner Gürtel, zu unserem Thema, wo
ja an und für sich der Ganslwirt 1, der ja im zweiten Halbjahr 2011
eröffnet werden soll in der Wallgasse, eine Entlastung versprochen hat. Wenn
uns in Zahlen weisgemacht wird, dass das Problem sich nicht verdoppelt, woher
kommt es dann, dass wir plötzlich eine Ausweiche im 4. Bezirk brauchen?
Meine Damen und Herren, auch bei Gutgläubigkeit drängt sich da der
Verdacht einer Parallele zum Ganslwirt 1 auf. Warum? Die BürgerInnen
wurden damals auch nicht informiert, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt.
Dass die Opposition nicht informiert wird, das sind wir ja sowieso gewöhnt. Das
heißt, es gibt eine Politik des Drüberfahrens von dieser SPÖ-Stadtregierung.
Und zur FPÖ, die behauptet, sie seien die Einzigen, die Bürgeranliegen
vertreten: Also seien Sie mir nicht böse! Sie wiegeln die Bürger auf, Sie
machen Druck, Sie machen schlechte Stimmung. Dafür sind wir nicht zu haben.
Sondern im Gegensatz dazu sind wir die einzige Partei, die etwas tut, und das
ist der Grund, weshalb diese Einrichtung jetzt auf den Wiedner Gürtel kommt.
Die SPÖ versagt kläglich in ihrer Politik. Wir brauchen uns nur die Pankahyttn
anzuschauen. Da musste der SPÖ-Bezirksvorsteher zurücktreten, weil die SPÖ es
einfach nicht kann.
Daher kommt diese Einrichtung jetzt in einen ÖVP-Bezirk, weil wir die
Einzigen sind, die die Anliegen der BürgerInnen ernst nehmen, aber im Gegensatz
zu Ihnen die Bürger nicht aufhetzen, im Gegensatz zur Stadtregierung die
Bürgeranliegen nicht negieren, sondern sie ernst nehmen, Lösungen anbieten, und
wir damit beweisen, dass wir es können. (Beifall
bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächste am Wort ist Frau GRin Dr Laschan. Ich erteile es ihr.
GRin Dr Claudia Laschan (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates):
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte auf eine prinzipielle gesellschaftliche Situation eingehen.
Wenn wir uns die Tierwelt anschauen, dann ist es dort so, dass nur die Starken
überleben und die Schwächeren zugrunde gehen. Wenn kleine Kinder zum Beispiel
auf der Straße ein krankes Vogerl sehen und es mit nach Hause nehmen wollen aus
dem Impuls heraus, helfen zu wollen, dann sagen die Großväter und die
Großmütter: Lass es! So ist es eben! Die Natur ist eben grausam.
Eine menschliche Gesellschaft ist aus heutiger Sicht danach zu
bewerten, wie sie mit den Schwächsten aus ihren Reihen umgeht. Vor dieser
Erkenntnis gibt es schon seit Jahren quer durch alle politischen Lager die
Diskussion um die Individualisierung der Gesellschaft. Das eine Extrem ist die
unbedingte Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung, die
Ellbogengesellschaft, das Pyramidenspiel, das Glücksspiel mit dem Geld anderer
Leute, was letztendlich in die aktuelle Finanzkrise und die daraus resultierende
Weltwirtschaftskrise gemündet hat.
Die
extreme Individualisierung stellt sich aber auch im alltäglichen Leben dar.
Zwischenmenschliche Beziehungen sind in Auflösung. Wenn ein Mensch
zusammenbricht, bewusstlos wird, schauen andere lieber weg, leisten keine Erste
Hilfe. Diese Meldungen haben sich in den letzten Jahren gehäuft.
Niemand
will eine Kläranlage oder eine Müllverbrennung in seiner Wohnumgebung haben,
obwohl die Notwendigkeit solcher Einrichtungen anerkannt und unumstritten ist, und
niemand will ein Obdachlosenheim oder eine Einrichtung für Drogenabhängige in
der Nachbarschaft haben. Hier wird dann manchmal auch von einzelnen
Gruppierungen die Notwendigkeit bezweifelt. Da kommt dann schnell die
Schuldfrage – der ist doch selber schuld an seiner Situation, er soll schauen
wo er bleibt –, und diese Schuldfrage – sie kommt auch manchmal unterschwellig
und nicht so direkt – ist im Gesundheitswesen eine zutiefst
gesellschaftspolitische und ideologische, denn die Unterstellung der individuellen
Schuld an einer Erkrankung dient konservativen Kräften als Rechtfertigung für
die individuelle Kostenverantwortung, zum Beispiel als Rechtfertigung für noch
mehr Selbstbehalte. Also kurz gesagt: Wenn du krank bist, bist du selber
schuld, und weil du selber schuld bist, musst du auch selber zahlen für deine
Gesundung. Geh doch in ein Wellnesszentrum und finanziere dir das selber.
Mein Berufsethos als Ärztin verbietet mir zu
hinterfragen, ob ein kranker, hilfsbedürftiger Mensch arm oder reich ist, religiös
oder nicht religiös ist, schwarz oder weiß ist, ob er rot, grün oder blau ist,
versichert oder nicht versichert, ich habe ihn nach bestem Wissen und Gewissen
zu helfen. Das Gleiche gilt aus meiner Sicht für eine Kommune wie die Stadt
Wien. Die Stadt ist nicht nur den Reichen, Schönen und Anständigen
verpflichtet, sondern auch den sozial Schwächeren, den Benachteiligten und den
mitunter Schwierigen, zum Beispiel manchmal den Drogenkranken, die mitunter
schwierig
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