Gemeinderat,
57. Sitzung vom 26.02.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 111
heute geht. Worum es heute geht, ist nämlich eine Volksbefragung. Der
Herr Bürgermeister ist hier herausgegangen und hat mit einer, würde ich sagen,
staatsmännischen Miene hier davon gesprochen, dass direkte Demokratie wichtig
ist. - Vollkommen d'accord. Schade, dass seit 1991 keine Themen mehr den
Wienerinnen und Wienern vorgelegt worden sind. Und schade vor allem, dass diese
Volksbefragung nicht in dieser Art und Weise durchgeführt wurde, wie sie 1991
durchgeführt wurde. Damals war es so, dass hier ein Dreiparteienantrag
vorgelegt wurde. Das heißt, dass die Fragen aufeinander abgestimmt waren. Das
heißt, dass die Fragestellung außer Streit gestellt war. Ich glaube, es sollte
schon auch der SPÖ zu denken geben, wenn renommierte Verfassungsrechtler, wie
Prof Raschauer, hier von möglichen Suggestivfragen reden. Ich glaube, dass man
im Vorfeld überprüfen hätte müssen, wie die Fragestellung ist, und ich glaube,
es wird vielen so ergangen sein, dass sie darauf angesprochen worden sind: Na, ist
das wirklich ernst gemeint, wenn da solche Suggestivfragen gestellt werden,
oder ist das nichts anderes als ein Wahlkampfschmäh der SPÖ? Und es tut weh,
wenn man weiß, dass die letzte Volksbefragung 6 Millionen Schilling,
diese aber 7 Millionen EUR gekostet hat - in einer Zeit, in der das
Geld wirklich anders verwendet werden könnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bedauerlich, dass die SPÖ
eine Volksbefragung durchführt und es um den Gag geht und nicht darum, wie wir
tatsächlich die Bevölkerung einbeziehen. Es wird jedem so ergangen sein, dass
er diesen Eindruck hatte, schon angesichts dessen, wie der Ablauf war, dass es
keinen Aushang in den einzelnen Häusern gegeben hat. Man wusste daher gar
nicht: Muss ich eigentlich eine Stimmkarte bekommen oder nicht? - Meine sehr
geehrten Damen und Herren, das gehört klar geregelt! Und es wäre eigentlich
Aufgabe des Gesetzgebers, darauf entsprechend einzugehen.
Ich glaube, dass gerade die Erfahrungen anderer Bundesländer, wie etwa
Niederösterreichs und Oberösterreichs, zeigen, wie man hier doch eine ganz
andere Vorgangsweise wählt, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Stimmen
tatsächlich bis zu einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Stunde
abgegeben worden sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten uns in
diesem Haus zusammensetzen! - Aber der SPÖ ist das offensichtlich gleichgültig.
Der SPÖ geht es nur darum, hier einen Wahlkampf-Gag gelandet zu haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist keine Frage, dass wir als
Wiener Volkspartei die Entscheidungen, die getroffen worden sind, natürlich
respektieren. - Wir hätten uns ein anderes Verfahren erwartet. Wir hätten uns
auch erwartet, dass die SPÖ jetzt bereit ist, überhaupt diese Fragen einmal
anzugehen - und hier nicht nur Steuergeld verbraucht zu haben. Es gibt einige
Themen, die durchaus auch
diskutiert werden hätten können und die nicht diskutiert wurden. Wie hier im
Vorfeld umgegangen wurde, darüber haben wir ja schon das letzte Mal gesprochen,
es zeigt aber das Verständnis der SPÖ in dieser Frage.
Zur Frage der Ganztagsschule: Keine Frage, es soll Ganztagsschulen
geben, aber wir sind der Ansicht, dass es darüber hinaus auch eine Vielfalt an
Schulformen geben sollte, dass es um einen bedarfsgerechten Ausbau von ganztägigen
Schulformen gehen sollte - das heißt, dass es eine Vielfalt und vor allem
Wahlmöglichkeit geben sollte.
Daher stellen mein Kollege Wolfgang Aigner und meine Kolleginnen
Anger-Koch und Monika Riha den Antrag, dass der amtsführende Stadtrat für
Bildung, Jugend, Information und Sport aufgefordert wird, für einen
bedarfsgerechten Ausbau an Ganztagsschulen zu sorgen sowie zu garantieren, dass
die Wahlfreiheit der Eltern, ihr Kind in einer anderen Schulform als einer
Ganztagsschule wohnortnah unterzubringen, auch zukünftig gegeben sein wird. -
In formeller Hinsicht fordern wir die sofortige Abstimmung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erwarten uns, wie gesagt,
künftig eine andere Vorgangsweise bei Volksbefragungen. Wir sollten
Volksbefragungen öfter durchführen, aber wir sollten sie so durchführen, dass
die Bevölkerung den Eindruck hat, dass sie ernst genommen wird, dass hier nicht
ein Wahlkampf-Gag stattfindet, sondern dass es hier darum geht, tatsächlich ein
Gespräch mit der Bevölkerung zu führen, dass es darum geht, dass direkte
Demokratie ein echter Faktor ist. Nehmen Sie sich hier als Wiener Bürgermeister
ein Vorbild an Leopold Gratz, der tatsächlich direkte Demokratie ernst genommen
hat! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann GR Lindenmayr. Ich erteile
ihm das Wort.
GR Siegi Lindenmayr (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates):
Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Leute meiner Generation können sich noch erinnern an
eine Fernsehsendung mit Robert Lembke, „Heiteres Beruferaten". Da wurde
immer jemand eingeladen, und dieser musste eine typische Handbewegung machen.
Hätte man beispielsweise Herrn Norbert Walter, den Landesgeschäftsführer der
ÖVP, eingeladen und ihn gebeten, eine typische Handbewegung in Bezug auf die
Frage: Was halten Sie von der Demokratie?, zu machen, dann hätte er so gemacht (Der Redner zerreißt
ein Blatt Papier.), und zwar genau zwei Mal. Im Fernsehen hat er sich
filmen lassen, und das wurde auf YouTube gestellt. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ein Skandal!) Das versteht die ÖVP, oder
Teile der ÖVP - ich möchte da nicht pauschal urteilen -, das versteht ein
nichtamtsführender Stadtrat der ÖVP unter direkter Demokratie: einen
Stimmzettel, einen Aufruf an die Wienerinnen und Wiener, sich an einer
Volksbefragung zu beteiligen, zu zerreißen. (StR
Norbert Walter, MAS: Das stimmt nicht! Ich habe gesagt ...) Das ist
eine Ungeheuerlichkeit! Das kann man Ihnen nicht ersparen, da muss man immer
wieder darauf hinweisen. (Beifall bei der
SPÖ. – StR Norbert Walter, MAS: Das stimmt ja nicht! Herr Kollege Lindenmayr,
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