Gemeinderat, 2. Sitzung vom 13.12.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 126
Kollege Margulies - ich kann mich noch immer an seine berechtigten Forderungen erinnern, die in diesem Papier ebenfalls nicht enthalten sind, zum Beispiel die Problematik der Fremdwährungskredite der Stadt Wien, eventuelle Absicherung der Kurse gegen Kursverluste, die Finanzspekulationen der Stadt Wien. In Debattenbeiträgen haben Sie die Frau Vizebürgermeister diesbezüglich oft kritisiert. Jetzt ist im Regierungsübereinkommen das nicht einmal mehr erwähnenswert. Diese wenigen 14 Zeilen sind an sich ein Schwächezeichen für beide Fraktionen. (Beifall bei der FPÖ.)
Einen kleinen Silberstreif am Horizont habe ich aber in diesem Papier schon gefunden. Ich zitiere: „Gezielte Unterstützung von Kleinstunternehmern - Klammer: auch für Gründungen - durch Mobilisierung von benötigten Finanzmitteln, zum Beispiel durch Mikrokredite, Garantien, Haftungen, Beteiligungen, sowie durch Know-how-Transfer.“ So in Ihrem Papier. Silberstreif, meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb, da dies eine jahrelange Forderung, ein Appell von mir an die Frau Vizebürgermeister war, Klein- und Mittelbetriebe mit solchen Maßnahmen zu unterstützen.
Für Beteiligungsprojekte und Haftungsübernahmen habe ich Beispiele aus Niederösterreich und der Steiermark gebracht, Niederösterreich mit der NÖBEG und die Steiermark mit der Steirischen Umstrukturierungsgesellschaft. Warum diese Unterstützung durch Mikrokredite, Garantien, Haftungen, Beteiligungen, et cetera aber nur auf Kleinstunternehmen beschränkt werden, die KMUs also nicht berücksichtigt werden sollen, ist für mich unerklärlich. Gerade diese Betriebe leiden einerseits unter der derzeitigen Wirtschaftskrise, andererseits sind sie aber doch der größte Dienstgeber Wiens. Ich darf erinnern, dass 98 Prozent der Dienstnehmer Wiens in KMUs beschäftigt sind und nur 2 Prozent der Dienstnehmer Wiens in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten. Dass das Hauptproblem dieser Betriebe das geringe Eigenkapital ist, habe ich hier schon oft erwähnt und auch die Frau Wirtschaftskammerpräsidentin Jank hat schon vor einigen Jahren auf diese gefährliche wirtschaftliche Situation hingewiesen: „31 Prozent der 72 500 Wiener KMUs sind extremst gefährdet.“ So damals die Frau Wirtschaftskammerpräsident Jank.
Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister! Überträgt man dies linear auf die Arbeitsplätze, könnte das für den größten Dienstgeber Wiens bedeuten, dass auch fast ein Drittel aller Arbeitsplätze bei den KMUs in Gefahr sind und das ist doch entsetzlich. Aber, sehr geehrte Frau Vizebürgermeister, nicht nur die Frau Wirtschaftskammerpräsident sieht Gefahren bei den KMUs durch fehlendes Kapital. In der Zeitschrift „Unternehmen Österreich“, es ist das Magazin des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, ist auf der ersten Seite die große Schlagzeile „Betriebe in der Klemme“. In dieser Zeitung ist ein mehrseitiger Artikel, aus dem ich hier kurz zitieren darf. Zum Beispiel Banken. Da sagt ein Gewerbetreibender: „Ich bin froh, dass ich derzeit kein Geld von den Banken brauche.“ Oder: „Ähnliches empfinden auch viele andere Selbstständige, wenn man sie auf Kreditfinanzierungen anspricht.“ Das weiß auch SWV-Präsident Christoph Matznetter aus vielen Gesprächen mit Wirtschaftstreibenden und er sagt: „Es sind die Klein- und Mittelbetriebe sowie Ein-Personen-Unternehmen, also die reale Wirtschaft, die in Österreich den Laden am Laufen halten. Es sind aber genau diese Betriebe, die derzeit von der Finanzpolitik und den Banken bestraft werden.“ Von den Banken ist es bekannt, wer die Finanzpolitik in Wien betreibt, ist ebenfalls bekannt.
Im Wirtschaftsteil der „Kronen Zeitung“ vom 13. November ist eine Aufstellung der Eigenkapitalquoten von Unternehmen in ausgewählten europäischen Ländern. Polen und Belgien haben zum Beispiel eine Eigenkapitalquote von 46 und 50 Prozent, die Niederlande und Spanien etwa von 40 Prozent, Italien, Portugal und Frankreich zwischen 30 und 35 Prozent. Österreich hat nach dieser Statistik eine Eigenkapitalquote von 26,7 Prozent. Also man sieht, dass unsere Unternehmen finanziell wirklich sehr schlecht liegen. Das Hauptproblem der KMUs ist also die schlechte Eigenkapitalsituation dieser Unternehmen. Und AWS-Mittelstandsfonds-Chef Arno Langwieser sagt: „Bei Eigenkapitalquote sind wir Schlusslicht in Europa.“
Von den Betrieben von 1 bis 9 Dienstnehmern haben fast 50 Prozent ein negatives Eigenkapital, und von den Betrieben von 10 bis 49 Beschäftigten haben immerhin noch 35 Prozent ein negatives Eigenkapital. Das bedeutet, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass eventuell 90 Prozent dieser Betriebe überschuldet oder sogar Krisenbetriebe sind. Und genau diesen Betrieben, den KMUs, wollen Sie, Rot und Grün, die Unterstützungen durch Mikrokredite, Haftungen, Garantien, Beteiligungen laut Ihrem Regierungsübereinkommen nicht gewähren. Für uns Freiheitliche ist das unverständlich. Und auch der Herr Bürgermeister hat sich in seiner Regierungserklärung für die Wirtschaftsförderung stark gemacht. Ich darf den Herrn Bürgermeister zitieren: „Die Wirtschaftsförderung wird weiterentwickelt. Eine noch zielgenauere Unterstützung von Klein- und Kleinstunternehmen soll positive Effekte mit sich bringen. Und wir reden hier von jenen Unternehmen, die den überwiegenden Teil der Wiener Wirtschaft ausmachen.“ So der Herr Bürgermeister. Im Budgetvoranschlag ist darin leider nichts zu finden, im Gegenteil. Die Wirtschaftsförderung ist insgesamt - ich vergleiche jetzt, ich betone es, weil die Frau Vizebürgermeisterin auch darauf hingewiesen hat, 2010 mit jenem von 2011 - von 193 Millionen EUR auf 172 Millionen EUR gekürzt worden. Das sind um 21 Millionen EUR weniger, als für 2010 budgetiert waren. Ist das die zielgenaue Unterstützung jener Unternehmen, die den überwiegenden Teil der Wiener Wirtschaft ausmachen?
Die Wirtschaftsförderung für Klein- und Mittelbetriebe wurde ebenfalls gekürzt, und zwar von 43 Millionen EUR auf 39 Millionen EUR, immerhin um 4 Millionen EUR weniger. Diese seit Jahren betriebene falsche Politik erkennt man auch an den Insolvenzen. Aus einer Statistik, deren Quelle der Alpenländische Kreditorenverband ist, ist für den Vergleichszeitraum Jänner bis September 2009 gegenüber Jänner bis September 2010 Folgendes zu erkennen: Im angegebenen Zeitraum sind die Gesamtinsolvenzen in Österreich von 13 012 auf 12 537
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