Gemeinderat,
55. Sitzung vom 18.12.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 111 von 123
bedauerlicher Vorgang, der auch sofort zu massiven Unruhen in der
Türkei im kurdisch bewohnten Gebiet geführt hat.
Ich glaube, man muss feststellen – und das steht auch so in den
Zeitungen, zum Beispiel in der „Presse“ –, dass das Verbot nicht
notwendigerweise das Ende der kurdischen Politik in der Türkei sein wird. Von
den 21 Abgeordneten sind 19 verblieben, und sie haben bisher ihren Rücktritt im
Parlament noch nicht erklärt. An Parteienverbote gewöhnt, schließlich wird in
der Türkei im Durchschnitt alle zwei Jahre eine Partei verboten, hat man schon
eine Reservepartei gegründet, der die Abgeordneten der DTP beitreten können.
Es bedeutet für die Kurden nicht insofern so sehr einen Verlust, als es
die Partei DTP nicht mehr gibt, denn das ist durch eine Neugründung wieder zu
ändern, sondern das Heimtückische daran ist, dass erfahrene Politiker aus dem
Verkehr gezogen wurden, indem diesen Funktionsverbote für fünf Jahre erteilt
wurden, etwa dem Parteiobmann Ahmet Türk. Und es wiegt natürlich schwer, wenn
die Köpfe einer politischen Bewegung sozusagen aus dem Verkehr gezogen werden
und jahrelang aus der politischen Arena abtreten müssen.
Interessant ist, dass in diesem Verfassungsgerichtshof nicht nur die
Richter, die Erdogan kritisch gegenüber stehen, mit ihren Stimmen das Urteil
gefasst haben, sondern dass dieses einstimmig erfolgt ist. Somit sind auch die
der Partei des Ministerpräsidenten Erdogan AKP eher wohlwollend Gesonnenen
mitgegangen wie zum Beispiel auch der Vorsitzende Haşim Kiliç selbst, was nicht zuletzt zu
erwähnen ist.
Wie geht es jetzt für die Kurden weiter? – Es geht jetzt um eine
moderate Politik. Dieser Türke dürfte ein vernünftiger Mann gewesen sein, der
sich um Kontakte und um eine Lösung sehr bemüht hat. Die Kurden werden in den
nächsten Tagen wahrscheinlich eine große Versammlung abhalten und entscheiden,
ob man mit einer neuen Partei antreten wird, und selbstverständlich werden die
bisherigen Funktionäre der DTP dieses Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof
in Straßburg anfechten.
Ministerpräsident Erdogan kritisierte zwar das Vorhaben der DTP, sich
zurückzuziehen, hat aber ansonsten nicht allzu deutlich seinen Unmut –
falls er diesen hat – hinsichtlich dieses Urteils bekannt gegeben. Somit
werden wir sehen, wie die Dinge dort weitergehen.
Mit einem Wort: Das Ganze war ein gewaltiger Schnitt in der Politik. Es
wurde ein ganz bedauerlicher Gewaltakt gesetzt, der ungefähr ein Viertel der
türkischen Bevölkerung auf ihrem Weg in Richtung demokratische Rechte
beschneidet. Darum bin ich froh, dass uns ein von vier Parteien getragener
Resolutionsantrag vorliegt.
Wir haben ihn verfasst, und wir werden ihn auch verlesen, umso mehr als
wir ja einen Satz gestrichen haben. – Er lautet: Am 11. Dezember 2009
verhängte das türkische Verfassungsgericht ein Verbot gegen die kurdische DTP.
Die DTP war die einzige Vertreterin der Interessen der kurdischen Minderheit in
der Türkei, weshalb sie den Charakter in einer Sammelpartei hatte. Das
unterstrichen auch die jüngsten Urnengänge. Mit den letzten Parlamentswahlen am
22. Juli 2007 erlangte mit der DTP erstmal eine kurdische Partei den
Fraktionsstatus in der großen Nationalversammlung der Türkei, und bei den
Kommunalwahlen am 29. März 2009 erhöhte sich die Zahl der Bürgermeisterinnen
und Bürgermeister von 56 auf 99.
Die DTP bestand zwar erst seit dem 24. Oktober 2005, nachdem ihre
Vorgängerpartei verboten worden war. – Ein Einschub: Ich habe gelesen,
dass nunmehr seit 1990 bereits die vierte kurdische Partei gegründet wurde,
weil bis jetzt drei aufgehoben wurden.
Ich fahre fort: Das Verbot der DTP unter fadenscheinigen Gründen zeugt
nicht nur von Mangel an demokratischen Mindeststandards im türkischen Staat,
sondern stellt auch einen krassen Verstoß gegen die Menschenrechte dar. Der
kurdischen Minderheit wird einmal mehr das Recht auf ihre Sprache und auf ihre
kulturellen und politische Entfaltung abgesprochen. Die Repression gegen die
DTP steht auch stellvertretend für viele individuelle Fälle von
Menschenrechtsverletzungen gegen Angehörige der kurdischen Minderheit in der
Türkei. Tausende Dörfer wurden in den 90er Jahren vom Militär zerstört, und es
werden unablässig riesige Staudämme gebaut, die dem kurdischen Volk in seiner
ostanatolischen Heimat die Lebensgrundlage entziehen. Die zunehmend
erfolgreiche DTP wurde als Speerspitze der kurdischen Menschenrechtsbewegung
gesehen, die es abzubrechen galt.
Die Resolution selbst ist kurz:
„Der Gemeinderat der Stadt Wien protestiert gegen das Verbot der DTP
und spricht deren bis zu diesem Zeitpunkt amtierenden Mandatsträgerinnen und
Mandatsträgern seine Solidarität aus.“
Ich danke dafür, dass es gelungen ist, einen Vierparteienantrag daraus
zu machen und damit eine einhellige Meinung im Gemeinderat zu erreichen. (Beifall
bei der FPÖ und von Gemeinderäten und Gemeinderätinnen der SPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Der Herr Berichterstatter verzichtet auf das
Schlusswort. Wir kommen sofort zur Abstimmung über das Geschäftsstück.
Wer für das Geschäftsstück ist, gebe bitte ein Zeichen mit der
Hand. – Es gibt die Zustimmung von ÖVP, FPÖ, SPÖ und Grünen.
Ich lasse nun den All-Parteien-Resolutionsantrag abstimmen. Wer für
diesen Antrag ist, gebe bitte ein Zeichen mit der Hand. – Dieser Antrag
ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Postnummer 3 der Tagesordnung: Subvention an die waff
Management GmbH. Wir kommen sofort zur Abstimmung. Wer ist für das
Geschäftsstück. – Es gibt die Zustimmung von ÖVP, SPÖ und den Grünen. Der Antrag ist mehrstimmig
angenommen.
Postnummer 4 betrifft die Subvention zur
Förderung des Spracherwerbes für neu nach Wien zugewanderte Personen. Wer dafür
ist, gebe bitte ein Zeichen mit der Hand. – Ich stelle die Zustimmung von
SPÖ und
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