Gemeinderat,
55. Sitzung vom 18.12.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 123
Vorsitzende GRin Inge Zankl (unterbrechend): Bitte
um einen Schlusssatz.
GRin Mag Maria Vassilakou (fortsetzend): Ich
wiederhole aber: So wie dieser Text ganz allein von Ihnen gestaltet ist, findet
diese Volksbefragung ganz sicher nicht mit uns statt! (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächster am Wort ist
Herr GR Dr Tschirf. Ich erteile es ihm.
GR Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt
Wien): Frau Vorsitzende! Herr Bürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Nach 20 Jahren lässt die SPÖ wieder eine Volksbefragung zu, quasi
als Gnadenakt. – Dabei stellt sich die Frage: Hat sich in diesen
20 Jahren nichts abgespielt? Man muss aber nur die letzten Jahre Revue
passieren lassen und merkt, dass es genug Fragen gegeben hat, etwa betreffend
eine zweite U-Bahn-Anbindung zum Hauptbahnhof, betreffend die Lobauautobahn
oder betreffend den Prater-Vorplatz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPÖ lässt jetzt eine
Volksbefragung mit Suggestivfragen sozusagen als Wahlkampf-Gag zu. Im Hinblick
darauf ist es interessant, sich anzusehen, wie das vor fast 20 Jahren war,
als das letzte Mal eine Mitteilung stattgefunden hat, und zwar nicht durch den
Bürgermeister, sondern durch den damaligen amtsführenden Stadtrat Hannes
Swoboda.
Hannes Swoboda hat mit seiner Mitteilung wie folgt begonnen: „Auf Grund
von Gesprächen der politischen Parteien im Gemeinderat soll am 14., 15. und
16. Mai 1991 eine Volksbefragung stattfinden.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sagt der Bürgermeister
heute? – Der Bürgermeister heute wünscht nicht und empfiehlt auch nicht,
sondern er geht davon aus, dass der Gemeinderat ersucht wird, einen
entsprechenden Beschluss herbeizuführen. – Ich weiß nicht, ob dem Wiener
Bürgermeister bewusst ist, was das Wort ersucht in der Rechtsordnung ist!
Ersucht bedeutet nämlich eine Weisung!
Das ist das Verständnis des Wiener Bürgermeisters von Demokratie:
Diejenigen, die da sitzen, müssen das tun, was ich will! – Das ist das
Verständnis der SPÖ! (Beifall bei der
ÖVP.)
Ich darf hier an meine Vorrednerin anschließen. Sie hat einen
griechischen Philosophen zitiert, nämlich Solon. Offensichtlich heißt der
Staatsphilosoph des Michael Häupl Machiavelli,
und die Inspirationen holt sich der Wiener Bürgermeister in der
Toskana. Das mag kulinarisch interessant sein, ich glaube aber, für die
politische Kultur in dieser Stadt wäre anderes wichtiger und dem
21. Jahrhundert zuträglicher! (Beifall
bei der ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben hier, wie die SPÖ als
Wahlkampf-Gag Volksbefragungsfragen platziert, und zwar zeitlich sicherlich
gut, nämlich nach der Energiewoche im Februar, also ein gutes halbes Jahr vor
den Wahlen. Es ist dies quasi ein Wahlkampfauftakt. Aber kann denn das alles
sein, was direkte Demokratie heißt? Ist nicht direkte Demokratie viel zu
schade, um als Wahlkampf-Gag zu verkommen?
Die SPÖ versucht, dabei auch großzügig zu sein. Sie nimmt Fragen, die
offenbar Anliegen anderer Parteien sind. Und durch die Art der Fragestellung
kommt zum Ausdruck, dass die Initiativen der anderen Parteien, beispielsweise
einen 24-stündigen U-Bahn-Betrieb zu verlangen, Blödsinn ist. Es geht der SPÖ
nicht darum, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zu befragen, was sie
wollen oder nicht wollen. Vielmehr wird schon von Anfang an insinuiert, dass
die Forderungen der Opposition Blödsinn und abzulehnen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! So sollte der Stil von
Volksbefragungen im Jahr 2009 nicht aussehen! Natürlich kennen wir Vorbilder
aus anderen Zeiten. Aber nach 90 Jahren SPÖ in dieser Stadt, die sich einmal
als ein demokratisches Experimentierfeld gesehen hat, ist das wirklich eine
Situation der Götterdämmerung, eine Endsituation. Und der Wähler wird am
10. Oktober 2010 das Urteil sprechen. Darauf freuen wir uns schon!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Hinweis auf den 24 Stunden
Betrieb der Wiener U-Bahn am Wochenende: In der Einleitung sagen Sie: „In Wien fahren
täglich Nachtbusse von 0.30 Uhr bis 5 Uhr. Ein 24 Stunden
U-Bahn-Betrieb am Wochenende kostet pro Jahr 5 Millionen EUR und
bewirkt veränderte Fahrtrouten der Nachtbusse an Wochenenden.“ – Die
SPÖ-Meinung ist also: Das brauchen wir nicht! In Wien funktioniert das eh gut!
Da könnte ja jeder kommen und überhaupt!
Dann schließt sich die Frage an: „Sind Sie dafür, dass die U-Bahn am
Wochenende auch in der Nacht fährt?“ – Hier geht es darum, eine
Suggestivfrage zu stellen! Hier geht es nicht darum, den Willen der Wählerinnen
und Wähler zu erfragen, sondern einfach um einen Gag!
Das sehen wir auch in der Frage der Ganztagsschule, im Zusammenhang mit
welcher man nur darauf aus ist, parteipolitisch zu polemisieren. Es ist
interessant, dass die SPÖ selbst nicht imstande ist, ein flächendeckendes
Angebot an ganztägiger Betreuung in den Schulen sicherzustellen. Was würde die
Stadt Wien nämlich etwa ohne das Angebot der privaten Schulerhalter tun? Da
würde die SPÖ – auf gut Wienerisch – alt ausschauen! Die SPÖ, die
diese Stadt regiert, war nämlich in den letzten Jahrzehnten nicht imstande, ein
solches Angebot zu schaffen. Nun aber wird die Frage als Wahlkampf-Gag
gestellt! (Beifall bei der ÖVP.)
Möglicherweise kommt die SPÖ dann in eine Situation wie auch beim Gratiskindergarten:
Es ist dies ein durchaus vernünftiger Ansatz, wenn man dann aber in der Praxis
damit konfrontiert wird, dann ist das ein Dahinwurschteln! Hauptsache ist aber
jetzt, dass die Frage passt.
Zur Frage der Hausmeister: Dass die SPÖ im Gemeindebau
Probleme hat, ist bekannt, etwa betreffend die Integration. Aber man macht es
sich viel zu leicht, wenn man nur auf eine veränderte Rechtslage auf
Bundesebene hinweist. Sie hätten auch heute jede Möglichkeit, in den
Gemeindebauten Hausbesorger anzustellen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Sie tun es aber nicht! Sie lenken von Ihren Versäumnissen ab! Das ist
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