Gemeinderat,
53. Sitzung vom 24.11.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 80 von 101
im zuständigen Ausschuss sitzen, Vereinsobleute sind. Es schaut auch
nicht wirklich gut aus, wenn Kontrollamtsberichte Monate, bevor sie dann
vorgelegt werden, schon im Gemeinderat ex cathedra verkündet werden. Das ist
einfach etwas, was Sie gar nicht notwendig haben. Das heißt, Sie machen es uns
auch leichter, uns in diese Arbeit einzuklinken, wenn hier saubere Grenzen
gezogen werden. Diese Doppelrollen sind einfach nicht gut.
Es wirft natürlich auch die Frage auf, ob es nicht doch besser wäre, in
Wien einen unabhängigen Landesrechnungshof zu installieren als ein Kontrollamt,
das bei aller Unabhängigkeit und bei allem Bemühen, das man neidlos und
jederzeit konzedieren muss, zu haben, ob es nicht besser wäre, eine unabhängige
Kontrollinstanz zu schaffen. Es ist nämlich einfach schwierig, wenn man als
Einrichtung der Stadt Wien im Gemeinderat von den zu prüfenden Stellen schon
ausgerichtet bekommt, wie Berichte auszusehen haben. Das ist, glaube ich, auch
etwas, was man demokratiepolitisch noch lernen kann.
Ich gestehe der SPÖ in Wien zu, dass sie diesbezüglich lernfähig ist,
möglicherweise nach der nächsten Landtagswahl noch mehr, als sie es bisher ist.
Aber Sie würden die Jugendarbeit viel mehr aus der parteipolitischen Diskussion
herausnehmen, wenn Sie sich selbst, wo Sie alleine drinnen sitzen und fast
allein verantwortlich sind, auch herausnehmen.
Meine Damen und Herren, klimatisch hat sich unter der neuen
Stadtregentschaft einiges gebessert. Das anerkennen wir von Seiten der ÖVP
auch. Wir tun uns auch in manchen Dingen leichter. Es sind aber wesentliche
Kritikpunkte nach wie vor aufrecht geblieben. Es ist nach der vierten
Budgetrede schon etwas befremdlich, wenn man eigentlich die Reden der letzten
Jahre fast belle quelle hernehmen könnte. Ich glaube, es ist wirklich
notwendig, dass es in dieser Stadt einen neuen Wind gibt. Ich hoffe und bin
guter Zuversicht, dass die nächsten Wahlen Gelegenheit geben werden, dass wir
auch in diesen wichtigen Bereich Schule, Jugend, Bildung und Sport einen
frischen Wind hineinbringen. - Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zum Wort
gemeldet ist GR Mag Wutzlhofer. Ich erteile es ihm.
GR Mag Jürgen Wutzlhofer (Sozialdemokratische Fraktion
des Wiener Landtages und Gemeinderates): Herr Vorsitzender! Herr
Stadtrat! Meine Damen und Herren! Schönen guten Abend!
Als der Herr Kollege Jung mit seinen Ausführungen begonnen hat, habe
ich mir gedacht, es ist eigentlich schade, denn wir haben es anders aufgeteilt,
die Frau Kollegin Straubinger wird über den Jugendbereich sprechen. Nachdem
dann aber samt und sonders Skurrilitäten und Unwahrheiten gekommen sind, passt
es ganz gut, dass ich über Bildung und Lernen spreche. Das würde ich Ihnen auch
nahelegen! Bei einem sich Vertiefen in obskure Vereine sind wir alle hier im
Haus nicht ganz firm. Die einzigen wirklich skurrilen Vereine, und da ist ein
Gutteil Ihrer Fraktion involviert, haben sich erst letzte Woche bei einem Kommers
getroffen, um einer Zeit nachzuhängen, die zum Glück vorbei ist! (Beifall
bei der SPÖ. - StR Johann Herzog: Das ist aber keine Malversation, Herr
Kollege!)
Ich werde mich auch ansonsten auf das beschränken, was die
Geschäftsgruppe betroffen hat, vielleicht mit einer Ausnahme. Der Herr Kollege
Aigner, wo immer er jetzt auch ist, hat am Schluss in den Raum gestellt, man
brauche eine andere Konstruktion für das Kontrollamt, weil es nicht tragbar
sei, dass sich die Politik Berichte wünsche. Das möchte ich zutiefst ablehnen
und von uns weisen, dass das Wiener Kontrollamt offen für politische
Intervention ist! Das ist eine Frechheit, an dieser Stelle! (Beifall bei der
SPÖ.)
Jetzt sind schon eineinhalb Minuten von meinem eigentlich gewählten
Thema, dem Thema Bildung weg.
„Nichts ist naturgemäßer als Tugend und Bildung. Ohne sie hört der
Mensch auf, Mensch zu sein." - Dieses wunderschöne Zitat ist ein bisschen
alt. Es stammt von Erasmus von Rotterdam, der im 15. Jahrhundert gelebt
hat. Daher ist das schon 600 Jahre her, aber meines Erachtens nach noch immer
sehr aktuell. Es bedeutet nichts anderes, als dass wir lernen, solange wir
leben. Wir beginnen, sowohl mit dem Leben als auch mit dem Lernen, bei der
Geburt. Aber, und deshalb hat es auch das humanistische Bildungsideal gegeben,
es gibt unterschiedliche Rahmenbedingungen für dieses Lernen. Da fängt die
politische Dimension an.
Welche Rahmenbedingungen für das Lernen, für die Bildung gibt es in
Österreich? Das ist eine Frage, die wir uns permanent stellen müssen.
Österreich investiert sehr viel Geld in die Bildung. Sie ist durch den Bund,
wie der Kollege Aigner gesagt hat, insofern gut ausgestattet. Es gibt eine
OECD-Studie, „Education at a glance", die ausweist, dass Österreich pro
Schüler, Schülerin, Studentin, Student jährlich 10 895 Dollar ausgibt. Der
OECD-Schnitt ist 7 840 Dollar. Jetzt ist es aber so - viele im Haus werden
das wissen -, dass die Ergebnisse des österreichischen Bildungssystems
bestenfalls mittelmäßig sind. Das haben Studien wie die PISA-Studie, die
PIRLS-Studie, die TIMSS-Studie und viele andere Studien, wie zum Beispiel die
von der OECD erwähnte, belegt. Es ist leider auch nicht so, dass in unserem
Land alle die gleichen Chancen haben. Das war das, was Menschen wie Erasmus vor
600 Jahren getrieben hat, das Ideal eines humanistischen Menschenbilds, das
nichts anderes war, als der Traum von einer Gesellschaft, in der nicht die
Geburt, in der nicht die Herkunft zählt, sondern dass der eigene Kopf und die
eigene Leistung bestimmen, wohin der Weg geht. In der Theorie, nehme ich stark
an, werden wir alle hier dieses Ideal teilen. Nur umgesetzt ist es in der
ganzen Welt nicht zur Gänze. Das gilt leider auch in besonderem Maße für
Österreich.
Zwei Zahlen, die ich an dieser Stelle eh schon öfters
erwähnt habe. In Österreich ist Bildung nach wie vor sehr stark vom
Bildungsniveau der Eltern abhängig. 87 Prozent der Kinder aus
AkademikerInnen-Haushalten besuchen eine AHS-Oberstufe oder eine BHS,
allerdings
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