Gemeinderat,
52. Sitzung vom 30.10.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 66 von 95
ausschließlich auf Frauen im Alter von 60 Jahren und älter
bezogen. Es stimmt schon, in der Regel sind es ältere Frauen, Seniorinnen, die
Opfer werden, aber natürlich gilt es für ältere Männer genauso, dass man ihnen
nach so einem Ereignis Rat, Schutz und Hilfe bieten muss.
Das heißt, wir sollten bei solchen Projekten nicht einschränken,
sondern sie generell einmal daraufhin ausrichten, dass sie für Männer und
Frauen gleichermaßen gelten. Und es ist eben ein einzelnes Pilotprojekt viel zu
wenig, Herr Bürgermeister! Als wir etwa in meinem Bezirk Hernals die Einsetzung
eines ähnlichen Projekts für den 17. Bezirk gefordert haben, ist uns in
langen Erklärungen in der Sozialkommission gesagt worden, wie schwierig und wie
geradezu unmöglich das ist. Bis heute ist nicht einmal ein Ansatz gefunden
worden, etwas Ähnliches auch in dieser Region ins Leben zu rufen.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir
fordern daher - und ich glaube, das sind wir dieser Generation schuldig - in
Wien ein flächendeckendes System zur Behandlung, Begleitung und Betreuung von
älteren Verbrechensopfern. So speziell herausgegriffen wird das deshalb, weil
es - das stimmt schon - schwierig ist, an die alten Menschen, die noch dazu
Angst haben, heranzukommen und heranzutreten. Ich glaube daher, da müssen wir
das Wissen von Expertinnen und Experten nützen - die gibt es ja auch -, um eben
hier maßgeschneiderte Programme ins Leben zu rufen. Es muss eine ausreichende
Beratung und Begleitung geben, und auf der anderen Seite ist es natürlich auch
wichtig, präventiv einzugreifen. Meine Kollegen Jung und Lasar werden in Folge
noch Anträge dazu einreichen, und ich bitte Sie jetzt schon um die entsprechende
Unterstützung.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Wir müssen dafür auch Geld in die
Hand nehmen. Ich weiß, das zu hören, ist in Zeiten wie diesen nicht sehr
angenehm, aber in den letzten drei Jahren zwei Mal 50 000 EUR, das
ist viel zu wenig.
Es ist heute so, dass die Verbrechensopfer, die Anzeige erstatten, sehr
gut und durchaus sehr sensibel von den Polizeibeamten, die in letzter Zeit sehr
gut geschult wurden, betreut und behandelt werden. Die weiterführende
Begleitung kann aber natürlich nicht Aufgabe der Polizei sein. Da gilt es,
Fachkräfte wie Psychologen, Psychotherapeuten und SozialarbeiterInnen
einzusetzen, um die Menschen wieder zurück in ein normales Leben zu führen.
Manchmal genügt es auch, den Weg, auf dem das Unglück passiert ist, etwa den Weg
von der Bank zurück nach Hause, den die Menschen dann nicht mehr gehen wollen,
ein paar Mal mit der betroffenen Person zu gehen.
Wir sind leider in der Situation, dass viele alte Menschen kein
familiäres Umfeld mehr besitzen, der Freundeskreis nach und nach kleiner wird
und auch die Nachbarschaft nicht mehr so gelebt wird oder gelebt werden kann,
wie man sich das halt wünschen würde. Daher ist die öffentliche Hand gefordert
mitzuhelfen, dass diese Menschen nicht in die vollkommene Isolation geraten und
damit sozusagen in ihre Wohnung, in der sie sich vielleicht gar nicht mehr
wohlfühlen, gedrängt werden.
Wir alle wissen aus unserem persönlichen Umfeld – oder falls wir es selbst
erlebt haben –, wie es einem geht, wenn in einer Wohnung
eingebrochen wurde, wenn alle Laden ausgeräumt wurden und jemand im ganz
persönlichen Umfeld war. Es sind schon junge, gesunde Menschen gefordert,
dieses unangenehme Erlebnis zu verdauen, auch wenn sie in einem familiären
Verband leben und das nicht allein durchmachen müssen, und bei älteren Menschen
ist das natürlich ganz besonders schwierig.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir
ersuchen Sie jetzt zum wiederholten Mal, sich für dieses doch recht große
Problem für viele Menschen einzusetzen, Geld in die Hand zu nehmen – über
die Höhe wird noch zu verhandeln sein – und entsprechende Experten
einzusetzen. Ich denke jetzt etwa an Frau Primaria Pilz mit ihrem
Gewaltschutzprojekt im Bereich der Geriatrie. Sie und ihr Team wissen sehr gut,
wie man an ältere Menschen besser herankommt, wie man mit ihnen spricht, damit
es auch Erfolge zeitigt. Es sind ja Experten vorhanden, und wir müssen deren
Wissen auch nützen.
Wichtig wird sein, dass man die entsprechenden Stellen vernetzt und
dass man eine gute Zusammenarbeit zwischen allen seniorenrelevanten
Einrichtungen und der Stadt Wien gemeinsam mit der Polizei und den
Opferschutzorganisationen gewährleistet. Letztere kann man da nicht auslassen,
denn auch sie verfügen über ein hohes Maß an Erfahrung. In diesem Sinne müssen
wir als Ziel definieren, alten Menschen in Wien ein flächendeckendes
Hilfesystem anzubieten.
Ich hoffe sehr, heute von Ihnen etwas Positiveres zu hören, als wir bei
den letzten Anträgen als Antwort bekommen haben, mit denen wir uns für einen
Ausbau des Opferschutzes, der Beratung, der Betreuung und der Begleitung für
Seniorinnen und Senioren in Wien stark gemacht haben.
Ich bitte Sie daher: Nehmen Sie sich ein Herz für die Menschen, die
diese Stadt aufgebaut haben! Sagen Sie heute Ja zu dem, was wir gemeinsam für
die älteren Menschen in unserer Stadt ins Leben rufen wollen, dass nämlich
Hilfe dann geleistet wird, wenn es notwendig ist, vor allem nach einem
Verbrechen. Das Motto soll sein: Raus aus der Isolation, rein ins Leben!
Es sind ja auch immer Ihre Worte, dass Sie dieser Bevölkerungsgruppe
möglichst lange ein qualitätsvolles Leben wünschen. Nehmen wir daher Geld in
die Hand, und organisieren wir dieses Hilfsnetzwerk! Ich glaube, dann wird
vielen Menschen geholfen sein. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Zur Beantwortung der
Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bürgermeister zu Wort gemeldet. –
Ich erteile es ihm.
Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!
Zunächst möchte ich einleitend festhalten, dass Sie
bereits in der Sitzung des Gemeinderates am 26. März 2009 zu diesem Thema
eine mündliche Anfrage an mich
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